Leitartikel

„Wie das pflanzliche Steak Nordschleswig zugutekommen kann“

Wie das pflanzliche Steak Nordschleswig zugutekommen kann

Wie das pflanzliche Steak Nordschleswig zugutekommen kann

Apenrade/Aabenraa
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Geld regiert die Welt – und wer mitregieren will, der sollte sein Geld in pflanzliche Alternativen zu Fleisch und Milch investieren. Das sagt eine der größten Unternehmensberatungen der Welt. Für Nordschleswig und seine Landwirtinnen und Landwirte könnte ordentlich etwas abfallen, meint Cornelius von Tiedemann.

Diese Woche gab es 35 Grad in Nordschleswig, 40 Grad in Hamburg und über 40 Grad in England. Den Beweis für die menschengemachte Erderwärmung hätte es nicht gebraucht. Doch vielleicht hilft er auch jenen, die weiter so tun wollen, als wäre nichts, endlich einzusehen, dass wir einiges ändern sollten, wenn wir unsere Landwirtschaft nicht bald auf Kamelzucht und Kaktusblüten-Ernte umstellen wollen.

Dabei soll es nicht darum gehen, unseren Lebensstandard zu verringern oder mit Gesetzen und Verordnungen zum Beispiel die Landwirtschaft zu gängeln.

Es geht darum, unseren Lebensstandard zu sichern und die Zukunft der Landwirtschaft auf stabile und ja, grüne Beine zu stellen. Und dafür müssen sich eben einige Dinge ändern.

Zeiten der Veränderung sind immer hart. Zumal wenn sich nicht alle gleichermaßen angesprochen fühlen und mitgenommen werden.

Dänemarks Landwirtinnen und Landwirte, die hier, ab vom sogenannten Schuss, leben und arbeiten, tragen anteilig bereits zu einem weltweit unerreicht hohen Öko-Konsum pro Kopf bei. Und viele weitere planen den Umstieg. Doch auch der Verbrauch an konventionell gefertigtem Fleisch aus Massentierhaltung nimmt zu – und die Bilanz wird nur größer, wenn wir die massiven Exportzahlen einberechnen.

Besser, wir produzieren das Fleisch für den Rest der Welt, als wenn andere mit niedrigeren Tierwohl-, Qualitäts- und Umweltstandards es täten, heißt es dann oft. Und da ist natürlich etwas dran.

Doch jetzt kommt von einer Seite, von der man es vielleicht am wenigsten erwartet hätte, ein ziemlich großer Hoffnungsschimmer für Landwirtschaft und Klimaschutz zugleich: Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG), eine der drei größten der Welt, die für wachstums- und renditeorientierte Wirtschaftsstrategien steht, sieht in pflanzlichen Proteinen die Zukunft. Nicht die Zukunft im Bereich Öko-Landwirtschaft. Sondern die Zukunft überhaupt.

Die BCG mit ihren weltweit rund 21.000 Mitarbeitenden, die auch die Waffenindustrie beraten und nicht gerade im Verruf stehen, Ökos zu sein, hat nüchtern auf die Zahlen der eigenen Kundschaft, auf Handelsbilanzen und -prognosen sowie Umfragen geblickt.

Ergebnis: Die Menschen wollen Alternativen zum Fleisch, und sie wollen etwas fürs Klima tun, auch durch ihre Ernährung.

Die Nahrungsmittelproduktion steht weltweit für 26 Prozent der Treibgas-Emissionen. An 15 Prozent der weltweiten Emissionen ist allein die Tierhaltung und -verarbeitung schuld. Das entspricht ungefähr dem gesamten weltweiten Transportsektor inklusive Flugzeuge, Schiffe und Autos!

Der Markt für einen Umschwung ist bereitet: Investitionen in alternative Proteine haben sich in den vergangenen beiden Jahren weltweit verfünffacht. Derzeit machen Fleisch-, Ei- und Milchalternativen 2 Prozent des weltweiten Marktes aus – 2035 sollen es mindestens 11 Prozent, bei rechtzeitiger Vorsorge sogar 22 Prozent sein. Allein bei den 11 Prozent würden die Emissionen weltweit so weit zurückgehen, dass der gesamte Flugverkehr dadurch aufgewogen würde!

Wer heute in pflanzliche Proteine investiert, verbessert den Klima-Fußabdruck der Menschheit wie in keinem anderen Bereich, mehr als zehnmal mehr als bei Investitionen in alternative Auto-Antriebe zum Beispiel.

Die Fleisch- und Milchproduktion heute verbraucht 83 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen weltweit, versorgt uns aber nur mit 18 Prozent unserer Kalorien und sorgt für massive Emissionen.

Der Umstieg auf pflanzliche oder alternativ erzeugte Produkte ist nicht nur ethisch angesagt – er ist auch für den Kampf gegen die Folgen des Klimawandels und die Zukunft der Landwirtschaft in Nordschleswig von zentraler Bedeutung.

Besonders für mittelgroße, oft nebenberuflich betriebene Landwirtschaften ist es derweil eine Herausforderung, umzusteigen. Zum Glück gibt es, unter anderem beim Landwirtschaftlichen Hauptverband für Nordschleswig oder beim Innovationscenter for Økologisk Landbrug, zahlreiche Hilfsangebote, wie es gelingen kann.

Und wenn die Antwort ist, Land oder Stallungen abzugeben und eine kleine Öko-Produktion für den regionalen Markt aufzuziehen – auch das kann Zukunft haben. Denn, anders als oft behauptet wird, kann die Öko-Landwirtschaft die Menschheit durchaus ernähren. Zumal dann, wenn sie zunehmend auf Fleisch und somit die auf die flächenintensive Futtermittelproduktion verzichtet.

Dänemark als außergewöhnlich innovatives Land mit einer hoch technologisierten Landwirtschaft ist prädestiniert dafür, sich an die Spitze dieser Entwicklung zu setzen.

Hier kann es gelingen, fleischarme Ernährung auch den Menschen, denen Fleisch- und Milchalternativen heute noch zu teuer oder nicht lecker genug sind, schmackhaft zu machen.  

Ja, es geht dabei ums Klima, um unser aller Gesundheit – vor allem jedoch um die Landwirtschaft und um sehr, sehr viel Geld und Beschäftigung, die auf Regionen wie Nordschleswig warten.

 

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