Schulreform

Bessere Noten: Gymnasien wollen Aufnahmekriterien verschärfen

Bessere Noten: Gymnasien wollen Aufnahmekriterien verschärfen

Gymnasien wollen Aufnahmekriterien verschärfen

Ritzau/nb
Kopenhagen
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Knapp drei von vier der circa 64.000 jungen Menschen, die zum Sommer die 9. oder 10. Klasse vollenden, möchten auf ein Gymnasium gehen. Foto: Asger Ladefoged/Ritzau Scanpix

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Der Verband dänischer Gymnasien möchte die Anforderungen an kommende Schülerinnen und Schüler für den Zugang zum Gymnasium erhöhen. Die jungen Menschen befürchten allerdings, dass dadurch die Jugend gespalten wird. Der Schulleiter des Deutschen Gymnasium für Nordschleswig, Jens Mittag, sieht den Vorschlag hingegen gelassen.

Für junge Menschen soll es künftig schwieriger werden, auf ein Gymnasium zu gehen.

Nach den gegenwärtigen Regeln ist es möglich, bereits mit einem Notendurchschnitt von 2 auf das Gymnasium zu kommen. Voraussetzung ist, dass die Schülerin oder der Schüler an einem Beratungsgespräch mit dem Gymnasium teilnimmt. Andernfalls ist ein Notendurchschnitt von 5 Voraussetzung für die Aufnahme.

Nach Vorstellungen des Verbandes dänischer Gymnasien (Danske Gymnasier), soll künftig grundsätzlich mindestens ein Notendurchschnitt von 5 erforderlich sein, um ein Gymnasium besuchen zu dürfen. Gleichzeitig sollen alle anderen Anforderungen weitestgehend wegfallen.

Notendurchschnitt von 5 angemessen

„Ein Notendurchschnitt von 5 ist eine angemessene Forderung“, sagt der Vorsitzende von Danske Gymnasier, Henrik Nevers, gegenüber „Berlingske“. Auf diese Weise sollen die Aufnahmekriterien vereinfacht werden.

Der Vorschlag kommt im Zuge einer Debatte über die Wahl der Ausbildungsgänge junger Menschen. In der vergangenen Woche hatte eine Kommission vorgeschlagen, die gegenwärtige 10. Klasse abzuschaffen, und sie durch einen zweijährigen, mehr praxisorientierten Ausbildungsverlauf zu ersetzen.

Umrechnungstabelle

Von den dänischen Noten zu den deutschen Noten

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Ein Notendurchschnitt von 5 ist eine angemessene Forderung.

Henrik Nevers, Vorsitzender Danske Gymnasier

Zugangsvoraussetzungen zum Gymnasium

Um die Schulbildung nach der 9. Klasse Zugang auf dem Gymnasium fortsetzen zu dürfen, ist ein Notendurchschnitt von mindestens 5 in den abschließenden Standpunktnoten (standpunktskarakterer) erforderlich.

Außerdem müssen die Abschlussprüfung der Volksschule bestanden und im Durchschnitt mindestens die Zahl 5 in den gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen erzielt werden. Desweiteren muss von der 5. bis zur 9. Klasse eine zweite Fremdsprache belegt worden sein.

Sofern der Notendurchschnitt in den Prüfungen nicht mindestens 5 beträgt, ist die Aufnahme auf ein Gymnasium dennoch möglich, sofern der Notendurchschnitt mindestens 2 beträgt und ein Beratungsgespräch am Gymnasium durchgeführt wird.

Anwärterinnen und Anwärter müssen sich auch einer Bewertung unterziehen, inwieweit sie bereit für eine Ausbildung sind. Hier spielen unter anderem soziale Voraussetzungen eine Rolle. Diese Regelung wird jedoch zum Schuljahr 2024/2025 abgeschafft.

Quelle: Ausbildungsguide sowie Kinder- und Unterrichtsministerium

Gelassenheit beim Schulleiter des DGN

Beim Deutschen Gymnasium für Nordschleswig (DGN) sieht Schulleiter Jens Mittag den Vorschlag, grundsätzlich einen Notendurchschnitt von 5 für eine Aufnahme vorauszusetzen, gelassen. „In Skandinavien gibt es den positiven Ansatz, dass alle Schülerinnen und Schüler dieselbe Bildung erhalten. Mit den neuen Regeln würde dies in eine andere Richtung gehen“, sagt er gegenüber dem „Nordschleswiger“.

Wenn die neue Bedingung kommen sollte, dann nehmen wir sie so hin. Ich glaube nicht, dass das bei uns viel ändern würde.

Jens Mittag, Schulleiter am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig

Er könne beidem etwas abgewinnen. Grundsätzlich sei die Frage, was für ein Gymnasium man möchte. Gegenwärtig würden in Dänemark etwa 75 Prozent aller Schülerinnen und Schüler ihre schulische Laufbahn auf dem Gymnasium fortsetzen; in Deutschland belaufe sich dieser Anteil nur auf 50 Prozent, so Mittag.

„Möchte man, dass viele Schülerinnen und Schüler auf das Gymnasium gehen, oder soll es eine Schule mit höheren Ansprüchen sein? Man kann auch fragen, warum junge Menschen, die intellektuell schneller lernen, nicht auch angemessen gefordert werden sollen. Wenn die neue Bedingung kommen sollte, dann nehmen wir sie so hin. Ich glaube nicht, dass das bei uns viel ändern würde“, so Jens Mittag.

Regierung möchte weniger Gymnasiastinnen und Gymnasiasten

Bei Kinder- und Unterrichtsminister Mattias Tesfaye (Soz.) stößt der Vorschlag auf Interesse. Er möchte gerne mehr Jugendliche an Schulen mit praxisbezogenen Ausbildungsrichtungen (erhvervsskoler) bringen. Die Regierung wolle zudem Möglichkeiten untersuchen, um den Zugang zu den gymnasialen Ausbildungsgängen zu erschweren.

Zurückhaltender äußert sich die bildungspolitische Sprecherin der Sozialdemokratie, Astrid Krag. Sie will zwar nichts ausschließen, mahnt jedoch eine gründliche Debatte an, ehe etwas beschlossen werde. „Wir warnen davor, dass man das Notensystem immer wieder ändert. Ich denke, dass es naheliegend ist, in der Diskussion um die Notenanforderungen auch die weiteren Änderungsvorschläge am Ausbildungssystem zu berücksichtigen, die die Reformkommission in der vergangenen Woche präsentiert hat.“

Der Vorschlag der Gymnasien, einen Notendurchschnitt von 5 vorauszusetzen, liegt dem Vorsitzenden des Verbandes dänischer Gymnasien, Nevers, zufolge darin begründet, dass Schülerinnen und Schüler mit diesem Schnitt fast genauso gut wie Jugendliche mit einem höheren Notendurchschnitt durch die gymnasiale Ausbildung kommen.

Junge Menschen kritisch

Kritik bekommt der Vorschlag allerdings von den Gymnasiastinnen und Gymnasiasten. Sie fürchten, dass er die Jugendlichen spaltet und die Polarisierung vergrößert.

„Das wird diejenigen mit den niedrigsten Noten in ihrer freien Ausbildungswahl einschränken“, sagt die Vorsitzende von Danske Gymnasieelevers Sammenslutning, Madeleine Steenberg Williams, gegenüber „Ritzau“. Ihr zufolge seien die gegenwärtigen Notenanforderungen ausreichend.

Es kann mehrere Gründe dafür geben, dass man die Anforderung nicht erreicht. Aber natürlich muss man die Möglichkeit haben, seine Traumausbildung beginnen zu können.

Marie Holt Hermansen, Vorsitzende von Danske Gymnasieelevers Sammenslutning

Die Vorsitzende Marie Holt Hermansen hält es für wichtig, dass sich junge Menschen für die Ausbildung bewerben können, von der sie träumen – auch ohne einen Notendurchschnitt von 5.

„Es kann mehrere Gründe dafür geben, dass man die Anforderung nicht erreicht. Aber natürlich muss man die Möglichkeit haben, seine Traumausbildung beginnen zu können“, sagt sie „Ritzau“ gegenüber.

Die Idee, die Regeln zu vereinfachen, unterstützt sie hingegen. „Wir erleben, dass viele Schülerinnen und Schüler verunsichert sind, was die jetzigen Anforderungen in der Praxis bedeuten. Ein Notendurchschnitt von 5 klingt sehr konkret, auch wenn dies nicht der Fall ist“, sagt sie. Deshalb sei es wichtig, von einer Empfehlung zu sprechen.

Weitere Verschärfungen vorgeschlagen

Ein höherer Notendurchschnitt ist nicht der einzige Vorschlag der Gymnasien. Sofern eine Schülerin oder ein Schüler die Prüfungen im allgemeinen Sprachverständnis (almen sprogforståelse, AP) und im naturwissenschaftlichen Grundverlauf (naturvidenskabeligt grundforløb, NP) nicht besteht, sollen sie ihre Ausbildung auf dem Gymnasium nicht fortsetzen dürfen.

Das wird diejenigen mit den niedrigsten Noten in ihrer freien Ausbildungswahl einschränken.

Madeleine Steenberg Williams, Vorsitzende von Danske Gymnasieelevers Sammenslutning

Beide Prüfungen sind Bestandteil des Elementarverlaufes. Jugendliche, die hier durchfallen, hätten es schwer, dem weiteren Unterrichtsverlauf zu folgen, meint Henrik Nevers „Berlingske“ gegenüber. Er schätzt, dass einige Hundert Schülerinnen und Schüler jährlich davon betroffen wären.

Nach Ansicht von Madeleine Steenberg Williams, die die jungen Menschen vertritt, sollten sie nicht von der gymnasialen Ausbildung ausgeschlossen werden. Stattdessen sollte mehr Verantwortung übernommen werden, um ihnen dabei zu helfen, ihr Bildungsniveau zu verbessern. „Es ist wichtig, dass wir die Menschen mit einem niedrigeren Niveau nicht im Stich lassen. Alle haben ein Recht darauf, sich zu verbessern – dafür sind unsere Ausbildungen schließlich da“, sagt sie.

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