Leitartikel
„Wenn Minderheiten als Gefahr für andere dargestellt werden“
Wenn Minderheiten als Gefahr für andere dargestellt werden
Wenn Minderheiten als Gefahr für andere dargestellt werden
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Europawahl mit Nordschleswig-Brille: Macht es einen Unterschied, wen wir wählen? Eine Podiumsdiskussion in Harrislee am Montag habe dies klar gezeigt, meint Cornelius von Tiedemann. Er macht dies anhand zweier Punkte deutlich.
Am Tag nach der Podiumsdiskussion „Nützt die EU den Minderheiten?“ in Harrislee (Harreslev) am Montag erreicht mich die SMS eines Freundes. Er habe meinen Artikel über die Debatte der Kandidatinnen und Kandidaten gelesen und sei empört über die Aussage eines der Kandidaten, die MSPI würde dazu führen, dass nationale Souveränität abgegeben wird.
Schließlich steht außer Frage, dass das, was mit der Minority Safepack Initiative (MSPI) umgesetzt werden soll, vollumfänglich in die Zuständigkeiten der EU fällt.
Eine Randnotiz? Pedanterie?
Nein. Für Minderheiten sind solche „kleinen“ Bemerkungen wie die des Venstre-Kandidaten, der sagte, „einige der Themen der MSPI sind in Dänemark gefährlich, denn es geht dabei darum, nationale Souveränität abzugeben“, ihrerseits brandgefährlich.
Denn nicht nur sind sie in dem konkreten Kontext faktisch falsch, sie schüren auch das Bild von den Minderheiten als andersartige Gruppen, die den „normalen“ Menschen etwas wegnehmen wollen. Zum Beispiel Souveränität, also das Recht, selbst zu bestimmen.
In der Debatte kam aus dem Publikum auch die Frage nach den Separatistinnen und Separatisten auf, die in Katalonien und anderswo Politik machen und die auch Teil der EFA sind, jener europäischen Partei der autochthonen Minderheiten, der sich auch der SSW aus Südschleswig und die nordschleswigsche SP angeschlossen haben.
Stellen die Minderheiten also eine Gefahr für den nationalen Frieden in den Mitgliedsstaaten dar? Eine weitere dieser ihrerseits gefährlichen Unterstellungen, mit denen Minderheiten sich immer wieder konfrontiert sehen.
Auf beide Behauptungen kann die Antwort verantwortungsbewusster Politik nur sein: Nein, Minderheitenrechte und ihr Monitoring stellen keine Einschränkung der Selbstbestimmung dar, sondern sind Teil und Zierde des europäischen Selbstverständnisses. Und: Nein, Minderheiten, die gleichberechtigt behandelt werden, sind keine Gefahr für Gemeinschaften wie Nationalstaaten, sondern eine Bereicherung und ein Garant für Frieden.
Das sind keine bloßen Behauptungen, das sind Fakten.
Nun können wir, die wir uns hier im Grenzland fast schon routiniert mit Minderheitenpolitik befassen, letztgemachte Feststellungen vielleicht schon nicht mehr hören. Denn für uns sind diese Wahrheiten so selbstverständlich wie Sonnenauf- und untergang. Doch der Abend in Harrislee hat gezeigt: Was für uns hier klar wie Kloßbrühe ist, ist für andere schwer zu durchschauen.
Deshalb dürfen Minderheiten überall – und wir in Nordschleswig – in unserem Bestreben nicht nachlassen, andere aufzuklären darüber, was Minderheitenrechte Gutes tun. Auch und gerade für jene, die selbst keiner Minderheit angehören.
Was der Abend erfreulicherweise auch gezeigt hat, ist, dass die Minderheiten in diesem Bemühen nicht alleinstehen. Die Aussagen der beiden erfahrenen und europäisch engagierten Abgeordneten von Grünen und CDU machen, wie das fast schon draufgängerische Engagement der EFA-Kandidatin, Mut.
Mut, dass den Trugbildern von autochthonen Minderheiten als Gefahr deutlich – und auch aus Mehrheiten – widersprochen wird. Und Mut, dass das Europaparlament auch nach der Wahl am 9. Juni hinter den Minderheiten stehen wird.
Die Wahl, ob Europa den Minderheiten nützt, haben wir.