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„Når befrielsen kommer“: So nah an der Realität ist der dänische Film des Jahres
„Når befrielsen kommer“: So nah an der Realität ist der dänische Film des Jahres
„Når befrielsen kommer“: So nah an der Realität ist der Film
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Ein Film, in dem Hass gegenüber deutschen Geflüchteten und Nächstenliebe aufeinandertreffen. Eine dänische Familie, die in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs zwischen die Fronten der Besatzer und des eigenen Volkes gerät. Wie nah ist „Når befrielsen kommer“ an der Geschichte? Und ist es in Nordschleswig ähnlich gelaufen? „Der Nordschleswiger“ hat mit zwei Experten gesprochen.
Dass dieser Film etwas Besonderes ist, liegt bereits in der Zweisprachigkeit. Mit dänischen Untertiteln läuft der Film „Når befrielsen kommer“ (Die Befreiung) an diesem Nachmittag im Kinorama Sonderburg. Denn das dänische Drama spielt in Dänemark im Jahr 1945. Das Land ist seit fünf Jahren von der Wehrmacht besetzt. Kurz vor Ende des Krieges kommen zahlreiche deutsche Flüchtlinge aus den Ostgebieten in Dänemark an.
Der Film zeigt das Leben der dänischen Schulleiterfamilie Jacob (Pilou Asbæk) und Lis (Katrine Greis-Rosenthal) und ihres Sohnes Søren (Lasse Peter Larsen) in einem kleinen Ort auf Fünen. Die Familie soll mit kurzer Vorwarnung mehr als 500 zivile deutsche Flüchtlinge in der Ryslinge Højskole aufnehmen. Doch das ist ein Problem. Denn wenn sie den Flüchtlingen helfen, stellen sie sich gegen die allgemeine Stimmung des dänischen Volkes und der Widerstandsbewegung. Die deutschen Flüchtlinge waren unerwünscht. Es droht die Gefahr, als Kollaborateure abgestempelt zu werden und zu riskieren, alles zu verlieren.
Dilemma in den letzten Zügen des Krieges
Doch helfen Jacob und Lis nicht, werden wahrscheinlich viele Deutsche sterben. Denn die Wehrmacht hat nicht die Absicht, medizinische Hilfe zu leisten und überlässt es der dänischen Familie, sich um die vielen Flüchtlinge zu kümmern. Mitten in diesem Dilemma finden Lis und Jacob heraus, dass Søren begonnen hat, der Widerstandsbewegung zu helfen, was die Situation noch weiter verschärft.
Der Film zeichnet eine berührende Geschichte über Mut und Nächstenliebe, basiert allerdings auf wahren Begebenheiten. Er wurde von Anders Walter geschrieben und inszeniert, der 2014 einen Oscar für seinen Kurzfilm „Helium“ erhielt. Der Film ist hochkarätig besetzt. In weiteren Hauptrollen sind Ulrich Thomsen, Morten Hee Andersen und Jens Jørn Spottag zu sehen.
Wie nah an der Geschichte ist der Film?
Doch wie realistisch ist die Geschichte erzählt? Und kann man die Geschehnisse mit denen in Nordschleswig vergleichen? „Es ist ein guter Film“, sagt John Jensen, Museumsinspektor der Varde-Museen und Kurator des Museums „Flugt“ in Oksbøl, im Gespräch mit dem „Nordschleswiger“. Er beschäftigt sich beruflich viel mit der Fluchtbewegung zum Ende des Zweiten Weltkriegs. „Ich habe das Manuskript im Vorfeld mehrfach gelesen, damit die gröbsten historischen Fehler vermieden werden können“, so Jensen.
„Die verschiedenen Charaktere betrachten die Geschichte aus mehreren Winkeln, und man stellt sich die Frage: Wer hat da eigentlich recht? Man kann sich in die verschiedenen Seiten hineinversetzen, auch in die Widerstandskämpfer“, sagt Jensen. Die Ankunft der Flüchtlinge sei damals oft als „zweite Besatzung“ betitelt worden.
Der Film fokussiere natürlich auf wichtige Szenen, weil die eigentliche Historie in Wirklichkeit sehr kompliziert sei, so Jensen. „Es ist daher nicht so leicht, Schwerpunkte zu setzen.“ Hinzu komme, dass so ein Film natürlich auch ein wenig Drama brauche. „Sonst ist die Geschichte vielleicht zu langweilig.“ Daher sei der Fokus auch viel auf die persönliche Geschichte der einzelnen Personen gelegt worden.
Das sieht auch Jon Thulstrup ähnlich. Der Forschungsleiter der deutschen Minderheit sagt am Telefon: „Natürlich ist es ein Film, aber er öffnet ein dunkles Kapitel dänischer Geschichte für die breite Masse.“ Es sei eine spezielle Geschichte, über die nicht gerne gesprochen wurde.
Geflüchtete in Nordschleswig
Die Situation auf Fünen am Ende des Krieges sei vergleichbar mit der im restlichen Dänemark, sagt John Jensen. „Geflüchtete wurden in Schulen, Versammlungshäusern oder ähnlichen Gebäuden untergebracht. In Nordschleswig hingegen kamen viele Menschen privat unter. Das fanden einige gut, andere nicht.“
Insgesamt 7.000 Menschen (250.000 insgesamt in DK) bekamen privat eine Unterkunft. „Tondern spielte bei der Unterbringung eine zentrale Rolle. Schriftwechsel zeigen, dass die Minderheit hier stark involviert war in der Unterbringung von Geflüchteten im näheren Umkreis. Entsprechend sind auch Dankesbriefe im Lokalarchiv Tondern gespeichert“, sagt Jensen. Er empfiehlt einen Besuch im Museum „Flugt“, um die ganze Geschichte zu verstehen.
„Auch damals wurde noch viel Propaganda betrieben. Die Flüchtlinge wurden als Volksopfer dargestellt, die alles zurückgelassen haben. Man sollte ihnen helfen“, sagt Thulstrup. Die deutschen Besatzer zahlten etwa 3 Kronen pro Tag, wenn Menschen aus der Minderheit Geflüchtete aufnehmen. „Das waren unter anderem ja auch Bauern, die dann gut mit anpacken konnten.“
Rechtsabrechnung traf Minderheit
Nach der Befreiung habe sich das Blatt dann gewendet, so Thulstrup. „Weil Tausende Männer aus der Minderheit im Zuge der Rechtsabrechnung interniert wurden, blieben die Frauen mit Kindern und Flüchtlingen oftmals allein zurück. Das war eine besondere Belastung.“ Fast jede Familie in der Minderheit war betroffen, weiß der Historiker.
Nach Kriegsende im Sommer 1945 wurden die Heimatvertriebenen dann größtenteils im Lager Oksbøl untergebracht, das bis 1949 bestand. 35.000 Menschen lebten zeitweise nahe der Nordsee in den Baracken. Heute zeigt hier das Fluchtmuseum die Geschichte.
Allein in der ersten Hälfte des Jahres 1945 starben 6.540 deutsche Kinder auf dänischem Boden, wo man nach vielen Jahren des aufgestauten Deutschenhasses wenig Lust hatte, dem Feind zu helfen.
Publikum muss Film beurteilen
Beurteilen möchte Jensen den Film nicht. „Das muss am Ende das Publikum tun. Ich finde, es ist ein Film, den man gemütlich an einem Abend gucken kann, der aber auch ernst ist. Er zeigt viele menschliche Dilemmas.“
„Ich weiß nicht, wie ich damals reagiert hätte“, sagt Jon Thulstrup. Die Deutschen waren durch die Besetzung verhasst, und so habe man sich auch die Frage gestellt, was nun mit den Flüchtlingen passieren soll. „Dass bei einigen Rachegelüste aufgekommen sind, das ist aus heutiger Sicht nicht überraschend.“ Es sei ein schwarzer Fleck der Geschichte.
Gerade die Nachkriegszeit sei daher nicht einfach gewesen. „Es war ein langer Weg, als deutsche Minderheit von der Mehrheitsgesellschaft wieder akzeptiert zu werden“, so Thulstrup. Der Leitspruch, vom Gegeneinander, zum Miteinander und Füreinander gekommen zu sein, sei hier sehr passend für die Geschichte.