Deutsche Minderheit

Harro Hallmann: „Es ist mir wichtig, dass ich überzeugt bin von dem, was ich mache“

Harro Hallmann: Ich brenne für meine Arbeit

Harro Hallmann: Ich brenne für meine Arbeit

Apenrade/Aabenraa
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Harro Hallmann vor einer seiner beiden Arbeitsstätten, dem Haus Nordschleswig (Archivfoto) Foto: Karin Riggelsen

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Am Montag feiert der Kommunikationschef der Minderheit und Leiter des Kopenhagener Sekretariats seinen 60. Geburtstag. Im Interview mit dem „Nordschleswiger“ erzählt er vom Engagement bei der Arbeit, vom Glücksgefühl beim Genießen und vom größten Verlust seines Lebens.

Man braucht Harro Hallmann nicht allzu gut zu kennen, um zu wissen, dass er einen guten Tropfen Wein und eine exquisite Küche zu schätzen weiß – auch deutlich mehr zu schätzen weiß als die meisten Menschen.

„Ich gehe gerne gut essen, und das ist in den vergangenen drei bis vier Jahren zu einem richtigen Hobby geworden. Ich genieße es, und ich genieße es auf einem höheren Niveau“, sagt er.

Höheres Niveau meint Restaurants, die mit einem oder mehreren Michelinsternen ausgezeichnet worden sind. Mit anderen Worten, es ist ein Hobby, das er sich auch etwas kosten lässt.

„Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich zu viel bezahlt habe. Ich bin immer zufrieden hinausgegangen, manchmal richtig glücklich. Glück zu kaufen, das ist gar nicht so einfach“, so Hallmann.

Das Glücksgefühl nach dem Genuss

Es ist das „Totalerlebnis“, das bei ihm dieses Glücksgefühl auslöst. Dazu gehört die besondere Lage vieler dieser Restaurants, wie zum Beispiel das „Syttende“ in Sonderburg (Sønderborg), die kompetente Bedienung sowie die Köchinnen und Köche, die die Herkunft ihrer Produkte ganz genau kennen. Zentral ist natürlich das Essen, wo sowohl Aussehen als auch Geschmack zählen.

Die Bilder an der Wand im Sekretariat zeugen von Harro Hallmanns Passion für gutes Essen. Foto: Karin Riggelsen

„Das Glücksgefühl kommt insbesondere am Ende, wenn man das Ganze erlebt hat und mit allem zufrieden ist und etwas Besonderes gehabt hat.“

Allein genießen

Genüsslich beschreibt er den Besuch eines Drei-Sterne-Restaurants in Antwerpen, wo es zum Abschluss zu fünf Käsesorten jeweils ein kleines, passendes Getränk gab. Hallmann versteht es, sich auch ganz allein diesen Erlebnissen hinzugeben.

Nach einem exquisiten Menü erfasst Harro Hallmann schon mal ein Glücksgefühl. Foto: Karin Riggelsen

„Am Anfang war es eher aus der Not geboren, weil ich nicht immer jemanden finden konnte, der mit mir dorthin gehen konnte und wollte. So bin ich immer häufiger allein hingegangen und genieße das im selben Maße wie gemeinsam mit jemandem.“

Der große Verlust

Mit einem Menschen hätte Harro jedoch gerne diese und andere Erlebnisse geteilt: mit seiner Frau Helle. Vor mehr als acht Jahren ist sie völlig unerwartet gestorben, vermutlich an einem Herzinfarkt.

„Es ist ungerecht, dass Helle das nicht erleben kann, denn es kam zu einem Zeitpunkt, als die Kinder schon größer und selbstständiger waren. Wir hatten die Zeit und das Geld, dass wir uns solche Erlebnisse hätten leisten können.“

Es hat mir sicherlich geholfen, dass ich eine introvertierte Person bin.

Nach Helles Tod folgte naturgemäß eine schwere Zeit: „Das habe ich währenddessen nicht so wahrgenommen, eher im Nachhinein. Nach einem Jahr dachte ich im Rückblick, das war doch ein hartes Jahr. Und auch das zweite Jahr war im Rückblick immer noch sehr hart.“

Praktische Aufgaben als Stütze

Auch nach gut acht Jahren vermisst er seine Frau weiterhin, aber die „offene Wunde“ sei verheilt. Mit zur Heilung beigetragen hat, dass Harro den Haushalt mit den drei Kindern, die noch zu Hause wohnten, meistern musste. Der Älteste, Hans, war bereits ausgezogen.

„Es hat mich angetrieben und aufrecht gehalten, dass die Kinder mich gebraucht haben. Ich musste den Rahmen schaffen und das Praktische regeln.“

Erst im Nachhinein wurde Harro Hallmann klar, wie hart die ersten beiden Jahre nach dem Tod seiner Frau gewesen waren. Foto: Karin Riggelsen

Schwer war jedoch, dass nun die Partnerin fehlte, mit der er über die Erziehung der Kinder sprechen konnte, mit der er die Aufgabe teilen konnte: „Das war der Verlust, denn da war niemand, mit dem ich darüber reden konnte.“

Introvertiert

Jetzt kann er das Leben wieder genießen. Nicht nur, wenn er sich im Nobelrestaurant verwöhnen lässt, sondern auch, wenn er sich in der eigenen Küche in Kochkünste vertieft.

„Es hat mir sicherlich geholfen, dass ich eine introvertierte Person bin. Ich muss nicht immer Menschen um mich haben, sondern ich brauche auch meine Ruhe und Zeit für mich selbst.“

Arbeit als Hilfe

Und auch die Arbeit beim Bund Deutscher Nordschleswiger war für den Heilungsprozess wichtig. Soweit er sich erinnert, hat er keinen Arbeitstag ausgelassen. Es war eine bewusste Entscheidung.

„Das ist die Art und Weise, wie ich damit umgegangen bin, und das war für mich, denke ich, schon das Richtige.“

Dabei spielt es auch eine nicht ganz geringe Rolle, dass die Arbeit als Kommunikationschef des BDN und seit bald vier Jahren auch als Leiter des Sekretariates für Harro Hallmann nicht irgendeine Arbeit ist.

„Es ist mir wichtig, dass ich einen Job habe, in dem ich mit etwas arbeiten kann, an das ich glaube und mich voll dafür einsetzen kann. Die Minderheit ist mir wichtig, es ist etwas, was mir am Herzen liegt.“

Lebenslauf Harro Hallmann

1969-1978: Deutsche Schule Hadersleben

1978-1982: Højere Handelseksamen (Handelsabitur), Haderslev Handelsskole

1981-1982: T. C. Williams Highshool, Virginia, USA

1982-1990: Statskundskab (Politologie), Universität Aarhus

1991-1994: Deutsch-Dänische Handelskammer

1994-1998: Ökonom, Foreningen af Rådgivende Ingeniører

1998-2001: Geschäftsführer, Gewerkschaft HK Holstebro

2002-2004: Ökonom, Kommune Vinderup

Seit 2003: Kommunikationschef, Bund Deutscher Nordschleswiger

Seit 2020: Gewählter Leiter des Sekretariats der deutschen Minderheit in Kopenhagen

 

Kinder: Hans (1995), Rose (1997), Ronja (2000) und Freja (2003)

Seit 2015 verwitwet

Harro Hallmann an seinem Arbeitsplatz im Haus Nordschleswig Foto: Walter Turnowsky

Pause von der Minderheit

Dabei stand es keineswegs in den Sternen, dass Hallmann eines Tages für die Minderheit arbeiten sollte, als er 1978 die Deutsche Schule Hadersleben (DSH) verließ. Er wählte für die weitere Ausbildung die Handelsschule in Hadersleben (Haderslev) statt des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig. Mit beiden Eltern als Lehrer an der DSH brauchte er etwas „Luft und Abstand zur Minderheit“.

Politisch war er nicht in der Partei der Minderheit, der Schleswigschen Partei, sondern bei der Sozialdemokratischen Jugend (DSU) aktiv. Eine „extrem linke Organisation“ aus Sicht so mancher in der damaligen Minderheit, sagt Hallmann.

Die Begegnung mit Helle

Als er dann zum Studium aus Hadersleben wegzog, war es nicht Teil seiner Planung, dass er eines Tages nach Nordschleswig zurückkehren würde. Er studierte zunächst ein Jahr in den USA und dann Politologie (Statskundskab) an der Universität in Aarhus.

Nach dem Diplom zog er nach Kopenhagen und bekam seine erste Stelle bei der Deutsch-Dänischen Handelskammer. In Kopenhagen traf er auch Helle und zog in ihre Wohnung in der Kopenhagener Inselkommune Frederiksberg ein.

„Die Wohnung war sehr schön, aber auch sehr primitiv. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Da gab es weder warmes Wasser noch eine Heizung, nur einen Petroleumofen.“

Umzug nach Jütland

Die schöne, aber primitive Wohnung wurde dann zu eng, als die beiden ältesten Kinder, Hans und Rose, dazukamen. Eine größere Wohnung in Kopenhagen war zu teuer, und daher richtete die Familie Hallmann den Blick in Richtung Jütland, aber immer noch nicht direkt in Richtung Grenzland.

Zunächst ging es nach Holstebro, wo Harro Hallmann Geschäftsführer bei der Gewerkschaft HK wurde. Nach Unstimmigkeiten mit der lokalen Vorsitzenden musste er den Job verlassen. Auch konnte die Familie, zu der sich mittlerweile das dritte Kind, Ronja, gesellt hatte, in der westjütischen Stadt nicht so richtig Wurzeln schlagen. Und so entstand der Gedanke, nach Nordschleswig zu ziehen.

Der Kommunikationschef bei der Arbeit Foto: Ute Levisen

Rückkehr nach Hadersleben

Der BDN schrieb die Stelle als Kommunikations- und Projektmitarbeiter aus, für die sich Harro bewarb und sie auch bekam. Und so kehrte er 2003, im Jahr der Geburt der Nummer vier in der Kinderreihe, Freja, nicht nur nach Nordschleswig, sondern auch zur Minderheit zurück.

„Ich habe da eine sehr selbstbewusste Minderheit angetroffen. Das war schon eine andere Minderheit als 25 Jahre zuvor. Glücklicherweise, denn so soll es ja auch sein.“

Ich bin privilegiert, dass ich mit etwas arbeiten darf, das mich interessiert, und das weiß ich auch zu schätzen.

Zunächst erwog Harro, in die Nähe seines Arbeitsplatzes, nach Apenrade (Aabenraa) zu ziehen. Doch Helle überzeugte ihn, dass Hadersleben der richtige Wohnsitz sei, weil Harros Eltern dort wohnten.

„Ich bin sehr froh, dass wir nach Hadersleben gegangen sind, denn ich kannte doch einen ganzen Teil Leute dort. Und Helle hat dort auch sehr schnell Fuß gefasst und Job sowie Freundinnen und Freunde gefunden.“

Das Privileg des Jobs

Und für eine Minderheit in Bewegung, wie Hallmann sie vorfand, wollte und will er sich gerne einsetzen. Die Vielfalt, zu der sie mit ihren zwei Sprachen und zwei Kulturen beiträgt, ist ihm ein wichtiges Anliegen. Der Freiraum bei der Gestaltung des Arbeitstages ist ein entscheidender Motivationsfaktor.

„Ich bin privilegiert, dass ich mit etwas arbeiten darf, das mich interessiert, und das weiß ich auch zu schätzen. Ich fühle, ich habe alles, was ich mir von einer Arbeit wünschen kann.“

Neue Aufgaben als Sekretariatsleiter

Und das ist auch die Erklärung, warum er immer noch, nach 20 Jahren, für den BDN arbeitet. Dabei war es in den vergangenen Jahren auch ein Motivationsfaktor, dass er 2020 als Leiter des Sekretariats in Kopenhagen gewählt wurde.

Harro Hallmann beim Empfang im Folketing anlässlich seines Antritts als Sekretariatsleiter im Januar 2020 Foto: Gwyn Nissen

„Es war für mich noch einmal ein neuer und spannender Inhalt und etwas, das ich gerne wollte. Das kam zu einem wirklich guten Zeitpunkt.“

Der gute Zeitpunkt hatte viel damit zu tun, dass die Kinder ihn nicht mehr so brauchten und die regelmäßigen Besuche in Kopenhagen kein Problem für sein Familienleben sind. Das war zwölf Jahre zuvor anders, da hatte Hallmann sich auch beworben, doch die Stelle war an Jan Diedrichsen gegangen.

„Im Rückblick denke ich, es war gut, dass ich den Job damals nicht bekommen habe. Mit kleinen Kindern wäre es schwierig gewesen.“

Harro Hallmann im Sekretariat in Kopenhagen Foto: Karin Riggelsen

Agieren im Hintergrund

Mit der neuen Funktion ist Hallmann wieder näher an die Politik gerückt, für die er sich seit seiner Jugend engagiert hat und die Inhalt seines Studiums war. Auch das mache die Funktion spannend. Auch die Tatsache, dass er beim Folketing als Lobbyist für die Minderheit hinter den Kulissen arbeitet, liegt dem selbsterklärten Introvertierten.

„Bereits während des Studiums, wo ich auch politisch engagiert war, habe ich für mich entschieden, dass ich nicht so gerne in der vordersten Reihe stehe, sondern lieber etwas im Hintergrund und dort bessere Ergebnisse erziele.“

Am kommenden Freitag wird er jedoch selbst im Rampenlicht stehen. Anlässlich seines 60. Geburtstages am Montag lädt der BDN dann zu einem Empfang im Haus Nordschleswig ein.

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