Tag der Grenzschließung

Als das Grenzenlose eingezwängt wurde

Als das Grenzenlose eingezwängt wurde

Als das Grenzenlose eingezwängt wurde

Tondern/Tønder
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Unter anderem der Grenzübergang in Møllehus-Aventoft war geschlossen. Foto: Monika Thomsen

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Die Tonderner Lokaljournalistin Monika Thomsen berichtet von ihrem gefühlt kleinkriminellen Erlebnis, als sie sich über die frisch geschlossene Grenze traute. Beim Selbstversuch ging es darum, herauszufinden, inwieweit der Grenzhandel erlaubt war.

Krönender Abschluss von Freitag, 13. März 2020, hätte eigentlich ein Konzert in der Schweizerhalle in Tondern mit der dänischen Band „Folkeklubben" sein sollen. Zumindest stand es so seit dem 24. Dezember 2019 in meinem Kalender.

Das war vor Corona. Und vor dem Herunterfahren des öffentlichen (und privaten) Lebens. Statt klasse und wohltuende Live-Klänge in den Ohren flatterte an diesem Abend die Nachricht über den heimischen Bildschirm, dass die deutsch-dänische Grenze am Sonnabend, 14. März, 12 Uhr, geschlossen werden würde. Punkt – und Ende der (krächzenden)  Durchsage.

„Ich schaue mir das an"

Obgleich es an diesem durchwirbelten Wochenende nicht auf meiner To-do-Liste stand, lautete meine morgendliche Ansage beim Frühstück: „Ich fahre zur Grenze und schaue mir das an. Da hat ja schließlich auch etwas Historisches.“

Wie gedacht und gesagt, getan.

Ich war dort bei Weitem nicht die Einzige. Presseleute und Einheimische wollten sich das Geschehen nicht entgehen lassen.

Nicht nur Presseleute lockte es nach Seth, sondern auch Leute aus dem Lokalbereich. (Archiv) Foto: Monika Thomsen

Seit dem frühen Morgen hatte es nicht nur den kleinen Grenzverkehr gegeben, sondern so manch einer zockelte mal schnell rüber, um zum Beispiel Getränke, Heizmaterial oder Futter für die tierischen Freunde zu holen.

Auch Beispiele von vorsorgenden Menschen, die rund einen Monat später dem Osterhasen mit süßen Mitbringseln auf die Sprünge helfen wollten, sind bekannt.

In den Köpfen war es irgendwie gar nicht vorstellbar, dass der Lokalbereich plötzlich eingeschränkt sein sollte.

Wie schaut es mit dem Grenzhandel aus?

Beim Grenzgipfel gegen 12 Uhr tauchte dann wiederholt im Gespräch die Frage auf, können wir eigentlich weiterhin zum Einkaufen über die Grenze fahren?

Vor Ort deutete nichts darauf hin, dass die Autofahrer beim Verlassen des Landes kontrolliert wurden.

Über diese Frage weiter grübelnd, machte ich einen Schlenker über den inzwischen verbarrikadierten Grenzübergang Mühlenhaus (Møllehus). Mit einigen Fotos im Kasten ging es in die Redaktion.

Ausprobieren, was machbar ist

Der damalige Chef vom Dienst, der an jenem Tag unermüdlich unsere Webseite mit der neuesten Entwicklung „fütterte“, ließ die Fotos mit Kusshand in die Produktion einfließen.

Bezüglich der ungeklärten Grenzpassage kündigte ich schriftlich an: „Vielleicht sollte ich ja spaßeshalber rüberfahren, um es auszuprobieren.“

„Wenn du dich traust, wäre es natürlich super.“

Mein leuchtender Passierschein

Aber klar doch. Schließlich handelte es sich ja nicht um einen Sprung vom zehn Meter hohen Turm ins kalte Wasser.

Dennoch blitzte kurz der Gedanke in mir auf, ob ich vielleicht meine Familie von meiner (geheimen) Mission verständigen sollte. Damit sie nicht auf den Gedanken käme, ich sei verschütt gegangen, falls es doch Probleme mit meiner Einreise geben sollte.

Aber als Passierschein für meine sichere Rückkehr auf die nördliche Seite der Grenze leuchtete mir ja mein Pass, der meine dänische Staatsbürgerschaft bescheinigt, rote-Beete-rot entgegen.

Gefühlt kleinkriminell

Dennoch fühlte ich mich fast wie eine Verbrecherin – oder zumindest wie eine Kleinkriminelle, als ich am frühen Sonnabendnachmittag auf dem ausgestorbenen Parkplatz des Fleggaard-Ladens in Süderlügum – mit einer Kamera bewaffnet – parkte.

Ich bin dann schnell aus dem Auto gehüpft, habe rasch ein paar Beweis-Fotos geschossen und dann, ganz auf cool getrimmt – alles noch zu Zeiten ohne Maske, – Kurs auf die Grenze genommen. Laienspiel gehört zu meinen Steckenpferden.

Abgeraten heißt doch nicht verboten

Dem mich kontrollierenden Beamten habe ich kurz und bündig mein Anliegen vorgebracht.
So ganz klipp und klar war seine Antwort auch nach mehrmaligem Nachhaken nicht.

„Es wird davon abgeraten.“  Hmm – verboten hört sich für mich anders an.

Um mich loszuwerden, verwies der gute Beamte auf die herausgegebene Pressemitteilung. Die war ja aber eben nicht so ganz eindeutig.

Wie wir das im Grenzland mittlerweile kennen, so gibt es mit neuen Verordnungen in der Regel genauso viele offene Fragen, die man im vom deutsch-dänischen Grenzland weit entfernten Kopenhagen nicht bedacht hat.

Der leer gefegte Parkplatz vor den Grenzläden in Süderlügum (Archivfoto) Foto: Monika Thomsen

Ich gefühlte kleinkriminelle Grenzgängerin, die sich nichts zuschulden hatte kommen lassen, meldete mich nach meiner erfolgreichen Rückkehr wieder gehorsam bei meinem Vorgesetzten zurück.

Das „Schlupfloch"  wurde zügig gestopft, und am Montag, 15. März, zog Deutschland mit der Grenzschließung nach.

Auf und wieder zu

Und während der zwölf Monate, in denen sich „Corona“ auch ganz selbstverständlich in den Wortschatz von Kleinkindern eingeschlichen hat, ging es an der Grenze erst auf und dann wieder zu.

Bleibt zu hoffen, dass sich auch bald gegen das Verriegeln der Grenze ein Impfstoff findet.

 

 

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