Energiewende

Offshore-Ausbau: Der Erfolg hängt auch von Schleswig-Holstein ab

Offshore-Ausbau: Der Erfolg hängt auch von Schleswig-Holstein ab

Offshore-Ausbau: Erfolg hängt auch von SH ab

SHZ
Berlin
Zuletzt aktualisiert um:
Foto: Daniel Reinhardt / SHZ

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Angesichts der deutlich erhöhten Ambitionen der Bundespolitik zum Windkraftausbau auf hoher See ist auch die Landesregierung in SH gefordert. Die Stiftung Offshore Windenergie ruft sie dabei zu einer aktiveren Rolle auf.

Die Stiftung Offshore Windenergie tritt für eine deutlich aktivere Rolle Schleswig-Holsteins beim Ausbau der Windkraft auf See ein. „Die Landesregierung sollte das Thema Windenergie auf See unbedingt hoch oben auf ihrer Agenda haben und mitgestalten“. Das sagte die Geschäftsführerin der Stiftung, Karina Würtz, unserer Zeitung.

Dass die Planungshoheit für die weit draußen liegenden Standorte beim Bund liege, ändere nichts daran, dass es zugleich „eine sehr lange Liste an Aspekten gibt, die für Schleswig-Holstein relevant sind“, so Würtz. Sie sieht bei Offshore „noch riesige Potenziale, bei deren Erschließung die Landesregierung massiv unterstützen könnte“.

Häfen, Netzanbindung, Notfallkonzepte: alles Baustellen für das Land

Als Beispiel nannte die Expertin den Ausbau der Infrastruktur, etwa im Bereich der Häfen, „um auch vom Offshore-Boom zu profitieren. Hier spielen die Häfen in Schleswig-Holstein bisher kaum eine Rolle.“

„Von entscheidender Bedeutung“ seien die Planungs- und Umweltbehörden des nördlichsten Bundeslands bei einem „neuralgischen Punkt im Bereich der Offshore-Netzanbindung“: nämlich der Trassenführung und Kabelverlegung durch die Zwölf-Meilen-Zone und das Wattenmeer.

„Auch Netzanknüpfungspunkte sowie der landseitige Netzausbau liegen in der Hand Schleswig-Holsteins“, setzt die führende Repräsentantin der deutschen Offshore-Branche hinzu.

Mehr Personal für Behörden gefordert

Behörden des Landes müssten den Arbeits- und Notfallschutz in einem wesentlichen Teil der Offshore-Ausbaugebiete überwachen. Alle mit dem Offshore-Ausbau befassten Behörden benötigten deutlich mehr Personal, um ihre Aufgaben erfüllen zu können.

Im Arbeitsschutz zeigt sich dies nach dem Eindruck der Stiftung eklatant, „indem nur eine Hand voll Personen in allen Nordländern für dieses wichtige Thema zuständig ist, die aber gleichzeitig auch noch Onshore-Themen und andere Aufgaben bearbeiten“.


Last but not least „bietet die Kooperation mit Dänemark im Bereich Offshore-Wind enormes Potenzial“, betont Würtz. „Hier sollte Schleswig-Holstein seine Lage und Beziehungen zum Nachbarn unbedingt nutzen und sich in einer Vorreiterposition bringen. Daraus können sich enorme wirtschaftliche Synergien ergeben.“

Nach Dänemark blickt die deutsche Offshore-Branche vor allem deshalb, weil dessen Hoheitsgebiet in der Nordsee, die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), viermal so groß ist wie die deutsche. Als eine Option sieht die Stiftung Offshore Windenergie deshalb, auch deutsche Meereswindparks in dänischen Gewässern zu errichten. Denn in der deutschen AWZ zeichnet sich bereits jetzt eine Platzknappheit ab.

Die Bebauungsdichte für Offshore-Anlagen in der deutschen AWZ hat der Bund kurz vor dem Jahreswechsel von 8 Megawatt je Quadratkilometer auf 10,3 bis 11,2, je nach Teilfläche, erhöht. Hauptsächlich auf diese Weise sollen drei Gigawatt mehr als bisher geplant untergebracht werden. Zum Vergleich: In den dänischen Nordseegewässern beträgt die Bebauungsdichte nur vier Megawatt je Quadratkilometer.

Die Kehrseite einer höheren Bebauungsdichte

Die Energieerzeuger fürchten bei hoher Bebauungsdichte so genannte Abschattungseffekte: Im Umfeld von Windparks kommt es wegen physikalischer Gegebenheiten zu Verwirbelungen und einer Abschwächung des Windes. Das senkt die Produktivität benachbarter Anlagen.

Weiterlesen: Offshore-Windparks in der Nordsee nehmen sich gegenseitig den Wind weg

Für unabdingbar hält die Stiftung Offshore Windenergie deshalb „eine intelligente Multi-Nutzung von Flächen“. Bisher würden Areale zu einseitig aufgeteilt etwa in Naturschutz, Fischerei, militärische Übungsgebiete und Offshore-Wind.

Belgien als Vorbild für gemischte Nutzungsformen von Meereszonen

Am drängendsten findet Geschäftsführerin Würtz eine Co-Nutzung von Windkraft und Übungsflächen der Bundeswehr: „Bei den Übungsflächen handelt es sich um riesige Gebiete, in denen ein dauerhafter Ausschluss der Offshore-Windenergie mit Blick auf unsere Klimaziele nicht auf Dauer zu halten sein wird.“

Als Vorbild nennt Würtz Belgien. Das habe einen institutionalisierten Dialog zwischen beiden Seiten etabliert. Zudem erprobe Belgien wie auch die Niederlande begleitende Bewirtschaftungsformen in Offshore-Zonen, etwa Muschelzucht an den Fundamenten von Windkraftanlagen.

Die Stiftung selbst plant in den kommenden Jahren vor Warnemünde in der Ostsee ein Testfeld mit einer Leistung von 165 MW. Die Multi-Nutzung von Flächen soll dort ein Forschungsschwerpunkt sein.

Windkraft an Land hält die Offshore-Branche trotzdem für unverzichtbar

Bei allem dringenden Eigeninteresse an einem massiven Ausbau auf See macht die Stiftung der Öffentlichkeit allenfalls vage Hoffnungen, dass mehr Offshore Windkraft an Land entlasten könne. „Sicherlich wird irgendwann diskutiert, ob Hemmnisse bei einer Erzeugungsform woanders kompensiert werden können“, sagt Würtz.

Die Ausbauziele der Ampel-Koalition im Bund für die Erneuerbaren Energien seien aber so groß, dass auch aus Würtz' Sicht Windenergie an Land „ein zentraler Träger der Energiewende bleibt. Hier muss es dringend vorangehen.“

Weiterlesen: Was die Pläne der Ampelregierung für Schleswig-Holstein bedeuten

Die von der Bundespolitik nun anvisierten 70 GW für Offshore-Wind bis 2045 seien sehr zu begrüßen, entsprächen aber letztlich nur dem Beitrag, den klimapolitischen Studien dem Offshore-Segment schon länger beigemessen hätten, um die deutschen Klimaziele zu erreichen. „Mit Blick auf die Größe der deutschen AWZ und die Ausbaupläne der europäischen Anrainerstaaten werden wir sehr gut planen und bauen müssen, um die Menge an benötigten Anlagen unterzubringen.“

Das sagt die Landesregierung

In ihren jährlichen Statusberichten zu Energiewende und Klimaschutz verweist die Landesregierung traditionell auf die Bundeszuständigkeit und stellt nur minimal eigene Überlegungen zur Rolle des Offshore-Ausbaus für die Energieversorgung im Land an.

Der Kieler Energie-Staatssekretär Tobias Goldschmidt verweist jedoch darauf, dass er sich in den Koalitionsverhandlungen für die Ampel in Berlin „erfolgreich für die ambitionierte Erhöhung des Offshore-Ziels eingesetzt“ habe. Bei der Realisierung der anstehenden Offshore-Projekte befinde sich die Landesregierung im engen Austausch mit dem Bund, - auch auf Leitungsebene.“ Goldschmidt bekräftigt: „Der Ausbau von Windenergie an Land und auf See gehört zusammen und wird von uns deshalb auch zusammen gedacht. Wir fordern seit Jahren den Netzausbau Onshore und Offshore zusammen zu denken, zu planen und an dieser Stelle kein Konkurrenzdenken zu manifestieren.“

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