Union will „Gesellschaftsjahr“

Pflichtdienst für alle? Daniel Günther begrüßt CDU-Beschluss

Pflichtdienst für alle? Daniel Günther begrüßt CDU-Beschluss

Pflichtdienst für alle? Daniel Günther begrüßt CDU-Beschluss

Henning Baethge/shz.de
Kiel/Berlin
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Die CDU hat sich auf ihrem Parteitag für ein verpflichtendes Dienstjahr ausgesprochen. Wie Schleswig-Holstein auf den Beschluss reagiert. Und für wen das Pflichtjahr gelten soll.

Ein verpflichtendes „Gesellschaftsjahr“ für alle jungen Leute direkt nach der Schule will die CDU einführen, sobald sie im Bund wieder regiert – und im schleswig-holsteinischen CDU-Landesverband zeigt man sich zufrieden mit diesem Beschluss des Bundesparteitags vom Wochenende. Er „begrüße“ diese Entscheidung“, lässt allen voran CDU-Landeschef und Ministerpräsident Daniel Günther auf Anfrage ausrichten.

Auch Landtagsfraktionschef Tobias Koch hält die Pläne für einen Pflichtdienst in der Bundeswehr, im Katastrophenschutz, dem Umweltschutz oder sozialen Einrichtungen für richtig. „Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hat sich die Sicherheitslage in Europa grundlegend geändert“, argumentiert Koch. Daher sei es nötig, „die vor elf Jahren ausgesetzte Wehrpflicht wieder zu aktivieren“, aber daneben auch „alternative Tätigkeiten gleichberechtigt zuzulassen“, sagt Koch.

Ministerin Prien erhofft sich mehr Zusammenhalt

Schon im Vorfeld des Parteitags hatte sich die Kieler Bildungsministerin und stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Karin Prien im Interview mit unserer Zeitung für das Pflichtjahr ausgesprochen. Auf dem Parteitag warb sie noch einmal vehement dafür. „Wenn man Frieden und Freiheit verteidigen will, dann braucht man junge Menschen, die bereit sind, einen Dienst am Staat, an der Gesellschaft zu leisten!“, rief Prien in ihrer Rede. Auch sei das Dienstjahr „ein guter Weg“, um mehr Zusammenhalt in einer Gesellschaft zu erreichen, „die in Milieus zu zerfallen droht, die sich nicht mehr begegnen“.

Auch die Junge Union im Land ist dafür

So argumentiert auch der bisherige Vizechef der Jungen Union Schleswig-Holstein, Felix Siegmon, der am 24. September wahrscheinlich zum Nachfolger der bisherigen JU-Landesvorsitzenden Brite Glißmann gewählt wird. „Bisher sind es immer dieselben, die sich einbringen“, sagt Siegmon. Daher brauche es einen „neuen Impuls, damit künftig mehr Menschen mitmachen.“ Diesen Impuls könne das Pflichtjahr geben. Es soll nach dem Willen der CDU übrigens nicht rückwirkend gelten, sondern nur für alle künftigen Schulabgänger und -abgängerinnen. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte kürzlich ein solches Jahr angeregt.

Ablehnung in allen anderen Landtagsparteien

In den anderen Landtagsparteien in Schleswig-Holstein stößt der Beschluss der CDU allerdings trotzdem auf Ablehnung. SPD-Oppositionsführer Thomas Losse-Müller glaubt zwar, dass ein Dienst an der Allgemeinheit „allen Menschen neue Perspektiven aufzeigen“ könne. Aber er ist gegen eine Pflicht. „Gemeinsinn kann man nicht erzwingen“, sagt der SPD-Fraktionschef. Vielmehr sollten sich „junge Menschen genau wie Menschen in der Mitte ihres Lebens frei für einen Dienst an der Allgemeinheit entscheiden können.“ Daher will Losse-Müller umgekehrt den Staat verpflichten, „allen Menschen angemessene Angebote zu machen“.

Jusos: „Die CDU hat nicht verstanden“

Die Jusos üben scharfe Kritik am Beschluss der Christdemokraten. „Die CDU zeigt, dass sie nicht verstanden hat, dass gerade junge Menschen in den letzten zwei Jahren schon auf genug Dinge verzichtet haben“, wettert Juso-Landeschef Kianusch Stender. Nach der Coronapandemie mit Homeschooling, wenig persönlichen Kontakten und starker psychischer Belastung dürfe die junge Generation „jetzt nicht auch noch dadurch bestraft werden, dass ihr ein Pflichtdienst aufgebrummt wird“, sagt er.

FDP-Fraktionschef Vogt: „Die Union irrlichtert“

Ähnlich argumentiert FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. „Statt die junge Generation nach über zwei Jahren solidarischem Verhalten in der Pandemie nun mit einem auch rechtlich äußerst fragwürdigen Zwangsdienst zu bevormunden, sollten wir die Bildung, das Ehrenamt und die Freiwilligendienste stärken“, fordert er. Doch leider „irrlichtert die Union da“. Auch SSW-Fraktionschef Lars Harms hält nichts von der Dienstpflicht. „Sie ist verfassungswidrig und nur mit unverhältnismäßigem Aufwand umsetzbar“, bemängelt er. „Besser wäre es, die bestehenden Freiwilligendienste auszubauen.“

Selbst der grüne Koalitionspartner übt Kritik

Selbst der grüne Koalitionspartner der CDU im Land geht auf Distanz. Das ehrenamtliche Engagement im Land sei wertvoll, „weil die Menschen für ihre Themen brennen und unbedingt etwas machen wollen“, sagt Fraktionschef Lasse Petersdotter. „Eine Dienstpflicht ist aber das genaue Gegenteil“ – nämlich „eine Verpflichtung, ein Jahr unterbezahlt zu arbeiten, im Zweifel auch in Bereichen, die einen gar nicht interessieren“. Auch Petersdotter plädiert daher für eine Stärkung des freiwilligen Engagements: „Wir brauchen mehr Plätze, bessere Rahmenbedingungen sowie die finanzielle Anerkennung für den Freiwilligendienst sowie für Ehrenämter allgemein.“

Grüne Jugend wittert noch ein anderes Motiv

Die Grüne Jugend wittert noch ein anderes Motiv hinter dem Vorstoß der CDU. „Was die CDU hier versucht, ist, ihre eigenen Versäumnisse in der besseren Bezahlung und Ausstattung der sozialen Berufe auf Kosten junger Menschen zu lösen“, kritisiert die Landesvorsitzende Johanna Schierloh. Es sei aber „absurd“, Menschen, die sich gerade beruflich orientieren, „ein Jahr lang zu Diensten zu verpflichten, an denen sie möglicherweise nur geringes Interesse haben“.

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