Nationalsozialismus

Die Petri-Schule stellt sich ihrer braunen Vergangenheit

Die Petri-Schule stellt sich ihrer braunen Vergangenheit

Die Petri-Schule stellt sich ihrer braunen Vergangenheit

Kopenhagen
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Kinder in Hitlerjugend-Uniform auf dem Schulhof von Sankt Petri Foto: Archiv der Sankt Petri-Schule

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Ein neues Buch beschreibt die Nazifizierung der deutschen Schule in Kopenhagen. Die Vorsitzende des Schulvorstandes, Heike Omerzu, ist froh darüber, dass dieses Kapitel der Geschichte im Detail beleuchtet worden ist. Die Informationen sollen in den Unterricht an der Schule einfließen.

Die Sankt Petri-Schule in Kopenhagen war während des Zweiten Weltkrieges eine „Brutstätte“ für nationalsozialistisches Gedankengut. Zu diesem Ergebnis kommt der Historiker und Autor Jacob Halvas Bjerre, nachdem er drei Jahre lang im Auftrag der Schule diese Frage untersucht hat.

Die Vorsitzende der Schulkommission (des Vorstandes) von Sankt Petri, Heike Omerzu, zeigt sich sehr zufrieden damit, dass das Buch „Den tyske Skole og Besættelsen“ von Halvas Bjerre am Freitag erscheint und diesen Abschnitt der Geschichte der Schule beleuchtet.

„Wir sind froh, dass die Arbeiten mit dem Buch abgeschlossen sind und wir die Ergebnisse am Montag bei einer öffentlichen Veranstaltung präsentieren können“, sagt sie dem „Nordschleswiger“.

Vollständige Nazifizierung

Nach Halvas Bjerres Erkenntnissen ging es mit der Nazifizierung der Petri-Schule zunächst langsamer, als das bei den Organisationen der deutschen Minderheit im Grenzland der Fall war. Zunächst gab es im Petri-Milieu zwei Gruppen: eine offen nazistische und eine moderate. Letztere war nicht unbedingt gegen den Nationalsozialismus, wollte jedoch keine Nazifizierung der Schule erzwingen.

Die beiden Flügel gingen jedoch Anfang der 30er-Jahre eine Allianz mit der deutschen Gesandtschaft und den deutschen Nationalsozialisten in Dänemark ein, bei der man sich auf eine Ausrichtung der Schule einigte. Die Gesandtschaft und die Nazipartei machten in den folgenden Jahren Druck, um die Schule immer stärker in die nationalsozialistische Richtung zu drängen. Widerstand dagegen kam vor allem von den ungefähr 70 Prozent der Elternschaft, die Dänen sind.

Die Kinder des deutschen Gesandten Cecil von Renthe-Fink gingen in die Petri Schule. Hier sind sie 1938 in ihren Hitlerjugend-Uniformen zu sehen. Foto: Det Kongelige Bibliothek

„Die Schule wird schrittweise in so gut wie allen Bereichen nazifiziert. Das gilt für den Unterricht, die Lehrkräfte und den Alltag“, so die Einschätzung von Halvas Bjerre.

Hitlerjugend marschiert im Schulhof auf

Zunächst verlief die Entwicklung eher im Verborgenen, man wollte die dänische Öffentlichkeit nicht aufschrecken oder provozieren. Das Hakenkreuz kommt in den Publikationen und auf Fotos praktisch nicht vor. Was jedoch nichts daran ändert, dass man an der Schule den Geburtstag des Führers feierte. 

Das änderte sich jedoch nach dem Einmarsch der deutschen Truppen am 9. April 1940 – und insbesondere nachdem die dänische Bevölkerung 1943 gegen die Besatzungsmacht aufbegehrt hatte und keine dänischen Lehrkräfte mehr bereit waren, an der Schule zu arbeiten. Sie wurden durch Nazis, zum Teil aus der deutschen Minderheit in Nordschleswig, ersetzt. Der Hitlergruß wurde obligatorisch.

„Ich meine, dass man in Bezug auf insbesondere die deutschen Schülerinnen und Schüler mit Recht von einer Brutstätte für den Nationalsozialismus sprechen kann“, sagt Halvas Bjerre.

Das Abschlussfest des Deutschen Turnvereins in der Sporthalle der Sankt Petri-Schule 1938. In den Jahresheften finden sich keine Fotos mit Hakenkreuzfahne in der Halle.  Foto: Archiv von Sankt Petri

Die Hitlerjugend (HJ) und der Bund Deutscher Mädchen (BDM) wurden eng mit der Petri-Schule verflochten. Sämtliche deutsche Kinder wurden Mitglieder der Nazi-Jugendorganisationen. Nach der Schulzeit marschierte die HJ im Schulhof auf.

Jüdische Kinder verschwinden von der Schule

Ab 1934 werden keine dänischen, jüdischen Kinder mehr an der Schule angemeldet. Die jüdischen Kinder, die danach noch an die Schule kommen, sind Geflüchtete aus Deutschland und Österreich, die nach kurzer Zeit wieder von der Schule verschwinden. Das letzte jüdische Kind verließ die Schule 1940.

Der Historiker Halvas Bjerre kann nachweisen, dass ein Mobbing dieser Kinder durch andere Schülerinnen und Schüler stattgefunden hat. Ein Nachweis, dass es an der Petri-Schule eine offizielle Politik gab, um Juden loszuwerden, konnte er nicht finden. 

„Ich finde jedoch, es besagt so einiges, dass dänische, jüdische Eltern ihre Kinder nicht mehr anmeldeten und deutsche geflüchtete Juden sehr schnell an dänische Schulen wechselten“, sagt er.

Vier der ehemaligen jüdischen Schülerinnen und Schüler sind während des Krieges ums Leben gekommen. Drei wurden in Konzentrationslagern ermordet, einer starb bei der Flucht nach Schweden. Auf Betreiben der Schülerschaft wurde 2021 eine Gedenktafel für sie an der Petri-Schule angebracht.

Buch wird Teil des Unterrichts

Der Gedanke zu der Tafel entstand im Zuge eines Schulprojektes, an dem 17 Schülerinnen und Schüler der 7. Klasse teilnahmen. Solche Projekte sollen zukünftig fester Bestandteil des Unterrichts an der Schule sein, betont die Vorsitzende Heike Omerzu.

Die neuen Erkenntnisse sollen in den Unterricht einfließen, meint die Vorstandsvorsitzende der Petri-Schule, Heike Omerzu. Foto: Privatfoto

„Für die älteren Schülerinnen und Schüler wird die Schule Unterrichtsreihen zur eigenen nationalsozialistischen Vergangenheit durchführen, wie es bereits in den vergangenen Jahren der Fall war“, sagt sie.

Die Erkenntnisse aus „Den tyske Skole og Besættelsen“ sollen jetzt in das Lehrmaterial eingearbeitet werden.

„Es ist wichtig für die Schülerinnen und Schüler, weil es letztendlich Teil ihrer eigenen Geschichte ist, die auch sie berührt. Außerdem werden sie wahrnehmen, dass das Thema in der Öffentlichkeit diskutiert wird“, so Omerzu.

„Überfällige Auseinandersetzung“

Die Auseinandersetzung mit diesem dunklen Kapitel der Schule beginnt erst ernsthaft 2016. Nach einem Artikel in „Weekendavisen“, der auf Grundlage von offiziellen Quellen über die Geschichte der Schule geschrieben wurde, stand, die Schule sei der Nazi-Beeinflussung entgangen.

Der Artikel löste eine öffentliche Debatte aus, und der Historiker Ole Brandenborg Jensen beschrieb die offizielle Geschichtsschreibung als eine Version mit Persilschein. Daraufhin gab die damalige Leitung der Schule eine unabhängige historische Untersuchung in Auftrag, die jetzt in dem Buch von Jacob Halvas Bjerre mündet.

„Als Deutsche sind wir ja vertraut damit, dass sich Institutionen und Unternehmen mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandersetzen. Es ist überfällig, dass dies nun auch im Detail an der Petri-Schule geschieht“, sagt Heike Omerzu.

Sie erwarte, dass die Auseinandersetzung mit der braunen Vergangenheit auf eine breitere Grundlage gestellt werde, die Schülerinnen und Schüler eingebunden werden.

„Ich denke, es kann auch für die Schule befreiend sein, dass wir uns diesen ganz detaillierten Informationen stellen.“

Das Buch „Den tyske Skole og Besættelsen“ erscheint Freitag bei Gads Forlag. Am Montagabend veranstaltet die Petri-Schule eine Vorstellung des Buches mit Diskussion über den Inhalt.

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