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Alte Munition in der dänischen Ostsee: Keine schnelle Lösung in Sicht

Alte Munition in der dänischen Ostsee: Keine schnelle Lösung in Sicht

Alte Munition in der dänischen Ostsee: Keine schnelle Lösung

Kopenhagen/Kiel/Berlin
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Auch in dänischen Gewässern liegen oder lagen deutsche Hinterlassenschaften aus dem Zweiten Weltkrieg, wie hier in der Kalø Vig bei Aarhus. Foto: Emil Ryge Christoffersen/Jyllands-Posten/Ritzau Scanpix

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Während die Politik auf deutscher Seite bestrebt ist, alte Munition auf dem Grund der Ostsee baldmöglichst zu bergen oder unschädlich zu machen, sieht man in Dänemark die Sache noch nicht als spruchreif an.

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat sich in einem Gespräch mit der „Deutschen Presseagentur“ zum angedachten Nationalpark Ostsee fest entschlossen gezeigt, die Situation des Gewässers zu verbessern. Eine zentrale Rolle muss aus Sicht Günthers die Beseitigung der in der Ostsee liegenden Munition aus dem Zweiten Weltkrieg spielen. Der „dpa“ sagte er: „Von dieser Altlast geht die größte Gefahr aus, und deshalb muss deren Beseitigung die Priorität Nummer eins sein.“ Diese Auffassung teilen seinen Worten nach alle Beteiligten. Rund 300.000 Tonnen alte Munition sollen auf dem Boden der Ostsee liegen, der überwiegende Teil in schleswig-holsteinischen Gewässern.

Sprengstoffreste im Meerwasser

Hans Sanderson, Wissenschaftler am Institut für Umweltwissenschaften an der Universität Aarhus, bestätigt das wachsende Bewusstsein in Deutschland, Dänemark und weiteren Ostsee-Anrainerstaaten und der EU für das Thema Munition aus den Weltkriegen im Meer. „Es wurden Reste der Sprengstoffe im Wasser und im Sediment vor allem im deutschen Teil der Ostsee nachgewiesen, was nun die Agenda der Politik beeinflusst und aktualisiert“, so Sanderson gegenüber dem „Nordschleswiger“ in einem schriftlichen Kommentar.

Dies bestätigt auch Jörn Scharsack, Wissenschaftler am Thünen-Institut für Fischereiökologie in Bremerhaven. Er untersucht, inwieweit Fische den giftigen Sprengstoff Trinitrotoluol, kurz TNT, aufnehmen. „Was die Ostsee angeht, haben wir überall Spuren von TNT im Wasser. Das ist bedenklich.“ Auch in Fischen, die in der Nähe von Munitionsverklappungsgebieten gefangen wurden, konnten seinen Worten nach TNT-Rückstände nachgewiesen werden, nicht aber in Fischen, die entfernt von diesem Gebiet gefangen wurden. Er bezieht sich dabei auf das Seegebiet Kolberger Heide in der Nähe von Kiel, wo viel alte Munition liegt.

Fokus wandert vom Giftgas zu TNT

Hans Sanderson aus Dänemark erläutert: „Viele Jahre lag das Augenmerk der Umweltschutz-Kommission der Ostsee-Anrainerstaaten auf Giftgasgranaten, die in der Ostsee verklappt wurden.“ Dies ändere sich derzeit. Sowohl für konventionelle als auch chemische Kampfstoffe lautet die Einschätzung dieser Kommission namens Helcom, dass die Umweltrisiken an den jeweiligen Fundorten verstanden werden müssten. „Dort, wo diese Risiken auf einem nicht mehr akzeptablen Niveau liegen, muss ein Weg gefunden werden, der selbst mit einem vertretbaren Risiko einhergeht.“

„Es gibt verschiedene Arten, intakte und stabile Bomben zu bergen. Instabile Bomben können beispielsweise gesprengt werden, begleitet von Sicherheitsmaßnahmen“, so Sanderson. Dies sei in gewissen Fällen die einzig sichere Lösung, die allerdings auch kontrovers diskutiert werde.

Chemische Kampfstoffe lassen sich nur noch selten bergen. Sanderson zufolge sind die Granaten verrottet, der Kampfstoff befindet sich bereits im Sediment. „Dann spricht man eher davon, das Sediment zu reinigen, wobei dort auch andere giftige Stoffe wie Blei oder TBT (Tributylzinn, ehemals angewendet in Unterwasseranstrichen, Anm. d. Red.) vorkommen können. Deshalb ist es wichtig, das genaue Risiko vor Ort zu kennen und dann zu entscheiden, wie es sich am besten reduzieren lässt.“

100 Millionen Euro von der Bundesregierung

In Sachen konventionelle Munition sagt Jörn Scharsack: „Da ist Eile geboten, denn das Problem wird größer werden und nicht kleiner, die Munition rostet und wird mehr TNT freisetzen.“ Er verweist auf den Koalitionsvertrag der deutschen Bundesregierung. Diese stellt 100 Millionen Euro bereit, damit die Frage nach dem Umgang der Munitions-Altlasten geklärt wird.

„Die Politik ist natürlich an schnellen Ergebnissen interessiert“, so Scharsack. Forschung und erste Räumaktionen werden seiner Einschätzung nach auch parallel stattfinden. Im kommenden Jahr wird dem Wissenschaftler nach voraussichtlich mit dem Räumen von Munition in der Lübecker Bucht begonnen. „Es müssen Methoden gefunden werden, wie wir uns dem Problem optimal nähern. Wie können wir die Munition bergen, und was machen wir, wenn wir sie geborgen haben?“

Politik will schnell handeln

Anfang September berichtete der „Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag“ („shz“) von einem Besuch der deutschen Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) in Schleswig-Holstein. Anfang kommenden Jahres soll es laut „shz“ losgehen. Die Politik will, wie von Jörn Scharsack prognostiziert, schnell handeln.

In Dänemark sieht man die Sache offenbar etwas gelassener, wobei Jörn Scharsack vor allem den deutschen Teil der Ostsee mit Munitionsaltlasten belastet sieht und nicht den dänischen. Auf Anfrage teilte das dänische Umweltministerium mit: „Das Umweltministerium weiß um die versenkte Munition in den dänischen Gewässern, und es verfolgt die Arbeit, die in den Projekten Helcom und Ospar geleistet wird, wo das Thema laufend diskutiert wird.“ Für das Umweltministerium steht noch nicht fest, wie die beste Lösung lautet, mit den Altlasten fertigzuwerden. Es verweist auf eine Vereinbarung, die Dänemark mit Deutschland und anderen Ostsee-Anrainerstaaten eingegangen ist, um in den kommenden zehn Jahren einen Weg zu finden. Das internationale Umweltbündnis Ospar dient dem Schutz des Nordost-Atlantiks.

Zur Giftigkeit von TNT äußert sich Jörn Scharsack vorsichtig. „Was Krankheiten bei Fischen angeht, konnten wir nichts Auffälliges feststellen“, so der Wissenschaftler. Für eine erhöhte Tumorrate bei Fischen, die in der Nähe eines Munitionsverklappungsgebietes (Kolberger Heide) leben, gebe es Hinweise; bewiesen sei dies aber nicht. Die Konzentration von TNT im Wasser müsste erheblich größer sein, um direkt tödlich zu sein. Die Frage, welche Langzeitwirkung TNT auf Fische hat, ist ihm zufolge noch nicht geklärt.

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