Deutsche Minderheit

Aus dem Dänisch-Labor in den Ruhestand

Aus dem Dänisch-Labor in den Ruhestand

Aus dem Dänisch-Labor in den Ruhestand

Tondern/Tønder
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Die Kinder eilten herbei, als sie Inga Fries auf dem Schulhof entdeckten. Foto: Jane Rahbek Ohlsen

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Nach 27 Jahren an der Ludwig-Andresen-Schule in Tondern hielt Lehrerin Inga Fries die Zeit reif für ein neues Kapitel in ihrem Leben. Die Verkehrssicherheitserziehung lief mehr als zwei Jahrzehnte in ihrer Regie.

Zeit, „Farvel"  zu sagen: Was im August 1995 für die Dänischlehrerin Inga Fries an der Ludwig-Andresen-Schule in Tondern anfing, endete 27 Jahre später.

Ihre letzte Unterrichtsstunde an der Bildungsstätte hat geschlagen, und nach einigen Wochen Urlaub wechselt die 59-Jährige Anfang Oktober in den Ruhestand.

„Strukturiert und zuverlässig“

 „Inga ist strukturiert, zuverlässig, sehr professionell und immer gut gelaunt und ausgeglichen. Und sie ist wie ich morgens immer früh da“, sagt Schulleiterin Bonni Rathje-Ottenberg, wenn sie der langjährigen Lehrerin spontan ein „Zeugnis“ ausstellen soll.

„Inga ist eine gute Lehrerin und eine Institution. Es wird auffallen, wenn sie weg ist“, so die Schulleiterin im Vorfeld des Abschieds.

Inga Fries habe immer als Verkehrsobfrau ihre Sache hervorragend gemacht, einhergehend mit guten Kontakten nach außen. „Es ist nicht ohne Grund, dass wir im vergangenen Jahr für Verkehrssicherheit den Preis der Kommune Tondern erzielten“, so die Schulleiterin.

Die letzten sechs Wochen

Ihre letzte Unterrichtsstunde gab Inga Fries im „Dansk-laboratoriet“, wo sie Dänisch als Fremdsprache unterrichtete.

„Das ist während der vergangenen sechs Wochen mein Klassenzimmer gewesen“, berichtet sie in der Schulbücherei, wo neuerdings das Schild „Dansk-laboratoriet“ an der Tür hängt.

Anstatt dem gewöhnlichen „Farvel, vi ses i morgen“, gab es die Abwandelung „Farvel, vi ses“ als sich die Lehrerin nach der letzten Unterrichtsstunde von ihrer Gruppe verabschiedete.

Ein Foto zum Abschied: die letzte Unterrichtstunde ist vorbei Foto: Jane Rahbek Ohlsen

Dänisch als Fremdsprache

Wegen des Zuwachses von Schulkindern aus Deutschland hat sie sich während ihrer letzten „Schulzeit“ mit einem neuen Projekt befasst.

Etwa 21 Schulkinder in drei Teams aus den Klassenstufen 0 bis 2, 3 bis 5 sowie 6 bis 8 erhielten dort jeweils sechs Wochenstunden Dänisch.

Fester Bestandteil war auch der Löwe Leo, der eine wichtige Rolle spielt. Das Plüschtier hat Inga Fries in einem Secondhandladen gekauft.

„Es ist in Ordnung, Fehler zu machen“

„Im Labor machen wir Versuche, und es in Ordnung, Fehler zu machen. Wir haben uns die 24 Stärken der Positiven Psychologie angeschaut und herausgefunden, dass wir unter anderem Ausdauer und Mut wie ein Löwe benötigen. Es lief toll, mit motivierten Kindern, und sie haben sehr viel gelernt“, freut sie sich.

„Hej Inga“, „Tschüss Inga“ und mal fest Drücken steht indes auf dem Schulhof an, als einige Mädchen und Jungen sie dort spontan während des Fototermins für den „Nordschleswiger“ entdecken.

Empfangskomitee im Gang

An ihrem letzten Morgen an der Schule standen die Mädchen und Jungen in den Schulgängen, mit Reflektor-Westen ausgestattet und sangen für sie. Zuvor hatten die Schülerlotsinnen und Schülerlotsen mit Ablenkungsmanövern den Zeitpunkt für ihr Betreten der Schule hinausgezögert.

Am Morgen herrschte hier noch Abschieds-Trubel. Foto: Jane Rahbek Ohlsen

An der Schwelle zu einem neuen Kapitel

„Es ist schön“, beschreibt Inga Fries, das Gefühl, nun an der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt zu stehen. Es sei von langer Hand geplant gewesen, dass sie in den Ruhestand wechselt. Sie wird in Kürze 60 Jahre. Sie gehöre zu den wenigen Lehrkräften, die nach dem dänischen Beamtenrecht angestellt sind.

Die zweifache Mutter verabschiedet sich nicht nur von ihrem bisherigen Arbeitsplatz, sondern sie und ihr Mann Hagen schlagen nach vielen Jahren in Seth (Sæd) neuerdings mit Nordalsen (Nordals) als Wohnort ein neues Kapitel auf.

„Früher war ich mit einem Landwirt verheiratet, jetzt bin ich mit einem Gärtner verheiratet“, sagt Inga Fries lachend in Gedanken daran, dass ihr Mann bei dem neuen Zuhause kräftig im Garten gewerkelt und unter anderem Hochbeete angelegt hat.

Von Seth nach Alsen

Der Hof in Seth wurde zum Stichtag 1. September verkauft. Inga Fries wohnte während der letzten zwei Wochen im Sommerhaus der Familie in Arrild, um nicht ganz von Nordalsen pendeln zu müssen.

Der jüngste Sohn Florian, 27 Jahre alt, wohnt zwischen Bramming und Varde und arbeitet als Energieingenieur. Sein zwei Jahre älterer Bruder Thorsten ist aus Norwegen zurückgekehrt. Der Handball-Torwart hat seinen norwegischen Club mit Fredericia HK ausgewechselt.

Nachfolge eingefädelt

Auch ihre Nachfolge als Vertrauensfrau hat Inga Fries von langer Hand geregelt. Mit Annika Møller sei es geglückt, eine Nachfolgerin zu finden.Die Verkehrssicherheit war mehr als zwei Jahrzehnte bei Inga Fries verankert. Diese Aufgabe übernimmt ihre Kollegin Grit Schütz.

Inga Fries während ihrer letzten Unterrichtsstunde Foto: Jane Rahbek Ohlsen

„Ich habe nahezu immer in der Mittelstufe Dänisch und Geschichte unterrichtet und war Klassenlehrerin“, so die 59-Jährige.

Vor ihrer Ära an der LAS hatte sie ein Jahr an der kommunalen Volksschulen in Ballum und neun Jahre in Döstrup (Døstrup) unterrichtet.

Eine ganz neue Erfahrung gab es für sie im vergangenen Schuljahr. „Da hatte ich nach 20 Jahren wieder Unterricht in der 0 Klasse“, sagt sie mit einem Lächeln.

Gewerkschaftliches Engagement

Gewerkschaftlich hat sie sich nicht nur als Vertrauensfrau an der LAS engagiert, sondern auch als Vertreterin aller deutschen Schulen in Nordschleswig.

Seit 2013 – nach dem Lockout – vertrat sie ihre Kolleginnen und Kollegen im Kreisvorstand der Gewerkschaft Frie Skolers Lærerforening. In dieser Position hat ihre Kollegin Mette Zempel von der Deutschen Schule Sonderburg ihre Nachfolge angetreten.

„Ich halte es für wichtig, dass die deutschen Schulen dort einen Sitz haben“, sagt Inga Fries.

Spaß am Unterrichten

„Das Beste war für mich der Unterricht, für den ich brenne. Und dann sind es auch die vielen lustigen Gespräche, die mit den Schülern durch ihre guten Fragen entstehen“, so Inga Fries.

Sie erwähnt ein Beispiel mit dem Thema Demokratie und Gerichtswesen in Griechenland. „Dann sind wir dabei gelandet, dass ich beim Gericht in Sonderburg Schöffe gewesen bin“, erzählt Inga Fries.

27 Jahre lang hatte Inga Fries ihren Arbeitsplatz an der LAS. Foto: Jane Rahbek Ohlsen

Gewandelte Voraussetzungen

Auf die Unterschiede zwischen Schule früher und heute angesprochen, erwähnt sie: „Es ist spürbar, dass die Schüler heute mit anderen Voraussetzungen kommen. Die Eltern haben einen sehr geschäftigen Alltag, und man kann nicht sie nicht so viel einbeziehen wie früher. Die Betriebsamkeit spiegelt sich auch an den Kindern wider, die auf eine andere Art unruhig sind. Während sie früher in der Klasse saßen und für den Unterricht aufnahmefähig waren, muss man sie jetzt erst vom Tempo herunterholen“, so ihre Erfahrung.

„Was die Digitalisierung anbelangt, sind die Schüler sehr geschickt. Ich habe keine Probleme damit gehabt, sie bei Bedarf zu fragen, damit sie mir Sachen zeigen. Als Lehrer kann man nicht in allen Bereichen Experte sein“, führt Inga Fries an.

Briefe und Karten zum Abschied

„Ich habe mich gefreut und war gespannt, was sie sich hatten einfallen lassen. Es war süß, als  die Kinder im Gang standen“, so Inga Fries, die nicht gerne viel Aufhebens um ihre Person hat.

Die Kinder steckten ihr Blumen, Süßigkeiten, Geschenke und auch Briefe und Karten zu.

Sie hat nun ausreichend Zeit, diese zu lesen. Die langjährige Schulära von Inga Fries klang mit einem gemeinsamen Essen mit den Kolleginnen und Kollegen aus.

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