Deutsche Minderheit

Kampf und Kämpfe: Deutscher Presseverein seit 75 Jahren

Kampf und Kämpfe: Deutscher Presseverein seit 75 Jahren

Kampf und Kämpfe: Deutscher Presseverein seit 75 Jahren

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Nordschleswig/Sønderjylland
Zuletzt aktualisiert um:
Der Nordschleswiger ist seit 1946 die Zeitung beziehungsweise das Online-Medium der deutschen Minderheit in Nordschleswig. Foto: Der Nordschleswiger

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Seit 75 Jahren sorgt sich der Deutsche Presseverein um die Belange des „Nordschleswigers“. Der frühere Chefredakteur Siegfried Matlok beschreibt die Entwicklung des Pressevereins von den schwierigen Anfangsjahren bis zur heutigen Digitalisierung.

Am 21. November 1948 tauften fünf Herren im Apenrader Theater-Hotel nach einer stiftenden Generalversammlung mit ihrer Unterschrift einen neuen Verein auf den Namen „Deutscher Presseverein“; nach eigenen Worten wurde damit „ein geistiges Kind einer zerrütteten Zeit in die Wiege gelegt“. 

„Unter Bezugnahme auf den Beschluss des Hauptvorstandes des Bundes deutscher Nordschleswiger vom 29. Mai 1948“ – so die Ankündigung –  „tritt der Deutsche Presseverein in Verhandlungen über die Übernahme der Zeitung „Der Nordschleswiger“ ein“.

Damit begann ein neues Kapitel in der Geschichte der deutschen Minderheit und ihrer Zeitung, die – wie Zwillinge – nach Mai 1945 unter halb-revolutionären Umständen zur Welt gekommen waren.

Deutscher Presseverein

Der Deutsche Presseverein ist als Verband dem Bund Deutscher Nordschleswiger, der Dachorganisation der deutschen Minderheit in Nordschleswig/Dänemark, angeschlossen.

Die Vorsitzenden des Deutschen Pressevereins seit 75 Jahren:

Matthias Hansen

Albert Hansen

Matthias Hansen

Wilhelm Johannsen

Nis Peter Hansen

Knud Riis

Hans Christian Bock

Elin Marquardsen

Presseverein als Spiegelbild der Minderheit

Die 75-jährige Geschichte des Deutschen Pressevereins ist ein Spiegelbild der deutschen Minderheit – vor allem personell. Der am 22. November 1945 im Lesezimmer der alten deutschen Bücherei, Schulweg 2 in Apenrade, gegründete Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN) wurde entscheidend von zwei Männern geprägt, die die heute kaum vorstellbare Last des demokratischen Wiederaufbaus nach den verhängnisvollen nationalsozialistischen Fehlern von 1933 bis 1945 auf ihren Schultern trugen:

Fabrikant Matthias Hansen, Hadersleben, und Redakteur Ernst Siegfried Hansen, weder verwandt noch verschwägert, doch als Personalunion im Geiste eine Symbiose, ein Glücksfall für die ums Überleben kämpfende und in Ruinen liegende deutsche Volksgruppe.

Für beide waren BDN und Zeitung zwei Seiten derselben Medaille. Matthias Hansen wurde erster provisorischer Vorsitzender des BDN (bis 1947), danach erster Vorsitzender des Deutschen Pressevereins. Ernst Siegfried Hansen war der erste Leiter des deutschen Sekretariats in Apenrade bis 1947, außerdem übernahm er noch die Aufgabe als Chefredakteur bei der am 2. Februar 1946 erstmalig erschienenen Wochenzeitung „Der Nordschleswiger“.

21. November 1948: Der Deutsche Presseverein ist gegründet. Foto: Der Nordschleswiger

Monatelang ohne Stimme

Die nationalsozialistisch ausgerichtete „Nordschleswigsche Zeitung“  war – kurz nach dem Bombenanschlag gegen den Knivsberg – am 18. August 1945 einem Brandanschlag unbekannter Widerstandskämpfer zum Opfer gefallen, nachdem sie zunächst sogar noch nach dem 5. Mai weiter erscheinen konnte – teilweise aber unter Zensur eines aus Kopenhagen in die Redaktion entsandten Mitarbeiters des dänischen Außenministeriums.

Danach war die deutsche Minderheit monatelang ohne Stimme. Am 18. Dezember tickerte eine Meldung von der Nachrichtenagentur „Ritzaus Bureau“ in die dänischen Redaktionen. Unter der Überschrift „Ny tysk avis“ teilte der Bund Deutscher Nordschleswiger mit, er plane eine Wochenzeitung und wolle gleichzeitig die Möglichkeiten für eine Tageszeitung untersuchen.

Matthias Hansen
Matthias Hansen leitete in den Anfangsjahren die Geschäfte des „Nordschleswigers“. Foto: Archiv Der Nordschleswiger

Eine neue Zeitung – koste es, was es wolle

Als verantwortlicher Redakteur für die Wochenzeitung sei Ernst Siegfried Hansen vorgesehen. Das Blatt stehe auf der Grundlage der Loyalitätserklärung des Bundes, die am 1. Dezember veröffentlicht worden war. Die erste Ausgabe sollte am Sonnabend, 2. Februar 1946, erscheinen, so das Telegramm.

Die Gründungserklärung des BdN vom 22. November 1945 – von „Ritzaus Bureau“ erst am 30. November 1945, 21 Uhr, veröffentlicht – hatte lediglich die Erwartung enthalten, dass „Versammlungsfreiheit zur Ausübung unseres politischen Lebens und Pressefreiheit“ gewährleistet werden. 

Bereits zehn Tage vor der BDN-Gründung – also am 12. November – waren Fabrikant Matthias Hansen und Ernst Siegfried Hansen in einem kleinen Kreise im Hause von Matthias Hansen in Hadersleben – hauptsächlich mit Vertretern aus Hadersleben – zusammengetreten, um in einer ersten Besprechung die Grundlagen zur Möglichkeit einer Zeitungsgründung zu erörtern. 

„Eine neue Zeitung koste es, was es wolle“, so Matthias Hansen. Die Richtschnur seines Handelns: „Eine Volksgruppe ohne Zeitung ist wie ein Mann ohne Sprache.“

Ernst Siegfried Hansen war der erste Chefredakteur des „Nordschleswigers“. Foto: Archiv Der Nordschleswiger

Loyalitätserklärung und Redaktionsstatut

Auf der Gründungsversammlung des BDN wurde am 22. November parallel zur Loyalitätserklärung auch ein Redaktionsstatut verabschiedet. Folgender Punkt war in den Richtlinien von besonderer politischer Bedeutung:

„Da der Redakteur voll verantwortlich ist, kann er weder von Einzelpersonen noch von Organisationen gezwungen werden, einzelne Artikel oder Beiträge zu veröffentlichen“.

Das sollte mit anderen Worten die Unabhängigkeit des Chefredakteurs sichern – anders als in der Zeit der „Nordschleswigschen Zeitung“, wo die Redakteure verhängnisvolle Befehlsempfänger der Partei NSDAP-N gewesen waren.  

Der neu gegründete Bund Deutscher Nordschleswiger hatte „klar die Absicht, dem Deutschtum in Nordschleswig wieder ein Organ zu geben“.  Der erste Plan für eine Wochenzeitung wurde vom Arbeitsausschuss des Bundes bereits am 29. November 1945 behandelt und gutgeheißen.  

Hansen und Hansen

Der BDN beauftragte in dieser Sitzung Fabrikant Matthias Hansen mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Herausgebers, während Ernst Siegfried Hansen, der seit dem 22. November als Leiter des Sekretariats angestellt war, nun auch mit der Leitung der Zeitung beauftragt wurde.

In einer Arbeitsnotiz („Vertrauliche Mitteilung“ / An die Teilnehmer der Besprechung am 22. November in Apenrade) waren die Richtlinien für die künftige Zeitung festgelegt worden, nachdem „die Vorbereitungen zur Herausgabe einer deutschen Wochenzeitung mit Beginn des neuen Jahres so weit gediehen sind, dass nur die Frage des Anfangskapitals offen ist“.

In dieser von Ernst Siegfried Hansen verfassten Notiz, hieß es: Vorgesehen ist ein 8-seitiges, mindestens 30x40 cm grosses Blatt mit durchschnittlich 7 Seiten und 1 Seite Anzeigen.“

 

Die neue Führung der deutschen Minderheit nahm Abstand zur „Nordschleswigschen Zeitung“. Foto: Sara Eskildsen

Abstand zur Vorgänger-Zeitung

Zur Frage, welchen Namen die Wochenzeitung tragen soll, enthielt die Arbeitsnotiz folgendes:

„Vorgeschlagen sind bisher: „Unsere Zeit“, „Der Nordschleswiger“ und „Grenzzeitung“. Wir bitten um Ihren Vorschlag unter der Anschrift: Skolevej 2, Apenrade.“

Eine insbesondere für das dänische Umfeld wichtige Frage musste rasch geklärt werden: Sollte die durch die Brandbomben zerstörte „Nordschleswigsche Zeitung“ etwa unter diesem Namen wieder erscheinen? In den Richtlinien vom 22. November tauchte der Zeitungstitel „Nordschleswigsche Zeitung“ nicht mehr auf, und die national-dänische Zeitung „Hejmdal“ berichtete am 1. Dezember, die neue Minderheiten-Führung habe entschieden, auf die erneute Herausgabe der  „Nordschleswigschen Zeitung“ zu verzichten.

Man habe aufgegeben, daran zu glauben, dass angesichts des bevorstehenden Prozesses gegen die Verantwortlichen von „NZ“ überhaupt noch etwas vom bisherigen Zeitungsbetrieb zu retten sei, und außerdem sei der Name „NZ“  durch die in dänischen Kreisen verhassten Kommentare während der Kriegsjahre unter der Überschrift „Unsere Stimme“ so belastet, dass man – so die dänische Zeitung „Hejmdal“ – lieber „frisch“ von vorn anfangen wolle.

Startmittel für eine Wochenzeitung

Es ging vor allem um die fehlenden Startmittel – und zwar aus eigener Kraft. Glücklicherweise fand sich ein kleiner Kreis von insgesamt 19 Personen – darunter namentlich zwei Frauen – die dem Bund Deutscher Nordschleswiger als Herausgeber privat ein zinsfreies Darlehen zur Verfügung stellten und damit die Grundlage für die Existenz der Wochenzeitung schufen.

Das zunächst angedachte Startkapital von 15.000 Kronen wurde durch freiwillige Spenden jedoch nie erreicht. Vor diesem Hintergrund war klar, dass es sich nur um eine kleine, bescheidene Wochenzeitung handeln könne.

Mehr als 77 Jahre lang hat „Der Nordschleswiger" Wochenzeitung, Tageszeitung und aktuell eine 14-tägliche Zeitung herausgegeben. Foto: Anke Haagensen

Wir müssen ganz neue Wege gehen“

Am Sonnabend, den 2. Februar 1946, erblickte „Der Nordschleswiger“ im kleinen Berliner Format das Licht der Zeitungswelt. Im ersten Leitartikel unter dem Titel „Der Anfang“ hieß es unter anderem:

„Nach einer langen, schweren Zeit zum ersten Mal wieder eine deutsche Zeitung, und es ist, das wollen wir gleich hinzufügen, das erste freie, gedruckte deutsche Blatt überhaupt. Diese Feststellung müssen wir an den Anfang stellen, weil es keine Selbstverständlichkeit ist, dass wir als Deutsche sprechen können, während viele Millionen deutschgesinnter Menschen in anderen Ländern ihre Heimat verlassen müssen.  Wir verdanken es allein der freiheitlichen Tradition des uns so nahe verwandten Volkes, in dessen Mitte wir leben. Das Ziel dieser kleinen Wochenzeitung, die als Vorbote eines grösseren Organs gedacht ist, kann es niemals sein, die starken Spannungen der Zeit zu verstärken, nein, was auch in ihren Zeilen gesagt wird, soll alles dem Frieden in diesem Grenzland dienen.“

 

Die erste Ausgabe des „Nordschleswigers“ am Sonnabend, 2. Februar, 1946. Foto: Der Nordschleswiger

Deutscher Presseverein gegründet

Im Mai 1947 beendete der Bund Deutscher Nordschleswiger sein Provisorium und konstituierte sich erstmalig seit 1945. Als der Deutsche Presseverein 1948 aus der Taufe gehoben wurde, da war das Fundament zwar gelegt, aber das Haus war längst noch nicht fertig, ja, es war nicht einmal bestellt. 

In einer kurzen Meldung am 31. Dezember 1948 unter der Überschrift „Presseverein gegründet“  hieß im „Nordschleswiger“:

„Der Deutsche Presseverein wird die Zeitung als Eigentümer übernehmen, während der Bund deutscher Nordschleswiger, wie bisher, der Herausgeber bleibt.“ 

Hinter diesen neutralen Zeilen verbarg sich ein hartes Ringen über die Bedingungen für die geschäftliche Übernahme, und auch nach dieser scheinbaren Einigung waren die Differenzen zwischen BDN und Presseverein keineswegs beigelegt. Erstens ging es um die finanziellen und juristischen Bedingungen für die Übernahme, zweitens aber auch um den politischen Spielraum für die Zeitung, mit anderen Worten um einen unabhängigen Chefredakteur.

Bis heute: Ungewöhnliche Konstruktion

Erst am 1. Juli 1949 wurde das geschäftliche BDN-Provisorium Zeitung offiziell abgelöst, als das kleine Unternehmen mit Wirkung von diesem Tage an in das Eigentum des Deutschen Pressevereins überging. Doch es blieb in allen 75 Jahren eine in der Presselandschaft ungewöhnliche Konstruktion mit einer Verlagsgesellschaft, die einen anderen Herausgeber hat als sich selbst.

1952 stellte der Presseverein dazu fest:

„Ändert der BdN die grundsätzliche politische Haltung der Tageszeitung, so ist der Bund verpflichtet, für die dem Presseverein aus dieser Massnahme erwachsenden Verpflichtungen dem Chefredakteur gegenüber den Presseverein schadlos zu halten“. 

 

Der Deutsche Presseverein – hier unter dem Vorsitz von Hans Chr. Bock – bleibt eine ungewöhnliche Konstruktion in der dänischen Medienlandschaft. Foto: Der Nordschleswiger

Es bleibt bei einem Verein

Nachdem der Vorstand des Pressevereins mehrfach die vom BDN vorgeschlagenen Einzelheiten in den Satzungen abgelehnt hatte, kam erst nach zähen Verhandlungen eine grundsätzliche Einigung zustande. Auch die Frage einer Aktiengesellschaft beziehungsweise „selvejende institution“ wurde geklärt: Es bleibt bei einem Verein.

Als Matthias Hansen am 30. April 1949 als erster Vorsitzender des Pressevereins gewählt wurde, war der künftige Kurs so abgesteckt, dass die Zeitung „unveräußerlich ist“. Die Übertragung auf andere Eigentümer sei jedoch zum Beispiel möglich, wenn bei der Übertragung an eine Aktiengesellschaft dem Verein die Aktienmehrheit angeboten wird.

„Dicke Luft“ zwischen BDN und Zeitung

Beschlossen wurde auch, eine Trennung von der bisherigen Bürogemeinschaft mit dem Deutschen Sekretariat vorzunehmen, sobald die Raumfrage gelöst sei, denn oft genug herrschte „dicke Luft“ zwischen BDN und Zeitung. 

Schon im Juli 1949 gab es großen Ärger, weil dem Chefredakteur vom BDN-Hauptvorstand durch einen protokollarischen Beschluss auferlegt worden war, vom neu gegründeten Faarhusverein (dem ehemalige dänische und deutsche Faarhus-Gefangene angehörten) nicht „in aller Form öffentlich abzurücken“, obwohl die Ablehnung des revisionistisch auftretenden Faarhusvereins durch den Chefredakteur die volle Billigung im Vorstand des Pressevereins gefunden hatte. 

Kurz darauf wurde auf der Generalversammlung die Kündigung von Chefredakteur Ernst Siegfried Hansen bekannt. Vorsitzender Matthias Hansen, dem die Zusammenarbeit mit „Ensi“ nach eigenen Worten „immer eine Freude gewesen sei“, befasste sich mit der Kritik an Ernst Siegfried Hansen, die sich in letzter Zeit zugespitzt habe.

Chefredakteur Ernst Siegfried Hansen – hier mit seinem Nachfolger Jes Schmidt – wurde der Rücken gestärkt. Foto: Der Nordschleswiger

Versammlung stellt sich hinter Chefredakteur

Die Angriffe auf den verschiedenen Versammlungen seien über das Maß dessen hinausgegangen, was erlaubt sei.  Aussprüche wie „Sie sind von der dänischen Presse geholt worden“, „Da ist etwas faul“ und „Sie sind der Totengräber des Deutschtums in Nordschleswig“ seien nicht besonders geeignet, einen Redakteur zu halten, meinte der Vorsitzende.

Der Haderslebener Bankdirektor Christian Danielsen erklärte, bei allen, die sich seit dem Zusammenbruch 1945 für den Wiederaufbau interessiert hätten, werde diese Mitteilung Bestürzung hervorrufen. Ernst Siegfried Hansen sei für die deutsche Arbeit die wertvollste Kraft gewesen. Er habe in der Zeitung die Voraussetzung und die Grundlage für den Wiederaufbau geschaffen. Durch den Ton der Wochenzeitung, den er als ruhig und sachlich bezeichnen könne, sei es deutschen Persönlichkeiten möglich gewesen, sich für die Vertretung des Deutschtums in den öffentlichen Versammlungen zur Verfügung zu stellen.

Kluge Haltung der Zeitung

Männer des Wirtschaftslebens, Handwerker und Angestellte hätten es nach 1945 schwer gehabt. Dass es ihnen besser gelungen sei, sich zu behaupten, sei nicht am wenigstens auf die kluge Haltung der Zeitung und der Leitung von Ernst Siegfried Hansen zurückzuführen, so Danielsen.

Das Vorstandsmitglied From-Christiansen drohte, wenn durch den Rücktritt eine andere Richtung komme, dann werde er sofort aus dem Vorstand austreten. Hofbesitzer Albert Hansen, Baistruphof, gab zu, dass die Kritik so grob werden könne, dass es einem zu Herzen gehe. Dass aber Kritik kommen werde, habe der Redakteur von Anfang gewusst. Das könne nur vermieden werden durch eine Zeitung von 100 bis 200 Seiten oder noch besser, wenn jeder Leser seine eigene Seite erhalte.

Für den Chefredakteur wurde auf der Generalversammlung ein Vertrauensvotum vorgeschlagen, und alle erhoben sich von ihren Plätzen. 

Ernst Siegfried Hansen blieb auf seinem Posten bis zu seinem Wechsel 1953 nach Kopenhagen, den er nicht mit politischen Gegensätzen begründete, sondern mit „hausinternen Streitigkeiten“ mit dem Verlagsleiter.  

Hans Schmidt-Oxbüll suchte mehr als einmal die Konfrontation mit dem Chefredakteur des „Nordschleswigers“. Foto: Privat

Mehr als einmal dunkle Wolken

Dunkle Wolken zogen sich aber auch über den Vorsitzenden Matthias Hansen zusammen, der scharf gegen öffentliche Äußerungen des damaligen Hauptvorsitzenden Hans Schmidt-Oxbüll  protestierte, der den Wert der Haderslebener Erklärung von 1943, die maßgeblich von Matthias Hansen geprägt worden war, in einer Rede in Zweifel gezogen hatte.

Damit hatte Schmidt-Oxbüll sozusagen den Nerv der neuen demokratischen Minderheit getroffen und sogar die geistige Grundlage der Zeitung infrage gestellt, die für 2xHansen seit dem 2. Februar 1946 unantastbar war.

Schmidt-Oxbüll musste im Presseverein seine politische Niederlage erkennen und die vorgeschlagene Wiederwahl von Matthias Hansen im Vorstand des Pressevereins einstimmig akzeptieren. Und – noch wichtiger nach innen – die beiden Vorsitzenden reichten sich nun sogar die Hand. Erst danach – am 5. April 1957 – konnte der Vorstand des Pressevereins mit dem BDN letzte strittige Fragen über die Selbstständigkeit des Pressevereins einstimmig klären.

Peter Iver Johannsen hat von 1973 bis Ende 2008 die Minderheit als Generalsekretär des Bundes Deutscher Nordschleswiger geprägt (Archivfoto). Foto: Karin Riggelsen

Finanzen als ewiges Damoklesschwert

Wenn man einen wichtigen Unterschied in der Arbeit des Pressevereins zwischen den täglich schwierigen Anfangszeiten und den späteren Verhältnissen ziehen soll, dann ist es die Frage der Finanzen, die stets als Damoklesschwert die Existenz der Zeitung bedrohte.

„Der Nordschleswiger“ begann aus eigener Kraft – ohne irgendwelche Zuschüsse aus Deutschland, denn Deutschland gab es 1946 noch nicht. Die Bundesrepublik wurde 1949 gegründet, und erst danach konnte überhaupt an mögliche Hilfen vom Süden gedacht werden.

Dabei war der Presseverein auf sich selbst gestellt. Natürlich bekam er die Unterstützung vom BDN, doch Verhandlungen mit der Politik in Kiel und Bonn führte der Vorsitzende stets selbst. Erst viele Jahre später – nachdem Peter Iver Johannsen 1972 neuer BDN-Generalsekretär geworden war – kam der Presseverein unter die Fittiche des BDN, wurde er ein Teil des gesamten Volksgruppenbudgets, den der BDN mit Bonn und Kiel aushandelte, um anschließend die notwendigen Mittel an die Zeitung zu verteilen.   

Die erste Tageszeitung

Einige der wichtig(st)en Stationen bleiben in der Geschichte der Zeitung unvergessen: zunächst wurde die Wochenzeitung bei Buchdrucker W. L. Schütze, Naffet 4, Hadersleben hergestellt (1946 wahrlich eine sehr mutige Entscheidung des Firmenbesitzers) und anschließend folgte der Druck bei der Firma Clausen&Bosse in Leck.  

Ab 1. Dezember 1951 erschien „Der Nordschleswiger“ erstmalig als Tageszeitung, nachdem Matthias Hansen direkt mit der schleswig-holsteinischen Landesregierung erste Zuschüsse aus Kiel für die Zeitung ausgehandelt hatte.

Der Presseverein stellte danach mehrere Lokalredakteure ein – mit folgendem Versprechen: ein fleißiger Lokalredakteur müsste nach einer gewissen Anlaufzeit mit Provision auf ein Einkommen von 1.000 Kronen monatlich kommen.

Zusammenarbeit mit Flensburg

Kurz darauf erwarb der Deutsche Presseverein die Grundstücke Schiffbrücke 4 und 6, direkt an der damaligen E-3, mit dem Ziel, sich ein eigenes Pressehaus zu bauen, übrigens auch mit Platz für eine eigene Rotation. Mit dem Flensburger Tageblatt wurde bereits 1951 für sieben Jahre ein langer Vertrag über redaktionelle und technische Zusammenarbeit eingeleitet, sodass der Lokalstoff-Nordschleswig-Dänemark in der eigenen Setzerei in Apenrade hergestellt wurde und dann mit den Flensburger Mantel-Seiten die Tageszeitung ausmachte.

Die Weichenstellung von der Wochen-zur Tageszeitung entsprach den Gründungsträumen von 1945, hatte aber vor allem handfeste ökonomische Gründe. 

Argumente für die Tageszeitung

Der Deutsche Presseverein nannte drei Hauptgründe, warum eine Wochenzeitung nicht genügend Abonnenten bekomme.

  1. Eine Wochenzeitung sei pekuniär eine Extrabelastung, weil die Abonnenten ohnehin eine Tageszeitung halten müssten
  2. Die Wochenzeitung werde von mehreren Familien gleichzeitig gelesen, weil eine Woche zum Austausch zur Verfügung stehe
  3. Gewisse Kreise stünden der Wochenzeitung wegen ihrer Haltung und vielleicht auch wegen der personellen Besetzung kritisch gegenüber, aber der Kurs könne nicht geändert werden.
Das Pressehaus des „Nordschleswigers“ an der Hauptverkehrsader durch Apenrade. Foto: Der Nordschleswiger

Pressehaus an der Hauptverkehrsader

Es ging dennoch weiter: 1966 konnte „Der Nordschleswiger“ – es war sozusagen die Krönung in der Arbeit des langjährigen Pressevereins-Vorsitzenden Matthias Hansen – an der Apenrader Schiffbrücke sein modernes Pressehaus einweihen: ein Neubau mit Sitz für Redaktion und Verlag sowie mit eigener Setzerei im Nachbargebäude, nachdem ursprüngliche Pläne, ein gemeinsames Gebäude mit der deutschen Bücherei zu errichten, gescheitert waren – wohl nicht am Widerstand der Zeitung.

Doch die unterschiedliche Inflation in Dänemark und Deutschland brachte die Zeitung erneut in Gefahr. Am 1. Januar 1975 musste schweren Herzens die teure Montagausgabe aus Spargründen gestrichen werden, weil die Bundesregierung in Bonn keinen höheren Zuschuss als eine Million D-Mark jährlich für die Zeitung bereitstellen wollte.

Helmut Schmidt besucht die deutsche Minderheit. Der Bundeskanzler hilft auch den „Nordschleswiger“ finanziell, damit die Montagsausgabe wieder erscheinen kann. Foto: Der Nordschleswiger

Hilfestellung von Helmut Schmidt

Am Rande eines Besuchs von Bundeskanzler Helmut Schmidt gemeinsam mit Staatsminister Anker Jørgensen am 29. August 1975 bei der deutschen Volksgruppe in Sonderburg stimmte der Bundeskanzler – auch in Anwesenheit von Chefredakteur Jes Schmidt, der zu diesem Zeitpunkt als Folketingsabgeordneter mit der Fraktion der Centrum-Demokraterne eine parlamentarische Stütze für die sozialdemokratische Minderheits-Regierung in Kopenhagen bildete  – einer Wiederherausgabe der Montagausgabe zu.

Ab 1. Januar 1976 stand „Der Nordschleswiger“ seinen Lesern wieder an allen Wochentagen zur Verfügung, und Matthias Hansens Nachfolger als Pressevereins-Vorsitzender, Wilhelm Johannsen, bezeichnete auf der Generalversammlung nun die Lage der Zeitung „heute als gesicherter wie in Jahren zuvor“. Er hob als entscheidend hervor, dass es gelungen sei, die Zeitung aus ihrer Isolation herauszulösen und in den Gesamthaushalt der Volksgruppe einzubetten.

Abschied von der Blei-Zeit

Zeitung und Presseverein mussten sich immer neuen Herausforderungen stellen – historisch war 1983 der Abschied vom (umweltschädlichen) Blei: täglich benötigte „Der Nordschleswiger“ für eine Zeitungsseite 21,3 kg Blei (!). Nun wurde erstmalig mit Computern gearbeitet und schrittweise die elektronische Datenverarbeitung mit Fotosatz („Norsk Data“) eingeführt. Am 4. Januar 1983 erschien erstmalig eine mit Fotosatz hergestellte Seite im Nordschleswiger, und am 8. Februar war Schluss mit einer Epoche: das Ende der Bleizeit beim „Nordschleswiger“ mit der letzten Linotype-Setzmaschine.

Zwischen Juli 1993 und Mai 1994 wurde schrittweise ein neues elektronisches Satz- und Redaktionssystems („Apple Macintosh“) eingeführt. Nun war die Redaktion modern aufgestellt, und 2001 folgte die erste Online-Ausgabe des Nordschleswigers unter www.nordschleswiger.dk.

Hans Michael Jebsen und sein Unternehmen Stenbjerg Udlejning übernehmen das Pressehaus und schaffen stattdessen das deutsch-dänische Medienhaus. Die Skizze zeichnet er auf einer Serviette... Foto: Der Nordschleswiger

Vom Pressehaus zum deutsch-dänischen Medienhaus

Das Pressehaus von 1964 zeigte jedoch buchstäblich erste Risse, und der Vorstand des Pressevereins handelte: am 26. September 2012 verkaufte er das Pressehaus an die Apenrader Firma „Stenbjerg Ejendomme A/S“ und nahm damit ein Angebot von Hans Michael Jebsen an. Gleichzeitig stimmte der Vorstand dem vom Chefredakteur vorgelegten Plan zu, gemeinsam mit JydskeVestkysten ein deutsch-dänisches Medienhaus an gleicher Stelle bauen zu lassen.

Im neuen Haus der Medien ruhte man sich auch nach der Einweihung am 8. November 2014 nicht auf alten Lorbeeren aus: im Gegenteil wurden nach dem Wechsel in der Chefredaktion – von Siegfried Matlok auf Gwyn Nissen – Ideen entwickelt, die noch wenige Jahre zuvor von Vorstand und BDN auf einer gemeinsamen Klausurtagung im Kollunder Haus Quickborn abgelehnt worden waren.

Das neue deutsch-dänische Haus der Medien an der Apenrader Schiffbrücke. Foto: Karin Riggelsen

Digitalisierung nach 75 Jahren Papierzeitung

2018 wurde auf einem Hauptvorstandsseminar des BDN in Leck die Entscheidung getroffen, die Tageszeitung als Papierzeitung einzustellen. Am 2. Februar 2021 stellte sie dann – just nach 75 Jahren –  ihr Erscheinen ein, doch „Der Nordschleswiger“ lebt weiter: digital, zukunftsorientiert.

Presseverein und Zeitung bleiben aber auch im elektronischen Zeitalter weiterhin jenen Worten verpflichtet, die der frühere Vorsitzende im Presseverein H. C. Bock einst als Aufgabe, ja als Lebensgrundlage für den „Nordschleswiger“ so formulierte: Als Kitt, der die deutsche Volksgruppe zusammenhält!  

 

 

 

Die letzte Tageszeitung des „Nordschleswigers“ ist gedruckt worden. Foto: Der Nordschleswiger
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