Ausstellung
100 Jahre im Grenzland: Gebäck, Gestapo und Gemeinschaft
100 Jahre im Grenzland: Gebäck, Gestapo und Gemeinschaft
100 Jahre im Grenzland: Gebäck, Gestapo und Gemeinschaft
Was haben das Zigarettenetui von Naziführer Frits Clausen, ein zweisprachiges Stadtschild und ein Eishockeytrikot des Sportvereins „SønderjyskE“ gemeinsam? Die neue Ausstellung im Sonderburger Schloss liefert die Antwort. Sie macht 100 Jahre Grenzlandgeschichte greifbar – und zwar buchstäblich.
Wie erzählt man 100 Jahre Geschichte im Grenzland? Über diese Frage hat Historiker und Museumsinspektor Carsten Porskrog Rasmussen jahrelang nachgedacht.
Das Ergebnis ist nun in der neuen Ausstellung „100 år med Danmark – Sønderjylland siden genforeningen“ im Sonderburger Schloss zu sehen. Die Antwort vorweg: Die Vermittlung geschieht vor allem über spannende Originalgegenstände, aber auch über digitale Angebote.
Originalgegenstände erzählen Geschichte
So ist das Original-Grenzhaus vom Übergang Mühlenhaus/Møllehus inklusive Ampel ebenso Teil der Ausstellung wie das Zigarettenetui des Naziführers Frits Clausen. Oder jenes zweisprachige Ortsschild, das in der Kommune Hadersleben/Haderslev 2015 für Aufruhr gesorgt hat – es taucht in der Ausstellung wieder auf.
Neben dem Auffinden von Hunderten von Original-Gegenständen – eine von Königin Margrethe II. bemalte Vase ist auch dabei – hat das Museum Sønderjylland in digitale Vermittlung investiert.
In einem abgeschirmten Raum laufen beispielsweise über drei Wände hinweg Filme aus der Zeit zwischen 1933 und 1939.
Minderheiten-Schulen als Spiegel der Zeit
Auf einem Touchscreen können Besucher der Ausstellung je nach Angabe der Jahreszahl sehen, wie sich die privaten Schulen der deutschen und dänischen Minderheit zwischen 1920 und 1955 entwickelt haben.
An einer „digitalen“ Kaffeetafel können sich die Museumsgäste bedienen. Und herausfinden, ob sie die richtige Reihenfolge bei der Nordschleswigschen Kaffeetafel draufhat.
Das Ziel der Ausstellung, 100 Jahre Grenzlandgeschichte begreifbar zu machen, wird somit buchstäblich greifbar. Geschichte zum Anfassen.
Der Leiter der Abteilung Geschichte im Museum Sonderburger Schloss, Carsten Porskrog Rasmussen, hat die neue Ausstellung mitkonzipiert. Er hat unter anderem Familienangehörige dazu bewegt, Originalgegenstände der Ausstellung zur Verfügung zu stellen.
Alltag im Grenzland zwischen Ideologie und Identität
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Abmontierte deutsche Straßenschilder. Alte Uniformen, der Original-Anzug von Speedway-Weltmeister Ole Olsen, ein Grabstein mit einem falschen Todesdatum darauf, weil die Angehörigen den Todeszeitpunkt im Gefangenenlager Fårhuslejren verheimlichen wollten – all diese Dinge erzählen vom Alltag im Grenzland zwischen Ideologie und Identität, menschlichen Schicksalen und nationalen Bewegungen.
Eingeteilt ist die Ausstellung in drei Themenabschnitte. Der erste behandelt die neue dänische Identität und die der Minderheiten zwischen 1920 und 1939, die sich nach der Grenzziehung in Nordschleswig entwickelten.
Der Alltag im Landesteil wird dänisch
Eine ganze Region musste eingegliedert werden – angefangen bei den Uniformen der Staatsbediensteten bis hin zu den Drainagerohren in den Äckern Nordschleswigs. Auch Telefonleitungen und Orts- und Straßenschilder wurden denen im Königreich angepasst.
Ein weiterer Abschnitt behandelt die Zeit zwischen 1939 und 1945.
Zu sehen sind eine von Maschinengewehrsalven durchlöcherte Tür, hinter der sich dänische Saboteure versteckt haben und ein rekonstruiertes Nimbus-Motorrad mit Maschinengewehrhalterung. Außerdem sind da der Säbel von Gestapo-Mann Günther Pancke und Schaukästen, in denen die Rolle der deutschen Minderheit und der „Freiwilligen des Führers“ dargestellt werden.
Von dunkel gehaltenen Räumen tritt der Besucher der Ausstellung in einen dritten Bereich: die Entwicklung Nordschleswigs nach 1945.
Die neue Rolle der Minderheiten, die „Mojn“-Kampagne aus den 1970er Jahren, die Industrialisierung der Region, das Amt Sønderjylland und dessen Ende, Dialekt, Ringreiten, der Sportclub „SønderjyskE“ – Teil drei zeigt, wie sich Nordschleswig entwickelt hat. Auf einer digitalen Wand erzählen Nordschleswiger von „ihrem“ Grenzland.
Auch die „Vi ka æ sproch“-Kampagne ist dabei
Dieser Ausstellungsbereich zeigt auch, wie die Grenze die Region geprägt hat. Stichworte „Butterfahrten“, Grenzhandel, „Spritboote“ und Zöllner. Auch der Wildschweinzaun und „TVSyd“ spielen eine Rolle. Die „Vi ka æ sproch“-Kampagne der Schleswigschen Partei hat ebenfalls ihren Weg in die Ausstellung gefunden.
100 Jahre Nordschleswig, das bedeutet 100 Jahre Alltag im Grenzland. Die neue Ausstellung bietet einen faszinierenden Einblick in das Leben und die Gedankenwelten der Menschen in Nordschleswig – damals wie heute.