Reisen

Angst über den Wolken: Corona fliegt mit

Angst über den Wolken: Corona fliegt mit

Angst über den Wolken: Corona fliegt mit

Margret Kiosz/shz.de
Dänemark
Zuletzt aktualisiert um:
Mit Maske und ungutem Gefühl im Flieger. Foto: Imago Images/ Adam Ihse

Laut Fluggesellschaften bedeutet das Reisen im Flieger kein erhöhtes Risiko. Virologen warnen dagegen vor den Gefahren.

Nachdem der Flugverkehr wegen Corona viele Wochen praktisch ruhte, nimmt das Reiseaufkommen langsam wieder zu. Mitte Juni wurden die Reisewarnungen Schritt für Schritt zurückgefahren. Jetzt starten in Hamburg wieder täglich 6000 bis 8000 Passagiere (vor Corona: 50 000). Sogar das Terminal  2 wurde am Mittwoch wieder eröffnet. Also alles wie früher? Wohl kaum. 

Die Sehnsucht nach den Stränden mit azurblauem Meer und Streifzüge durch mediterrane Städte wird bei vielen Bürgern immer noch ausgebremst durch die Sorge, sich auf dem Flug anzustecken. Mit genügend Disziplin können Passagiere zwar den gebotenen Abstand von 1,50 Meter beim Check-in beachten, ebenso bei der Security und auch im Wartebereich am Gate. 

Das Abstandhalten ist im Flugzeug fast unmöglich

Doch spätestens in einer vollbesetzten Economy-Kabine quetschen sich die Menschen wie eh und je. Sofern in den Dreier-Reihen der Mittelplatz nicht leer bleibt – und das ist aus ökonomischen Gründen meist nicht der Fall, und ein rechtlicher Anspruch besteht darauf nicht – sitzt man zwar mit Maske, aber Ellenbogen an Ellenbogen. 

Luftströmungen in einem Flugzeug verlaufen nur vertikal. 

Alexander Kekulé, Virologe

Trotzdem rät ausgerechnet der Virologen-Guru Alexander Kekulé nicht grundsätzlich vom Fliegen ab. Die Luft ströme von der Decke herab und werde am Boden wieder abgesaugt. Freigesetzte Tröpfchen aus der Atemluft fliegen also nicht ins Gesicht des Sitznachbarn.

Airbus beruhigt die Fluggäste

Airbus führt ein noch gewichtigeres Argument an: Die in den Klimaanlagen verbauten Filter. In den meisten Flugzeugen handele es sich um „High Efficiency Particulate Air Filter“, kurz HEPA-Filter. Diese werden auch in OP-Sälen oder in Atomkraftwerken zur Luftaufbereitung eingesetzt.

 

Die Wahrscheinlichkeit einer Infektionsübertragung via Luftstrom im Flugzeug ist entsprechend ebenso gering wie in einem Operationssaal einer deutschen Klinik. 

Website der Fluggesellschaft Condor

Virologe Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter des Hamburger Tropeninstituts, findet diesen Vergleich allerdings nicht passend. „Im OP liegen Sie normalerweise allein auf dem OP-Tisch und es sind ein paar Ärzte um Sie.“ Im Flugzeug sei das ganz anders, sagte er im Interview mit dem Deutschlandfunk.

Virologe Kekulé warnt

Auch Kekulé kennt Gefahren: Das Problem sei, dass die Klimaanlage oft vor und nach dem Flug ausgeschaltet bleibe. Das spart Kraftstoff, gefährdet aber die Gesundheit der Passagiere an Bord.

 

Solange die Klimaanlage läuft, steckt man sich über größere Entfernungen nicht an. Sobald sie aus ist, hat man relativ schnell einen Infektionsherd wie auf einem Kreuzfahrtschiff.

Alexander Kekulé, Virologe

Selbst wenn eine gründliche Filterung der Luft stattfindet: Reisen ohne Risiko gebe es nicht, warnt Schmidt-Chanasit. Je länger der Flug, desto größer sei auch die Ansteckungsgefahr. „Das heißt, ein kurzer Flug von einer Stunde ist deutlich zu unterscheiden von einem Flug nach Übersee oder auch schon auf die Kanarischen Inseln mit vier, fünf Stunden“, sagt Schmidt-Chanasit im Deutschlandfunk.

Gefahren sind trotz allem da

Auch Dieter Scholz, Flugzeugforscher der Hamburger Fachhochschule, warnt, die Gefahren zu unterschätzen. Falls sich eine Flugreise nicht vermeiden lässt, empfiehlt er, einen Sitzplatz in der letzten Reihe am Fenster zu buchen. Außerdem sollten Reisende während des Flugs nicht umhergehen und wenn möglich eine Maske mit Partikelfilter benutzen.

Maskenpflicht herrscht in der gesamten EU an den Airports „vom Betreten des Terminals am Abflughafen bis zum Verlassen des Terminals am Zielflughafen“. Außerdem sollten Reisende Ersatzmasken im Handgepäck haben, da sie den Mundschutz alle vier Stunden wechseln müssen. Um das Boarding zu erleichtern, haben einige Flughäfen auf Anordnung der Bundespolizei das Handgepäck streng limitiert.

Gewissenfrage vor dem Flug

Ein Vergnügen war der Flug und die vorausgehende Abfertigung schon vor Corona nur in den seltensten Fällen. Jetzt kommt zum Gefühl der Käfighaltung und der Beeinträchtigung durch die Maskenpflicht die Gewissensfrage hinzu: Wie hoch ist meine Risikobereitschaft und wie groß die Sehnsucht nach einem Sundowner an fernen Stränden? Schließlich kann Fliegen während der Pandemie zu einer zweiten Ansteckungswelle führen.

 

 

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