Bildung

Überwachungssystem: „Schüler haben kein Mitspracherecht“

Überwachungssystem: „Schüler haben kein Mitspracherecht“

Überwachungssystem: „Schüler haben kein Mitspracherecht“

Jon Thulstrup und Cornelius von Tiedemann
Kopenhagen/Apenrade
Zuletzt aktualisiert um:
Foto: Sara Gangsted/Ritzau Scanpix

In Zukunft müssen Schüler an den Gymnasien in Dänemark vor Prüfungen eine spezielle Überwachungssoftware installieren. Schüler – auch in Nordschleswig – äußern Bedenken. Das Unterrichtsministerium hat reagiert – und löst damit erneut Unmut aus.

Ein neues Überwachungssystem soll bei den kommenden Prüfungen im Sommer dafür sorgen, dass Gymnasiasten nicht schummeln. Jeder Schüler muss diese Software auf seinem Computer installiert haben. Doch viele Schüler haben Bedenken gegenüber dem neuen System geäußert.

Grundlegend überwacht das System, das den Namen Den Digitale Prøvevagt (DDP) trägt, welche Internetseiten besucht und welche Tasten gedrückt werden. Zudem macht DDP laufend Bildschirmfotos der Schüler-Computer. Ein Vorgehen, das bei den Schülern nicht gut ankommt – auch weil das Ministerium Systemfehler einräumte, die nun behoben wurden.

„Die beiden Schulsprecher und ich haben unsere Bedenken zum neuen Überwachungssystem geäußert“, erklärt die Schülerin des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig in Apenrade (DGN), Sofie Knauer. Insbesondere im Bereich der Datensicherheit machen sich die Gymnasiasten Sorgen. „Wir loggen uns ja mit unserer Nem-ID ein. Das macht das System anfällig für Hackerangriffe“, so Knauer. Ein Problem sei auch das Speichern von Screenshots (Bildschirmfotos). „Viele Schüler haben persönliche Fotos als Hintergrundbild auf ihrem Desktop. Die werden auch von der Überwachungssoftware erfasst“, erklärt sie.

Moralisch falsch

Auch moralisch sei es falsch, DDP einzuführen. „Das ist eine Art der Massenüberwachung. Das ist meiner Meinung nach grundsätzlich falsch in einem Rechtsstaat wie Dänemark“, so Knauer und ergänzt: „Hinzu kommt, dass wir keine Chance hatten, Nein zu sagen.“ Schüler, die die Software nicht herunterladen wollen, werden nicht zur Prüfung zugelassen. Sie bekämen demnach die schlechteste Prüfungsnote. „Das ist moralisch nicht in Ordnung. Und wir fragen uns natürlich, ob das alles so legal ist. Wir hatten bezüglich des Überwachungssystems kein Mitspracherecht und wurden nicht gefragt“, so die engagierte DGN-Schülerin.

Das Vertrauen spiele ihr zufolge eine große Rolle. „Im Grunde genommen werden alle Schüler verdächtigt – obwohl im vergangenen Jahr lediglich 229 Betrugsfälle dänemarkweit nachgewiesen wurden“, so Knauer. Auf die Frage, ob die Schüler Vorschläge zu einer anderen Prüfungsüberwachung hätten, antwortet sie: „Man könnte beispielsweise das Internet einfach abschalten oder bestimmte Seiten blockieren. Derzeit sitzt bei Prüfungen immer ein Lehrer hinter den Schülern. Man könnte eine zusätzliche digitale Aufsicht  anfordern.“

Die DGN-Schüler haben am Dienstag eine Einführung in das neue System bekommen.

Ministerium reagiert – Schulleiter ist verärgert

Am Donnerstag soll das System bei der landesweiten Probe-Prüfung „generalprøve“ dann erstmals getestet werden. Doch nicht einmal 24 Stunden vor den Prüfungen schickt das Unterrichtsministerium am Mittwochnachmittag eine Mail an die Schulleitungen und Prüfungsverantwortlichen. Ja, das System werde am Donnerstag erprobt und das Unterrichtsministerium stehe für die Sicherheit des Systems ein, heißt es darin. Doch weiter heißt es: „Formal gesehen ist es keine Pflicht, dass die Schüler Den Digitale Prøvevagt vor den Sommerprüfungen 2019 aktivieren.“ Es bestehe die Möglichkeit, dass die Prüfungsverantwortlichen Schülern, die ansonsten nicht an der Prüfung teilnehmen wollen, genehmigen, das System nicht zu aktivieren.

Für Schulleiter Jens Mittag vom Deutschen Gymnasium für Nordschleswig (DGN) in Apenrade ist dieser kurzfristige Sinneswandel ein Unding: „Ich finde es nicht konsequent und nicht richtig vom Unterrichtsministerium“, sagt er auf Nachfrage des „Nordschleswigers“. Wenn das Ministerium schreibt, dass es für die Sicherheit des Systems einstehen kann, sei es „nicht durchdacht“, nun dieses Schreiben herauszugeben. Für Mittag ist dies „schlecht für die Schulen, weil wir jetzt die Diskussion haben“.

Datenschützer treten in Aktion, Schüler drohten mit Boykott

Tausende Schüler hatten zuvor im Laufe des Mittwochs in sozialen Netzwerken angekündigt, das System boykottieren zu wollen. Wie die Tageszeitung „Ekstra Bladet“ berichtet, trat am Mittwoch auch die Datenschutzbehörde auf den Plan. Sie hat dem Ministerium dem Bericht zufolge eine Reihe von Fragen zu dem System zukommen lassen, um zu klären, ob dieses die Datenschutzrichtlinien einhält und überhaupt auf einer gesetzlichen Grundlage beruht.

Anmerkung: Der Artikel wurde um 17:47 um die untersten drei Absätze ergänzt.

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