Tag der Grenzschließung

Abwarten und Tee trinken oder Same procedure as last year

Abwarten und Tee trinken oder Same procedure as last year

Abwarten und Tee trinken oder Same procedure as last year

Ruttebüll/Rosenkranz
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Im September wurde über die Öffnung des Grenzübergangs Ruttebüll-Rosenkranz gejubelt (Archiv). Foto: Privatfoto

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Der 14. März 2020 bedeutete auch für die Bewohner in Nachbardörfern Ruttebüll und Rosenkranz einschneidende Änderungen in ihrem privaten Leben. Aber auch aus beruflicher Sicht musste man sich mit dem geschlossenen Grenzübergang umstellen. Zwei der Betroffenen waren die Schwestern Kirsten Bossen und Silvia Brodersen in je ihren Wohnorten.

Kirsten Bossen aus Ruttebüll (Rudbøl) und Silvia Brodersen aus Rosenkranz. Die beiden Schwestern, die beide von der Gastronomie leben, leiden unter den geschlossenen Grenzübergängen. Sie sind sich einig, dass weder die dänische noch die deutsche Regierung den richtigen Corona-Kurs eingeschlagen haben.

Die beiden Frauen wohnen nur wenige Hundert Meter voneinander entfernt, können sich aber trotzdem nicht zum kurzen Klönschnack bei einem Käffchen treffen. Der Grenzübergang ist erneut geschlossen, eine Einreise im westlichen Teil Nordschleswigs ist nur über den Grenzübergang bei Einhaltung gewisser Auflagen möglich. Von dänischer Seite wird vor einem Grenzübertritt nach Deutschland abgeraten. Und auch das Versammlungsverbot macht eine Öffnung der Betriebe unrentabel beziehungsweise unmöglich.

Nur einmal getroffen

„Wir haben uns nur ein einziges Mal an der Grenze getroffen“, erzählt Silvia Brodersen, Besitzerin des Alten Grenzkrugs in Rosenkranz. Ihre große Schwester betreibt die Jugendherberge in Ruttebüll, „Hostel Rudbøl“. Geschlossen sind beide Betriebe.

Der Grenzübergang in Rutebüll/Rudbøl ist erneut geschlossen. Foto: Volker Heesch

Silvia Brodersen empfängt meist dänische Gäste in ihrem Gasthof, die 60-jährige Schwester kann wegen des Versammlungsverbots nicht mehr als fünf Gäste aufs Mal aufnehmen. Nicht genug, damit das Geschäft rentabel ist. Daher ist auch ihr Betrieb geschlossen.

Für die beiden Frauen ist die Situation nicht neu. Sie erlebten einen entsprechenden Tiefpunkt schon beim ersten Shutdown.

„Wir fürchten beide, dass die Grenzen vielleicht wieder bis September dicht bleiben. Das ist für uns beide äußerst geschäftsschädigend“, bedauert Kirsten Bossen. „Man darf ohne Probleme fast überall hinfliegen, aber bei uns macht man die Grenzen zu. Und die Grenzübergänge sind bis auf Seth nur an der Westküste geschlossen, während drei an der Ostküste offen sind, obwohl dort die Corona-Hotspots liegen. Man hätte lieber die Große-Belt-Brücke schließen sollen, wo es viel mehr Infizierte gibt", wettert Kirsten Bossen. Ihre Schwester pflichtet ihr bei.

Für fünf Gäste will Kirsten Bossen ihre Jugendherberge nicht öffnen (Archiv). Foto: Karin Riggelsen

Sie habe kein Verständnis, wie eine Demonstration gegen die Corona-Restriktionen in Kopenhagen mit bis zu 6.000 Teilnehmern erlaubt werden könne, die dann doch wegen schlechten Wetters abgesagt wurde, während es ein Versammlungsverbot mit fünf Personen gibt. „Und ich kann daher auch nur fünf Gäste aufnehmen. Falls es keine Familie ist, muss ich sie auf mehrere Räume weit verteilen. Unseren Speisesaal dürfen wir nicht nutzen, da er als Restaurant eingestuft wird. Daher müsste den Gästen das Frühstück in ihren Zimmern serviert werden. Und ich kann die Hälfte des Servierten in den Mülleimer werfen“, erzählt die Gewerbetreibende. Und Touristen kämen ja auch keine.

Die Große-Belt-Brücke zu schließen, wagte die Regierung nicht, aber sieben Kommunen in Nordjütland runterzufahren und die Grenzen zu schließen. Das traute man sich. Jeder von uns muss rechtzeitig Bescheid geben. Die Regierung kann etwas von einem Tag auf den anderen entscheiden.

Kirsten Bossen, Besitzerin des Hostel Rudbøl

Als die Grenzen im September wieder geöffnet und die Restriktionen gelockert wurden, glaubten die beiden Schwestern ihren eigenen Ohren nicht. „Da wurden wir von Gästen nahezu überrannt, sodass wir sogar Angst bekamen, angesteckt zu werden. Viele kamen von Kopenhagen. Die Große-Belt-Brücke zu schließen, wagte die Regierung nicht, aber sieben Kommunen in Nordjütland runterzufahren und die Grenzen zu schließen. Das traute man sich. Jeder von uns muss rechtzeitig Bescheid geben. Die Regierung kann etwas von einem Tag auf den anderen entscheiden“, kritisiert Kirsten Bossen.

„Ganz viele Feste sind abgesagt worden, für die ich schon eingekauft hatte. Und nicht alles ist so lange haltbar, auch wenn es in der Gefriertruhe liegt."

 Zwei Dinge wünsche sie sich: Dass die Grenze wieder geöffnet und das Versammlungsverbot auf 20 erhöht wird. Bei 20 wäre es dann wieder rentabler, aufzumachen, meint sie.

 

Ruhe und weniger Bierdosen in der Natur

„Ich habe 33 Betten, in denen jetzt nur fünf Gäste schlafen können. Für fünf Gäste mache ich nicht auf“, unterstreicht sie. Der Aufwand sei zu groß und die Kosten höher als die Einnahmen. Sie habe daher seit dem 1. November geschlossen. „Für mich ist es ein Déjà-vu-Erlebnis vom vergangenen Jahr. Aber jetzt haben wir zumindest unsere Ruhe im Ort, und da fliegen auch nicht mehr so viele Bierdosen in der Natur herum, um mal zwei positive Aspekte zu nennen.“

Silvia Brodersen führt die Familiengaststätte in Rosenkranz in dritter Generation (Archiv). Foto: Karin Riggelsen

 Seit drei Monaten hat Silvia Brodersen ihre Gastwirtschaft wieder geschlossen. Im September vergangenen Jahres dachte sie schon daran, den Krug ganz zu schließen. „Ich bin abhängig von meinen dänischen Gästen. Der Take-away-Service rechnet sich nicht, denn auch unsere Ferienhäuser sind leer“, erzählt die Gastwirtin, die den Familienkrug in dritter Generation weiterführt.

Falls die Grenzen – vielleicht schon zu Ostern – wieder öffnen würden, hätte sie ein neues Problem. „Mein entlassenes Personal hat in der Zwischenzeit bestimmt andere Arbeit gefunden. Daher müsste ich ganz schnell wieder Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen finden“, erzählt sie.

Während des ersten Shutdowns lieferte Silvia Brodersen noch Essen an der Grenze ab. Foto: privatfoto

Ihre Ferienwohnung habe sie schon beim ersten Shutdown renoviert, den Saal gebohnert und alle Gardinen gewaschen und im Garten gearbeitet. Seit dem zweiten Shutdown habe sie eigentlich nichts Vernünftiges gemacht. Sie wundert sich wie ihre Schwester, dass die westlichen Grenzübergänge geschlossen wurden, obwohl beispielsweise Flensburg ein richtiger Hotspot sei.

„Aber wir werden nichts ändern können. Uns bleibt daher nur: abwarten und Tee trinken“, sagt die Gastwirtin. Ihre Schwester kommentiert die Situation frei nach dem Sketch „Dinner for one“ so: The same procedure as last year.

 

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