Deutsche Minderheit

Bootsunglück: Ganz Hoyer war in Trauer

Bootsunglück: Ganz Hoyer war in Trauer

Bootsunglück: Ganz Hoyer war in Trauer

Volker Heesch und Brigitta Lassen
Hoyer/Højer
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Das Foto im Bootshaus zum Gedenken an die fünf Opfer des Unglücks Foto: Volker Heesch

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Der 8. Juni 1952 ist nicht nur ein schwarzer Tag in der Geschichte des Rudervereins Hoyer, sondern für den ganzen Ort. An diesem Tag ertranken fünf junge Ruderer. Ihr Tod jährt sich in diesem Jahr zum 70. Mal. Der ertrunkenen Mitglieder wird anlässlich des 70. Jahrestags ihres Todes beim Pfingstgottesdienst am Sonntag, 5. Juni, gedacht.

Am 8. Juni ist es 70 Jahre her, dass die fünf Hoyeraner Ruderer Fritz Pörksen, Andreas Truelsen, Aage Jacobsen, Helmut Bossen und Heinrich Jensen ertranken. Der 8. Juni 1952 war nicht nur ein schwarzer Tag in der Geschichte des Rudervereins Hoyer, sondern für den ganzen Ort. 

Der ertrunkenen Mitglieder des Rudervereins wird anlässlich des 70. Jahrestags des Bootsunglücks beim deutschen Pfingstgottesdienst gedacht, der am Sonntag, 5. Juni, beim Bootshaus in Hoyer stattfindet. Beginn ist zum 10.30 Uhr.

Familien rückten zusammen

Das tragische Ereignis ließ deutsche und dänische Familien zusammenrücken. Die fünf jungen Hoyeraner, deren Leichen teilweise erst Wochen später gefunden wurden, waren Mitglieder der Regattamannschaft des Rudervereins und waren somit erfahrene Wassersportler.

Sie bereiteten sich auf eine Ruderregatta in Kiel vor und begaben sich am schicksalhaften Tag mit dem Ruderboot Nordschleswig über den Hoyer-Kanal hinaus ins Wattenmeer (seit ihrem Tod ist es den Mitgliedern des RV Hoyer untersagt, ins Wattenmeer zu rudern. Dies ist in die Satzungen des Vereins geschrieben worden).

Sie hatten erst wenige Tage vor dem tragischen Ereignis mit den übrigen Bürgerinnen und Bürgern des Ortes die Wiederaufnahme des Schiffsverkehrs zwischen Hoyer und Sylt am Pfingstsonnabend, 31. Mai, gefeiert.

Zünftig gekleidet: Ruderer in Hoyer (Archivfoto) Foto: privat

Ihre Familien sorgten sich zunächst nicht, als die Ruderer nicht wie erwartet nach Hause kamen. Die starken Tideströme zwischen Sylt, Röm und dem Festland waren nicht ungefährlich. Mitunter suchten Bootsbesatzungen bei schlechtem Wetter Zuflucht auf der Hallig Jordsand.

Erst am Montagmorgen wurde gegen 4.30 Uhr Alarm geschlagen. Der Vater des einen Ruderers, Johannes Pörksen, alarmierte die Polizei. Die gestartete Suchaktion wurde auch mit Flugzeugen unterstützt. Fußtrupps suchten vom Festland aus nach den Ruderern.

Johannes Pörksen stach mit dem Hoyeraner Fischer Willy Kühn in Richtung Jordsand in See, um festzustellen, ob der Sohn und seine Freunde dort Schutz gesucht hatten. Dies war nicht der Fall.

Wochenlange Suche

Wochenlang wurde ergebnislos nach den vermissten Ruderern gesucht. Die Landwirte Christian Johannsen und Hans Fedder Hindrichsen stellten dafür ihre Pferde zur Verfügung. Ein Ausschuss unter Leitung des Hoyeraner Polizisten Gregers Jørgensen, Teppichfabrikant Johannes Kjærby und Kaufmann Waldemar Ohlsen organisierten die weitere Suche. Auch die Gewerkschaft der Schmiede rief ihre Mitglieder dazu auf, sich an der Suche nach den Vermissten zu beteiligen. 

Ruderer schleppen ihr Boot zum Wasser. Im Hintergrund die Wiedaufabrik Foto: privat

Das Boot der Ruderer wurde kieloben treibend von einem Lister Rettungsboot im Lister Tief entdeckt. Es bewegte sich bei starken Strömungen in Richtung Jordsand. Bei stärkerem Wind und bei Springflut mit höherem Hochwasser und niedrigerem Niedrigwasser bilden sich in dem über 30 Meter tiefen Bereich zwischen Röm und Sylt oftmals tückische Strudel, die es unmöglich machen, das rettende Ufer zu erreichen.

 

Wasserhosen am Unglückstag

Der Kapitän eines deutschen Rettungsbootes hatte ausgesagt, dass am Nachmittag des Unglückstags mehrere Wasserhosen über der Meerenge gesichtet worden waren.  Daher könne man davon ausgehen, dass das Ruderboot der Hoyeraner von einer Wasserhose erfasst worden war.

Hoyeraner erklärten, dass am Unglückstag zwar der Wind stärker wehte, aber für die mit den Gewässern vertraute Mannschaft sollte dies keine Gefahr ausmachen.

Die sich seit der Besatzung und der Nachkriegszeit vielfach reserviert gegenüberstehenden deutschen und dänischen Hoyeraner kamen sich während der Suchaktion näher. Bürgermeister Jens Matthiasen sprach während der Sitzung des Stadtrats Gedenkworte. Auch eine Spendenaktion wurde durchgeführt.

Ruderer trugen die Särge

Pastor Andreas Schau stand der Trauerfeier der vier umgekommenen Ruderer vor, deren Familien der deutschen Minderheit angehörten. Der Fünfte wurde auf Seeland bestattet, von wo er kam. Gedenktafeln im Bootshaus erinnern an die fünf umgekommenen Ruderer.

Wolf Lützen schnitzte diese Gedenktafel aus Holz (Archivfoto). Foto: Volker Heesch

Nur wenig, quasi gar nicht, ist in Volkert Truelsens Familie über das Unglück 1952 gesprochen worden. Sein Onkel Andreas war einer der fünf Ruderer.

Bootsunglück war kein Thema

„Es war kein Thema in der Familie. Meine Eltern haben nie darüber gesprochen. Mein Vater Niels hat im Laufe weniger Jahre gleich zwei Brüder verloren“, erzählt der Hoyeraner Volkert Truelsen, Jahrgang 1950, der seinen Onkel verlor.

Über diese Tragödie hat man wegen der großen Trauer nicht sprechen wollen, denke ich.

Volkert Truelsen

 

Sein Onkel Heinrich kam aus dem Zweiten Weltkrieg nicht zurück. Er fiel in Russland. Nur sieben Jahre nach Kriegsende trauerten die Großeltern um den zweiten Sohn Andreas.

 

„Über diese Tragödie hat man wegen der großen Trauer nicht sprechen wollen, denke ich. Was ich davon weiß, habe ich bei meiner Oma gehört. Dort habe ich auch die Zeitungsartikel über das Unglück gelesen“, erzählt Volkert Truelsen, der beim Bootsunglück nur zwei Jahre alt war.

Am Tag der Beerdigung des Onkels ist seine Mutter mit ihm und einem Vetter nach Tondern gefahren, damit die beiden Kinder nichts mitbekamen, ist ihm erzählt worden. Erzählt wurde ihm auch, dass die Ruderkameraden der Umgekommenen die Särge von der Kirche durch den Ort bis zum Friedhof trugen.

Die Tragödie hat Volkert Truelsen nicht davor abgeschreckt, sich auch in ein Ruderboot zu setzen. Es wurde ihm auch nicht von seinen Eltern verboten, zum Rudern zu gehen.

Schwerer Anfang im Ruderboot

„Der Anfang war nicht besonders erbaulich. Ich wurde gleich zu Beginn von den anderen ins Wasser geworfen. Als ich nicht unterging, wurde ich als tauglich eingestuft. Auf meiner ersten Ruderpartie durfte ich der Steuermann sein. Es war das erste und das letzte Mal, dass ich im Boot saß. Ich hätte das Boot fast an die Anlegebrücke manövriert. Da wurde ich kassiert.“

Karin Thimsen und Signe Rahbek Teglskov Ohlsen tauften kürzlich den neuen Vierer des Rudervereins. Foto: Jane R. Ohlsen

 

Ehrenmitglied erinnert sich

Die Aussagen von Volkert Truelsen, dass das Bootsunglück nur selten thematisiert wurde, teilt das Ehrenmitglied Karin Thimsen. „Das Unglück wurde totgeschwiegen“, erklärt die 85-Jährige. Die gebürtige Setherin lebt seit 1960 in Hoyer und wurde schnell Mitglied des Rudervereins. Ihre drei Kinder hätten auch alle gerudert. „Als mein Sohn Gert, der heute 61 Jahre alt ist, mit dem Rudern anfing, wachte ich wie eine Glucke über ihn. Aus Angst um ihn begann ich auch mit dem Rudern. Auch zwei Enkelkindern habe ich es beigebracht“, berichtet sie.

Gedenktafel gehört ins Bootshaus

Bei den in Hoyer aufgewachsenen Mitgliedern des Vereins würde schon immer wieder das Unglück der fünf jungen Leute erwähnt. An sie erinnere ja auch die Gedenktafel im Bootshaus. „Dass jetzt einige Mitglieder meinen, sie könne dem Deutschen Museum in Sonderburg überlassen werden, ist nicht richtig. Sie gehört ins Vereinshaus“, unterstreicht Karin Thimsen, die jahrzehntelang im Vorstand des Rudervereins mitgearbeitet hat.

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