Lübecker Völkerkundesammlung

Hansestadt plant freiwillige Rückgabe von Objekten nach Afrika

Hansestadt plant freiwillige Rückgabe von Objekten nach Afrika

Lübeck plant Rückgabe von Objekten nach Afrika

SHZ
Lübeck
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Die umfangreiche Sammlung der Völkerkundesammlung in Lübeck wurde nach Raubkunst durchleuchtet. Einige Stücke wurden als solche identifiziert. Foto: Lübecker Museen

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Erstmalig in der deutschen Museumslandschaft sollen Objekte aus kolonialen Kontexten freiwillig und unaufgefordert zurückgegeben werden.

Im Gegensatz zu vielen anderen ethnologischen Museen liegt der Lübecker Völkerkundesammlung bis dato keine einzige Rückgabeforderung vor – und dennoch plant die Hansestadt jetzt, freiwillig „Beutekunst“ nach Afrika zurückzugeben. Erstmalig in der deutschen Museumslandschaft sollen damit Gegenstände aus kolonialen Kontexten freiwillig und unaufgefordert wieder in die Heimatländer überführt werden.

In zwei Beständen der Völkerkundesammlung wurden vor kurzem Gegenstände als potenzielles Raubgut identifiziert, darunter Exponate aus Namibia und aus der Lübecker Pangwe-Expedition nach Zentralafrika (1907- 1909). Es handelt sich dabei um Eisenschmuck und Gebrauchsgegenstände, aber auch eine Maske und eine Ahnenfigur.


Die Auswahl der Objekte für das geplante Rückgabeangebot erfolgte im Rahmen eines vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste finanzierten Forschungsprojektes, an dem neben dem Leiter der Völkerkundesammlung, Dr. Lars Frühsorge, der Historiker Michael Schütte und Drossilia Dikegue Igouwe aus Gabun (derzeit Stipendiatin am Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck) beteiligt sind.

Weiterlesen: Wert von mehreren Millionen Euro: Afrikasammlung für Völkerkundesammlung

„Wir haben die Rückgabe dieser Stücke lange diskutiert, da sie zu den kulturhistorisch wertvollsten unserer Sammlung zählen und es keine juristische Verpflichtung für eine Rückgabe dieser Geschenke gibt“, sagte Frühsorge, „aber wir müssen den unermesslichen Wert berücksichtigen, den diese Stücke für die Menschen in Afrika haben, als Teil ihres kulturellen Erbes, das sie bisher nur in Museen in Europa sehen konnten.“ Zwar gebe es in Deutschland Vorurteile hinsichtlich der Zustände in afrikanischen Museen was Sicherheit, Korruption und die konservatorischen Bedingungen angeht. „Eine Rückgabe als Zeichen der Anerkennung historischen Unrechts dürfe aber nicht unter Vorbehalten sein“, so Frühsorge.

Erste Reaktionen

Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau unterstützt die Rückgabe-Initiative. „Lübeck hatte schon immer ein starkes Geschichtsbewusstsein. Das schließt für mich auch eine kritische Auseinandersetzung mit den dunklen Kapiteln unserer Stadtgeschichte ein, wie den Nationalsozialismus oder nun auch dem Kolonialismus. Wir bedauern das Unrecht, das damals geschehen ist“, so Lindenau.

Auch Lübecks Kultursenatorin Monika Frank betont: „Es ist unsere erklärte Haltung, dass die Lübecker Museen zu Unrecht erworbene Exponate zurückzugeben, ungeachtet ihres jeweiligen Wertes. Mit dieser freiwilligen Rückgabe möchten wir für die deutschen Museen und die gesamte Gesellschaft ein starkes Zeichen setzen. Wir wollen hier Vorbild sein und haben frühzeitig mit der Provenienzforschung begonnen.“

Recherchen zur Herkunft fortgesetzt

Die Recherchen zur Herkunft (Provenienz) von Kunstwerken und Kulturgütern hatten die Lübecker Museen bereits für Objekte aus der Zeit des Nationalsozialismus` betrieben und erste Rückgaben initiiert. „Das aktuelle Projekt der Völkerkundesammlung über Objekte aus kolonialen Kontexten ist also nur der nächste logische Schritt“, sagte Professor Dr. Hans Wißkirchen, Leitender Direktor der Lübecker Museen. Dass es bislang keine Rückforderungen von Exponaten der Völkerkundesammlung gegeben hat, mag darin begründet sein, „dass es sich um eine bürgerliche Sammlung handelt, die in den letzten 300 Jahren überwiegend von im Ausland tätigen Lübecker Kaufleuten und Reisenden zusammengetragen wurde und nicht durch die Raubzüge kolonialer Armeen“, erläuterte Wißkirchen.

2022 starten neue Ausstellungen

Sollte das Lübecker Rückgabe-Angebot in Namibia und Äquatorialguinea auf Interesse stoßen, so würde dies nicht das Ende, sondern erst der Anfang einer produktiven Zusammenarbeit mit Afrika sein, sagten die Beteiligten. So startet bereits im Januar 2022 eine von insgesamt drei Ausstellungen in den Lübecker Museen, die sich der Natur und den Religionen des Kontinents sowie den Beziehungen zwischen Lübeck und Afrika von der Kolonialzeit bis heute widmen.

Gremien müssen über Rückgabe abstimmen

Mit Zustimmung der Bürgerschaft im Januar könnten Verhandlungen über die Rückführung von insgesamt 26 Objekten in die Länder Namibia und Äquatorialguinea erfolgen. Der Kulturausschuss der Hansestadt wird bereits am Montag, 13. Dezember, über das Vorhaben beraten; die Entscheidung der Bürgerschaft soll dann in der Sitzung am Donnerstag, 27. Januar 2022 fallen.

Die Beschlussvorlage wird am 13. Dezember im Ausschuss für Kultur und Denkmalpflege beraten. Sie ist online abrufbar unter www.luebeck.de/politik.

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