Minderheiten

Identität mit oder ohne Bindestrich

Identität mit oder ohne Bindestrich

Identität mit oder ohne Bindestrich

Kopenhagen/Grenzland
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Frigga Loeck sieht heute ihre Identität als jemand, der aus der dänischen Minderheit kommt. Foto: Walter Turnowsky

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Deutsch-Dänisch, nur Dänisch oder nur Deutsch? Südschleswiger? Nordschleswiger? Sønderjyde? Letztlich kann die Frage nach der Identität jeder nur für sich beantworten. Doch der Blick des Umfeldes spielt dabei eine große Rolle, zeigte eine Konferenz.

Die 24-jährige Frigga Loeck hat sich die Frage nach der eigenen Identität im Laufe ihrer Jugend wiederholt gestellt. Die Behauptung, sie sei Deutsch, hat sie früher als Beschimpfung empfunden. Das berichtete sie bei einer Konferenz der Grænseforeningen auf Christiansborg am Mittwoch.

Die meisten, die in der deutschen Minderheit aufgewachsen sind, kennen vermutlich das Gefühl: Man ist Deutsch oder auch Dänisch, aber man ist auch noch etwas mehr als das. Ein Gefühl, das häufig zu inneren Konflikten führen kann, wie auch Loeck berichtete.

Deutsch zu Hause  –  Dänisch mit Freunden

Sie ist in Flensburg geboren, und in ihrem Elternhaus wurde Deutsch gesprochen. In der Gartenstadt im Stadtteil Weiche spielte sie mit den Nachbarkindern. Ein paar Kinder aus der dänischen Minderheit waren auch dabei.

Die Eltern entschlossen sich, sie in die dänischen Institutionen zu schicken, weil ihr Vater aus der dänischen Minderheit stammt. Das Mädchen nutzte dann auch die dänischen Freizeitangebote, und allmählich spielte sie in der Gartenstadt immer häufiger nur mit den beiden dänischen Kindern und seltener mit den acht deutschen.

„Es war das Natürlichste, mit jenen zu spielen, mit denen ich auch in die Schule und zum Sport ging“, berichtete sie. Und so wurde weiterhin zu Hause deutsch gesprochen, außerhalb des Hauses war ihr Umfeld weitgehend dänisch. Dabei habe sie sich nicht als „anders“ empfunden.

Die „Fake-Dänin“

Dass ihre Identitätsbildung dennoch nicht konfliktfrei verlaufen ist und verläuft, schilderte sie anhand einer Anekdote. Sie war mit einer Gruppe Dänen während eines Auslandsaufenthalts in München in einem Biergarten. Einer in der Gruppe stellte die Einzelnen vor: Er kommt aus Odense, sie aus Kopenhagen, und das ist Frigga, die Fake-Dänin. Da er dies, jedes Mal, wenn Neue zur Gruppe stießen, wiederholte, wurde die junge Frau sauer.

„Ich sagte ihm in deutlichen Worten, er solle damit aufhören. Abschließend entschuldigte ich mich bei ihm, denn mir wurde klar, dass der Konflikt sich in erster Linie in meinem Inneren abspielte“, schildert sie ihre Erkenntnis. Heute beschreibt sie sich als jemand, der aus der dänischen Minderheit stammt. Wohnen tut sie in Kopenhagen.

Masken

Für die aus China stammende Evelyn Farlov dürften die inneren Konflikte mindestens ebenso schwierig gewesen sein. Sie beschreibt, sie habe zu Hause bei der alleinerziehenden Mutter eine chinesische Maske getragen, außerhalb der vier Wände eine dänische. Zur Schule nahm sie Schwarzbrotstullen statt dem chinesischen Essen der Mutter mit, obwohl sie diese kaum hinunterbrachte. Sie wurde nicht wegen des chinesischen Essens gemobbt, aber es ging ihr darum, „wie die anderen“ zu sein. In ihrer eigenen Wohnung mischt sie heute beim Kochen fröhlich chinesische und dänische Zutaten.

Die Psychologin Iram Khawaja schilderte, was sich bei der Identitätsbildung im Inneren von Menschen aus Minoritäten abspielt. Dabei spiele auch der Blick der Umgebung auf einen eine große Rolle.

„Dieser Prozess kann durchaus erschöpfend oder sogar schmerzvoll sein“, führte sie aus. Doch sieht sie auch, dass der Begriff der nationalen Zugehörigkeit allmählich weiter gefasst wird. In der Forschung spreche man mittlerweile von multiplen Zugehörigkeiten (multiple belongings).

Die Konferenz war gut besucht. Foto: Grænseforeningen

Debatte über den Bindestrich

Die Grundlage der Konferenz bildet das Buch „Danskerne findes i mange modeller  –  portrætter af 15 unge med bindestregsidentitet“, das die Grænseforeningen im Mai herausgegeben hat. In dem Buch werden Jugendliche aus dem deutsch-dänischen Grenzland vorgestellt.

Dass die Frage der Identitätsbildung nicht ausschließlich eine individuelle ist, belegt eine Diskussion innerhalb der dänischen Minderheit. Der Generalsekretär der Südschleswigschen Vereinigung (Sydslesvigsk Forening, SSF), Jens A. Christiansen, lehnt den Begriff der Bindestrichidentität für die Minderheit entschieden ab.

„Zum Beispiel stellt der Bindestrich Deutsch und Dänisch gleich  –  und umgekehrt. Die dänische Minderheit ist qua ihres innersten Wesens sowie ihrer Verbände und Institutionen nicht ein dänisch-deutsch zusammengesetztes Wesen, sondern eine dänische Volksgruppe, historisch in ihrer Heimat verankert, die heute in Deutschland liegt“, sagte er beim „Sendemandsmøde“ der Grænseforening am 4. September.

Andere widersprechen ihm.

„Ich liebe meinen Bindestrich! Er ist ein Teil von mir. Er flicht meine dänische und meine deutsche Identität zusammen. Keiner der Teile kann entfernt werden. Und das ist gut so“, schreibt Aleana Strelow in einem Kommentar auf Facebook. Ihre Familie gehört seit drei Generationen der dänischen Minderheit an.

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