Krieg in der Ukraine

Geflüchtete in Arnis: Eine ganze Stadt im Hilfe-Modus

Geflüchtete in Arnis: Eine ganze Stadt im Hilfe-Modus

Geflüchtete in Arnis: Eine ganze Stadt im Hilfe-Modus

SHZ
Arnis
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Gut angekommen: Zwei ukrainische Familien beim gemeinsamen Abendessen im Ratssaal in Arnis. Foto: Jaich Foto: 90037

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Zwölf Menschen sind auf der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine in Arnis gelandet. Was die Bürger hier seitdem auf die Beine gestellt haben, ist beachtlich.

In Arnis dreht sich in diesen Tagen fast alles um ein Thema: Zwei Familien, genauer zwei Mütter mit insgesamt zehn Kindern, sind auf der Flucht vor dem Krieg aus ihrer Heimat in der Nähe von Mariupol in der Ukraine vor gut einer Woche in der kleinen Schleistadt gelandet. Seitdem sind hier so gut wie alle Bürger auf den Beinen. So eine unglaubliche Welle der Hilfsbereitschaft habe es hier vorher noch nicht gegeben, sind Elke Horn, Anja Jaich und Christina van Baalen-Krabow sich einig. Stellvertretend für alle Arnisser berichten sie von den vergangenen Tagen.

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Am 15. März machte Stephan Hüttermann sich in Eigeninitiative auf den Weg, um Hilfsgüter an die polnisch-ukrainische Grenze zu bringen und im Gegenzug Menschen abzuholen. Die beiden Familien wurden ihm zugeteilt, und am 18. März kamen sie in Arnis an. Und dann ging alles ganz schnell: Über zwei WhatsApp-Gruppen, eine Arnis-interne und eine extra gegründete Ukraine-Hilfe-Gruppe liefen allerhand Handys heiß. Die Gäste wurden privat untergebracht, Kleidung, Corona-Tests, Spielzeug, Übersetzungsprogramme, Möbel, Geschirr, Medikamente und gefüllte Kühlschränke in wenigen Stunden zusammengetragen.

Alle Arnisser gemeinsam

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„All das hier ist eine Gemeinschaftsaktion“, sagt Anja Jaich. Alle wollten helfen, jeder hat es auf seine Weise getan. Und auch, wenn sich in Arnis nicht immer alle einig seien, bei dieser Aktion stehen gerade alle zusammen. Es gab eine Menge zu tun, aber nun ist die Unterbringung der zwölf Personen abschließend geklärt. Viele Wege und Telefonate liegen hinter den beiden Familien und ihren rund 300 Helfern – Behörden, Krankenkassen, Banken, Versicherungen, Ärzte wurden kontaktiert.


Gleich beim ersten gemeinsamen Abendessen wurde allen Anwesenden klar: Diese Menschen, diese beiden Frauen und die Kinder im Alter zwischen sechs und 17 Jahren, sind schwer traumatisiert. „Uns ist bewusst, dass wir nicht in der Lage sein werden, ihre Schmerzen zu lindern, aber wir wollen versuchen, ihnen hier in Arnis Halt, Sicherheit und Schutz zu geben und als Ansprechpartner für sie da zu sein“, sagt Anja Jaich.

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Nach gut einer Woche hat sie das Gefühl, dass sie Kinder langsam auftauen. „Spätestens seit sie die Fahrräder bekommen haben“, ergänzt Elke Horn. Die Stadt Kappeln habe sie aus ihrer Werkstatt in der Hindenburgstraße spendiert, ebenso wie die gut erhaltenen Schulranzen. Rolf Greulich, pensionierter Polizeibeamter aus Grödersby, kümmert sich inzwischen um die Verkehrserziehung der jungen Arnisser Neubürger.


Seit Dienstag sind bereits alle schulpflichtigen Kinder in der Gorch-Fock- oder der Gemeinschaftsschule an der Schlei untergebracht. Ein Eintrag in der WhatsApp-Gruppe, eine Stunde später war auch der Fahrdienst für die Woche geregelt. Ebenso schnell ging es auch, als es darum ging, für warme Mahlzeiten zu sorgen. „Wir haben Kartoffelsuppe, ich mache gern einen Nudelauflauf, ich bringe Gulasch, ...“ hieß es in kürzester Zeit. Eine Woche lang konnten die beiden Familien jeden Abend im Ratssaal zum Essen zusammenkommen.

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„Von der Bereitschaft der Arnisser her, könnten wir das auch noch die nächsten vier Wochen so handhaben, aber das wollen wir nicht“, so Anja Jaich. Es gehe auch um Selbstbestimmung, man wolle den Müttern nichts aus der Hand nehmen, nicht übergriffig werden. Aber gleichzeitig könne und solle jeder, der möchte, gern Kontakt aufnehmen, das sei durchaus gewünscht.

Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit

Alle drei freuen sich nicht nur über die Hilfsbereitschaft all ihrer Mitbürger, auch über die Erfahrungen, die sie beim Einkaufen und anderen Erledigungen für die Ukrainer gemacht haben. So nahm sich, als ein weiteres Beispiel, auch Christian Trocha, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Kappeln, gleich am Sonntag die Zeit, die Ankömmlinge zu untersuchen und versorgen.

Große Verantwortung, emotionale Herausforderung

„So viel Großzügigkeit“, sagt Elke Horn. Christina van Baalen-Krabow lobt die Behandlung in den Ämtern in Kappeln und Schleswig als freundlich und weitestgehend sehr zuvorkommend. Ihr ist es aber auch wichtig, davor zu warnen, ohne Plan an die Grenze zu fahren und in guter Absicht Menschen abzuholen. Die Verantwortung sei groß, und die vielen Aufgaben seien nicht einfach zu bewältigen – rein technisch, vor allem aber auch emotional.

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In Arnis sei die Aufnahme der beiden Familien schnell, pragmatisch und unbürokratisch geglückt, sagt Elke Horn. „Weil alle mitgemacht haben und sie hier in ein gutes soziales Gefüge gekommen sind. Und so schlimm die ganze Situation ist, der Zusammenhalt, den die Stadt gerade zeigt ist unglaublich toll. Sie sind hier gut aufgehoben.“

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