Umweltschutz

Grundwasserschutz: Der lange Weg von Kopenhagen bis in den dänischen Boden

Der lange Weg zum Grundwasserschutz

Der lange Weg zum Grundwasserschutz

Kopenhagen/Nordschleswig
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In Dänemark soll das Trinkwasser über freiwillige Vereinbarungen geschützt werden. Der dänische Naturschutzverein sieht das Vorhaben als gescheitert an, die Kommunen in Nordschleswig nicht. Foto: Liselotte Sabroe/Ritzau Scanpix

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Anfang 2019 war sich das Parlament einig: Die Flächen in der Nähe von Grundwasserbohrungen sollen geschützt werden, damit keine Pestizide ins Trinkwasser gelangen. Der dänische Naturschutzverein hat nachgeschaut und spricht von einer gescheiterten Vereinbarung. Die Kommunen in Nordschleswig sehen das anders.

Der dänische Naturschutzverein, Danmarks Naturfredningsforening, übt starke Kritik an dem Vorhaben, Flächen in der Nähe von Grundwasserbohrungen über eine freiwillige Vereinbarung zu schützen. Der Versuch sei fehlgeschlagen, so der Verein. Die Präsidentin des Naturschutzvereins, Maria Reumert Gjerding, spricht von Bankrott. In der Kritik stehen auch die Kommunen. Doch so einfach sei die Sache nicht, meint Poul Erik Kjær (Venstre), Vorsitzender des Technik- und Umweltausschusses der Kommune Tondern, im Gespräch mit dem „Nordschleswiger“ und die Kommune Sonderburg weist, unter anderem, auf eine anfangs fehlende Gesetzesgrundlage hin.

Rückblick: Eine breite politische Mehrheit im dänischen Folketing hatte im Januar 2019 eine Vereinbarung getroffen, Schutzzonen in der Nähe von Trinkwasserbohrungen (boringsnære beskyttelsesområder, BNBO) zu errichten. Der damalige Umweltminister Jakob Ellemann-Jensen (Venstre) lobte damals laut „Danmarks Radio“ die Vereinbarung, die das Trinkwasser der Bevölkerung schützen sollte.

 

Keine Pestizide mehr in Trinkwasserschutzzonen

In den Schutzzonen sollen Landwirte keine Pestizide mehr verwenden, um das Trinkwasser vor Verunreinigungen zu schützen. Auf die Gefahr einer Verunreinigung hatte 2018 der Verband der dänischen Wasserwerke Danva hingewiesen. Das Fehlen eines Pestizidverbots in der Nähe von Trinkwasserbohrungen sei ein großes Problem, so Claus Vangsgård von Danva damals. Dänemark riskiere Verhältnisse wie in Südeuropa, wo Menschen ihr Trinkwasser nicht mehr nutzen wollten, sagte er.

Nachdem die Vereinbarung im Folketing getroffen worden war, sollten sich die Kommunen innerhalb von drei Jahren, also bis Ende 2022, ihre Trinkwasserbohrungen anschauen und gegebenenfalls Flächen von den Landwirten aufkaufen oder ein Pestizidverbot erlassen. Die Landwirte müssen entschädigt werden, entweder für das Land beim Verkauf oder weil ihre Flächen ohne Pestizide weniger produktiv sind. Die Kosten sollten die Verbraucherinnen und Verbraucher tragen, die Trinkwasser beziehen.

 

Der Einsatz von Pestiziden soll in Trinkwasserschutzzonen auf Grundlage freiwilliger Vereinbarungen eingestellt werden (Symbolfoto). Foto: Claus Bonnerup/Ritzau Scanpix

Gift im Wasser

In die Öffentlichkeit gelangte das Thema dann wieder im Jahr 2021, als die Zeitung „Jyllands-Posten“ unter Berufung auf das dänische geologische Amt (GEUS) berichtete, dass in mehr als der Hälfte der Trinkwasserbohrungen Dänemarks Pestizide und deren Abbauprodukte gefunden worden waren, wobei in einigen, nicht in allen Fällen, der festgelegte Grenzwert überschritten wurde.

2021 mahnte die damalige Umweltministerin Lea Wermelin (Soz.), die Kommunen setzten die Vereinbarung zu langsam um.

Nun hat sich der dänische Naturschutzverein den BNBO-Status in der Zeit des Jahreswechsels 2022/23 in den Kommunen angeschaut und hat Daten hierzu von Danmarks Arealinformation genutzt. Der Verein kommt zu dem Schluss, dass die Kommunen Dänemarks nur 6,6 Prozent der schützenswerten Flächen, Stand Neujahr, wirklich schützen.

BNBO in Nordschleswig

Für Nordschleswig ergibt sich nach der Darstellung des dänischen Naturschutzvereins folgendes Bild:

  • Die Kommune Apenrade sollte sich 51 BNBO anschauen, 21 davon, meinte die Kommune, sollten geschützt werden. Bis Ende 2022 gab es keine registrierte Vereinbarungen, vier wurden angeboten.
  • Die Kommune Tondern sollte sich 65 BNBO anschauen, 37 davon, meinte die Kommune, sollten geschützt werden. Bis Ende 2022 gab es keine registrierte Vereinbarungen, fünf wurden angeboten.
  • Die Kommune Sonderburg sollte sich 73 BNBO anschauen, 46 davon, meinte die Kommune, sollten geschützt werden. Bis Ende 2022 gab es elf registrierte Vereinbarungen, zwölf wurden angeboten.
  • Die Kommune Hadersleben sollte sich 61 BNBO anschauen, 35 davon, meinte die Kommune, sollten geschützt werden. Bis Ende 2022 gab es eine registrierte Vereinbarung, fünf wurden angeboten.

Der „Nordschleswiger“ hat alle vier Kommunen Nordschleswigs um eine Stellungnahme gebeten.

Tondern: Große Aufgabe

Poul Erik Kjær (Venstre) unterstreicht die Größe der Aufgabe und meint, die Kommune Tondern habe sehr wohl Absprachen getroffen, vier bis fünf, so Kjær.

Die Absprachen würde nicht die Kommune treffen, sondern die Wasserwerke. Dies betonen auch die Kommunen Apenrade und Sonderburg.

Die Kommune, so Kjær weiter, schätze ein, um welche Bohrungen sich gekümmert werden müsse. „In den Wasserwerken arbeiten nur wenige und das meist ehrenamtlich, die müssen raus und mit den Landwirten die Vereinbarungen treffen. Es ist alles ganz und gar nicht so leicht“, sagt er.  Das brauche seine Zeit und der von der Landespolitik angepeilte Zeitrahmen sei kurz gewesen.

 

Die Schutzzonen sind eher kreisförmig. Landwirte arbeiten aber nicht kreisförmig, sie bearbeiten ihre Flächen in Vierecken.

Poul Erik Kjær, Venstre, Vorsitzender des Umweltausschusses, Kommune Tondern

Spritzen weiterhin auf privatem Grund erlaubt

Und er macht darauf aufmerksam, dass ein Großteil der BNBO auf privat genutztem Gebiet liege (134 Hektar), nicht auf gewerblichen – also von der Landwirtschaft genutzten – Flächen (60 Hektar). Seinen Worten nach ist auf den privaten Flächen der Einsatz von frei im Handel erhältlichen Pestiziden weiterhin erlaubt.

Und noch eines: „Die Schutzzonen sind eher kreisförmig. Landwirte arbeiten aber nicht kreisförmig, sie bearbeiten ihre Flächen in Vierecken.“, so Kjær. Das beeinflusse auch die Verhandlungen. Trotz der Hindernisse: „Wir sind auf einem guten Weg“, sagt er.

Letzteres sagt auch die Kommune Apenrade auch und sieht die BNBO als eine gute Idee an. Die Umweltabteilung der Kommune verweist ebenfalls auf die Wasserversorgungsunternehmen und auf deren meist ehrenamtliche Mitarbeitende.

„Vor diesem Hintergrund bewerten wir es als positiv, dass zwischen den Wasserverbänden und den Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern ein Dialog über alle 14 Standorte geführt wurde, an denen freiwillige Vereinbarungen getroffen werden sollen, und dass an vier dieser Standorte freiwillige Vereinbarungen angeboten wurden. Die Kommune blickt daher zuversichtlich in die Zukunft“, heißt es vonseiten der Kommune.

Laut Kommune weist die Umweltbehörde die BNBO aus. Dabei erhalten alle aktiven Trinkwasserbohrungen der Wasserwerke, die zehn oder mehr Haushalte versorgen, BNBO. Aufgabe der Kommunen ist es, eine Risikoeinschätzung zu geben, bei welchen BNBO ein Schutzbedarf besteht.

 

Carsten Leth Schmidt, Schleswigsche Partei, Vorsitzender des Technik- und Klimaausschusses, Kommune Hadersleben Foto: Ute Levisen

Carsten Leth Schmidt optimistisch

In Hadersleben beschäftigt sich Carsten Leth Schmidt, Schleswigsche Partei, als Vorsitzender des Technik- und Klimaausschusses mit dem Thema Grundwasserschutz. „Wir sind in der Sache nicht sehr weit“, bestätigt er, ist aber sehr optimistisch, dass in den kommenden Monaten einige freiwillige Vereinbarungen getroffen werden können – von den Wasserwerken. Von diesen gibt es seiner Aussage nach einige in der Kommune, kleinere, die nur wenige Haushalte versorgen, und größere, die sich zusammengeschlossen haben. „Die Vereinbarungen mit den Landwirten kosten Geld, und die Wasserwerke müssen es in die Hand nehmen. Es sei Aufgabe der Politik, mit den Wasserwerken darüber zu sprechen und dies habe man getan, so Leth Schmidt. Gerade seien zwei neue Vereinbarungen durch den Ausschuss gegangen, und so hofft er, dass sich der Stau nun auflöst.

Sonderburg: Verordnung spät, Schutzzonen zu klein

In Sonderburg führt man unter anderem folgendes Argument für die Verzögerungen an: Es habe Unsicherheit darüber bestanden, ob nach dem Jahreswechsel (und Ende der Frist 2022) ein Gesetz kommen würde.

Angedeutet wurde dies von der damaligen Ministerin Lea Wermelin (Soz.) im Herbst 2021, die im Falle eines Scheiterns ein Pestizidverbot in Aussicht stellte.

Zudem habe es eine entsprechende Gesetzesgrundlage (Verordnung/bekendtgørelse) erst im Dezember 2019 gegeben, merkt die Kommune Sonderburg an. Zur Erinnerung: Im Januar 2019 war man sich im Folketing einig geworden. Die Rechtsgrundlage für die Kommunen war dann, folgt man der Argumentation der Kommune, knapp ein Jahr später fertig.

Und: Die Kommune Sonderburg musste ein Gerichtsurteil abwarten, in dem es um eine Trinkwasser-Schutzzone in der Kommune ging. Das Urteil kam im Juli 2022. Vorher sei es schwer gewesen, Vereinbarungen zu treffen, da Unsicherheit bestanden habe. Zudem habe die Umweltbehörde eine neue Grundwasserkarte erstellt und dann auch neue BNBO berechnet, die die Kommune dann im April 2022 erhalten habe. Immerhin habe man von 43 zu treffenden Vereinbarungen zehn unter Dach und Fach bringen können, so die Kommune.

Generelle Kritik lässt sich aus der Antwort der Kommune auch entnehmen, der ansonsten nach eigenen Worten daran gelegen ist, das Grundwasser zu schützen. Die BNBO-Aufgabe habe viel Arbeit bereitet, ohne dass es nach Ansicht der Kommune zu bedeutend mehr Grundwasserschutz gekommen sei, weil die BNBO recht klein seien.

 

Quellen: Ritzau, Danmarks Radio, Danmarks Naturfredningsforening

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