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Willkür bei SIRI? Deutsche Minderheit fordert Prüfung

Willkür bei SIRI? Deutsche Minderheit fordert Prüfung

Willkür bei SIRI? Deutsche Minderheit fordert Prüfung

Apenrade/Aabenraa
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Obwohl Marlene Reissingers Aufenthalt während ihres FSJ auf dem Knivsberg finanziell geregelt ist, musste die 18-Jährige nachweisen, dass ihr 10.000 Euro zur Verfügung stehen. Foto: privat

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Wenn deutsche Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene nach Nordschleswig kommen, um hier die deutsche Schule zu besuchen oder ein Freiwilliges Soziales Jahr auf dem Knivsberg zu machen, benötigen sie eine Aufenthaltsgenehmigung. Doch dabei kommt es immer wieder zu Problemen, die es nicht geben dürfte.

„Wir hatten alle Unterlagen dabei, und dann hat die Sachbearbeiterin gefragt, wie viel Geld wir pro Monat bekommen und angefangen zu rechnen. Dann sagte sie, wir müssen binnen 14 Tagen nachweisen, dass wir 7.200 Euro auf unserem Konto haben“, erzählt Marlene Reissinger dem „Nordschleswiger“.

Ich bin 18 Jahre alt, so viel Geld habe ich nicht.

Marlene Reissinger, FSJlerin

Reissinger macht ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der deutschen Bildungsstätte auf dem Knivsberg. Sie war von der Forderung überrumpelt, als sie und ihre neue FSJ-Kollegin Lara Behrens Anfang Oktober vergangenen Jahres nach Odense zu ihrem Termin bei der dänischen Ausländerbehörde SIRI (Styrelsen for International Rekrutierung og Integration) gefahren sind. „Ich bin 18 Jahre alt, so viel Geld habe ich nicht“, sagt sie. „Ich habe dann meinen Vater angerufen, der hat mir das Geld überwiesen, sodass ich den Nachweis nachreichen konnte.“ 

Beantragt jemand bei SIRI eine Aufenthaltsgenehmigung, muss diese Person üblicherweise nachweisen, dass sie sich selbst versorgen kann. 10.000 Euro (ca. 74.400 Kronen) sollte die FSJlerin also zur Verfügung haben. „Wir bekommen ein kleines monatliches Taschengeld. Das hat die Sachbearbeiterin von der Summe abgezogen, und es blieb eine große Differenz“, so Reissinger.

Nachweis hätte nicht verlangt werden dürfen

Elisabeth Simon, Projektmitarbeiterin auf dem Knivsberg, hatte die beiden FSJlerinnen zu dem Termin begleitet und war ebenfalls überrumpelt von der Forderung. „Für Kost und Logie der FSJlerinnen ist gesorgt.“ Trotzdem sollte der Nachweis erbracht werden.

Im Nachhinein fragte sie beim Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN) nach und erfuhr, dass sie zu Recht überrumpelt war: Der komplette Aufenthalt der Freiwilligen auf dem Knivsberg ist finanziell abgesichert, und der Nachweis hätte nicht verlangt werden dürfen.

Da es sich bei dieser Erfahrung um keinen Einzelfall handelt, ist Harro Hallmann, Leiter des Sekretariats der deutschen Minderheit in Kopenhagen und Kommunikationschef beim BDN, tätig geworden. „Nicht nur auf dem Knivsberg ist das vorgekommen. Wir haben inzwischen mehrere Beschwerden auch von deutschen Familien, die ihr Kind bei uns in der Nachschule oder auf dem Gymnasium haben“, sagt er dem „Nordschleswiger“.

Variierende Forderungen

Beim Deutschen Gymnasium für Nordschleswig (DGN) ist es die Schulsekretärin Karin Brodersen Yde, die sich um die SIRI-Angelegenheiten kümmert. Hier sind diejenigen Schülerinnen und Schüler betroffen, die im Internat wohnen. „Was wir hören ist, dass die Schülerinnen und Schüler immer wieder unterschiedliche Dokumente einreichen müssen“, erklärt Brodersen Yde. 

Das DGN gebe den Familien eine Liste mit den erforderlichen Nachweisen, die sie bei SIRI abgeben müssen. „Es kommt immer wieder vor, dass sich die Familien dann bei uns melden und sagen, sie benötigen noch weitere Dokumente, von denen sie nichts wussten.“ Welche, das sei völlig unterschiedlich. Ein jüngstes Beispiel sei ein Schüler, der eine Studienbescheinigung einreichen sollte. Das Problem ist aber: „Die Familien stellen die Anträge etwa einen Monat, bevor sie zu uns kommen. Dann sind Sommerferien und unsere Büros nicht besetzt.“ 

Man sei inzwischen dazu übergegangen, dass die Familien bei Problemen mit SIRI eine Vollmacht ausstellen und die Schule die Angelegenheit klärt. „Ich rufe dann dort an, frage, was sie noch haben möchten, und schicke es ihnen.“ 

Wären es immer dieselben Sachen, wäre das Problem laut Brodersen Yde geringer. Dann könnte die Schule das kommunizieren. „Aber mal wollen sie das eine, mal das andere.“ Dass die betroffenen Familien einen Nachweis über 10.000 Euro auf dem Konto vorlegen müssen, sei ihr am DGN noch nicht untergekommen. 

Mein Eindruck ist, dass das wahllos ist und die Erfahrung stark von den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern abhängt.

Karin Warm, Deutsche Nachschule Tingleff

Harscher Umgangston

Anders sieht es an der Deutschen Nachschule Tingleff aus, weiß Karin Warm vom Leitungsteam. „Ich selbst bin nicht die, die den Kontakt zu SIRI hat. Aber demzufolge, was die Eltern uns erzählen, kann ich bestätigen, dass es diese Probleme gibt.“ Nicht nur, dass die Eltern wegen der 10.000 Euro verunsichert seien. „Der Umgangston ist wohl teilweise sehr harsch“, bestätigt sie. 

„Mein Eindruck ist, dass das wahllos ist, und die Erfahrung stark von den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern abhängt“, lautet Warms Einschätzung. 

BDN spricht von Willkür und Missachtung von Bürgerrechten

Was auch immer der Grund für diese Erfahrung ist: „Das geht so nicht und muss sich bessern“, sagt Harro Hallmann. Er hat inzwischen die Initiative ergriffen und sich an den Bürgerbeauftragten im Folketing (Ombudsmand) gewandt. „Ich habe ein Schreiben eingereicht, in dem ich darum bitte, der Sache nachzugehen und eine Prüfung bei SIRI zu initiieren.“ Darin findet Hallmann klare Worte, spricht von „Willkür“ und „Missachtung der gesetzlichen Rechte der EU-Bürgerinnen und -Bürger“. Beschwerden zu konkreten, einzelnen Fällen listet Hallmann in dem Schreiben nicht auf.

Dass die Familien mit Forderungen abgeschreckt werden, die für sie nicht gelten, darf nicht vorkommen.

Harro Hallmann, BDN

„Das ist eine ernste Sache“, sagt Hallmann dem „Nordschleswiger“. Die Betroffenen würden durch solche behördlichen Missstände stark verunsichert. Die Mitarbeitenden bei SIRI müssten intern informiert sein, welche Regeln für wen gelten. Außerdem handele es sich bei den Minderheiten-Institutionen um keine kleine Ausnahme, sondern um lange bestehende Einrichtungen mit vielen Menschen. „Dass die Familien mit Forderungen abgeschreckt werden, die für sie nicht gelten, darf nicht vorkommen.“  

Das Büro des Bürgerbeauftragten hat inzwischen reagiert und dem „Nordschleswiger“ Einsicht in den Schriftverkehr zum Schreiben von Harro Hallmann gegeben. „Ich habe beschlossen, eine Kopie der Beschwerde an SIRI zu senden“, teilt der Bereichsleiter, Jacob Christian Gaardhøje, in seinem Schreiben mit. „Das Material wurde SIRI übermittelt, damit SIRI die Möglichkeit hat, in einem Schreiben an Harro Hallmann auf die von ihm in seiner Beschwerde an mich vorgebrachten Punkte zu antworten.“

So reagiert SIRI auf die Vorwürfe

Da es in den Anschuldigungen um eine allgemeine Misslage geht und keine konkreten Fälle genannt werden, über die man sich beschweren möchte, habe SIRI Schwierigkeiten, darauf konkret einzugehen, teilt Pressesprecherin Maria Djurhuus Petersen auf Nachfrage des „Nordschleswigers“ mit.

Da das Beispiel der FSJlerinnen in der Anfrage jedoch genannt wurde, kann Gjurhuus bestätigen: „Es ist nicht erforderlich, dass Schülerinnen und Schüler der deutschen Nachschule oder Freiwillige eine Bürgschaft von 10.000 Euro leisten.“ Jedoch könne man sich ohne Vollmacht nicht zu konkreten Fällen äußern.

„Wir können nicht leugnen, dass uns bei der Bearbeitung von Fällen Fehler unterlaufen können, und wir sind stets bemüht, einen guten Service zu bieten“, so Gjurhuus. Deshalb begrüße SIRI konkrete Beschwerden von Bewerbern und Bewerberinnen, „damit wir eventuelle Fehler untersuchen und korrigieren können.“

„Es tut uns natürlich leid, wenn jemand eine schlechte Erfahrung gemacht hat.“ Dies sei jedoch kein Bild, das sich verallgemeinern ließe.

Hoffnung auf Besserung

Mit anderen Worten: Ohne eine konkrete Dokumentation der Beschwerden können keine konkreten Untersuchungen vorgenommen werden. Harro Hallmann war sich dessen bewusst, als er das Schreiben verfasste. „Ich hoffe, dass wir als Vermittler mit diesem Brief trotzdem eine Besserung erreichen können.“ Denn er betont, dass die Zusammenarbeit mit SIRI im Großen und Ganzen gut sei. Trotzdem könne man die sich häufenden Einzelfälle nicht ignorieren. Hallmann hofft daher, dass das Anliegen der Minderheit dazu führe, dass an entsprechender Stelle nachjustiert und sensibilisiert werde. 

„Ich bin froh, dass Harro sich in dieser Sache an entsprechender Stelle so engagiert“, sagt Elisabeth Simon. „Durch sein Bemühen haben wir auch eine Bestätigung bekommen, dass das mit den 10.000 Euro falsch war, und man hat sich entschuldigt. Hoffentlich weiß SIRI das im Herbst noch, wenn ich neue FSJler oder FSJlerinnen anmelde.“

Im Fall von Marlene Reissinger ist die Sache gut ausgegangen, denn ihre Familie konnte den Nachweis bringen. Aber: „Es ist nicht in Ordnung, dass jungen Menschen Steine in den Weg gelegt werden. Noch dazu handelt es sich bei unseren Freiwilligen um Personen, die sich für die Gesellschaft engagieren. Da sollte man gern eine pragmatische Lösung finden können“, sagt Simon.

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