Dansk-tysk med Matlok

SSW-Abgeordneter Seidler: Dänische Minderheit hat das Recht zu meckern

SSW-Abgeordneter Seidler: Dänische Minderheit hat das Recht zu meckern

Seidler: Dänische Minderheit hat das Recht zu meckern

DN
Kopenhagen
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Stefan Seidler und Siegfried Matlok vor Schloss Schackenborg, wo das 40-minütige Interview aufgenommen wurde Foto: DK4

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Die dänische Minderheit ist kein Anhängsel der jeweiligen dänischen Regierung, so der SSW-Bundestagsabgeordnete Stefan Seidler in einem „DK4“-Interview in der Sendung „Dansk-tysk med Matlok“ und zieht sogar einen Vergleich zwischen Südschleswig, Grönland und den Färöern. 

Wie kann man als Vertreter der dänischen Minderheit im Deutschen Bundestag stets das dänisch-nordische Modell als Vorbild herausstellen, wenn man gleichzeitig die harte dänisch-nordische Ausländerpolitik so scharf kritisiert? Den Widerspruch erklärt der Abgeordnete des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) im Bundestag, Stefan Seidler, mit einer Antwort: „Die dänische Minderheit ist nicht die Minderheit der dänischen Regierung.“

In der Fernsehsendung „Dansk-tysk med Matlok“ auf „DK4“ wird Seidler mit dem Hinweis konfrontiert, dass sowohl Dänemarks Staatsministerin Mette Frederiksen als auch Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson erst kürzlich bei ihrem Treffen in Kopenhagen völlige Übereinstimmung beider Länder in ihrer Haltung zu einer strammen Flüchtlings- und Asylpolitik unterstrichen haben.

Wie kann der SSW noch immer auf die Barrikaden gehen, wo ist da das sonst so lieb gewordene dänisch-nordische Vorbild? Seidler: „Was die Ausländerpolitik anbetrifft, so ist dies ein Bereich, in dem der SSW nur sehr schwer dänisch-nordisch argumentieren kann.  Da sind wir nicht stolz auf Dänemark, obwohl es viele andere Dinge gibt, wo wir uns gerne dänische/nordische Verhältnisse wünschen würden, zum Beispiel bei der Digitalisierung und im Bildungsbereich.“

Vergleich mit Grönland und Färöern

Seidler vehement: „Selbstverständlich dürfen wir als dänische Minderheit und betroffene Grenzlandbewohner meckern.  Wir erleben ja, dass auch Grönland und die Färöer, die Blockzuschüsse von Dänemark erhalten, ihre Unzufriedenheit mit Kopenhagen zum Ausdruck bringen.“

„DK4“-Frage von Matlok: Vergleicht Stefan Seidler nun Südschleswig mit Grönland und den Färöern?

Seidler: „Ja, ab und zu, denn wir sind eine dänische Enklave, die eben aus ihrer Sicht diese Dinge anders beurteilt. Es ist sehr berechtigt, dass wir uns bemerkbar machen, wenn  wir mit Verhältnissen im Mutterland unzufrieden sind.  Die dänische Minderheit ist weder die Minderheit der dänischen Regierung noch des dänischen Folketings, aber wir unterstützen dänische und nordische Werte wie Humanismus, Grundtvig und Wohlfahrtsstaat. Was eine jeweilige dänische Regierung beschließt, müssen wir doch nicht jederzeit 100-prozentig unterstützen. Das gilt doch auch für das Folketing“, sagt Seidler, der jedoch darauf hinweist, dass sich die dänische Minderheit im ständigen Dialog mit den dänischen Parteien befindet und dass sie dabei für ihre Haltung auch bei einigen Parteien Unterstützung findet – und nicht nur bei Radikalen Venstre. 

Stefan Seidler sitzt seit der Bundestagswahl 2021 im Parlament und lobt die „fantastischen“ Arbeitsverhältnisse, die ihm in Berlin geboten werden. „Bild“ bezeichnete ihn nach seiner Wahl als „den einsamen Dänen-König“ unter den insgesamt 736 Abgeordneten, aber ein Interesse, sich als fraktionsloses Mitglied einer anderen Fraktion anzuschließen, verneint Seidler kategorisch. Der erste SSW-Bundestagsabgeordnete Hermann Clausen (1949-1953) war unter anderem der Bayern-Partei und der Zentrums-Partei in einer Fraktion der „Föderalistischen Union“  beigetreten, aber für den Einzelgänger Seidler würde ein Fraktionsanschluss keinen Vorteil bringen. Er könne jederzeit, wenn er es für geeignet hält, im Parlament selbst das Wort ergreifen und dann in drei Minuten das Wesentliche sagen, während er als Mitglied einer großen Fraktion nur unter ferner liefen an das Rednerpult treten könnte.

Sozial-liberaler Politiker

Seidler sitzt im Bundestag zwischen SPD und Grünen. Eine Platznähe zur AfD hatte er im voraus unter allen Umständen abgelehnt. Selbst bezeichnet er sich als „konstruktive Opposition“ zur Ampel-Regierung, wo er seine enge Beziehung zu dem ebenfalls aus Flensburg kommenden Minister Robert Habeck unterstreicht, mit dem er sich auf den Bundestagsgängen über Fragen im gemeinsamen Wahlkreis Flensburg auch bisweilen auf Dänisch unterhält. Dass der SSW früher als links von der Mitte angesiedelt wurde, bestreitet Seidler nicht, und in energie- und sozialpolitischen Fragen stimme er auch weitestgehend mit der Regierung überein, während er in ökonomischen Fragen auch gut mit der CDU zusammenarbeiten kann. Ihm kämen dabei seine radikalen Tugenden zum Kompromiss zugute, so der nach eigenen Worten sozial-liberale Seidler im Rückblick auf seine frühere Folketingskandidatur bei Radikalen Venstre.

In einem wichtigen Bereich hat Seidler Korrektur an der früher eher links-pazifistischen Grundhaltung des SSW vorgenommen: Die Zeitenwende gilt auch für die dänische Minderheit. Er habe aus Überzeugung – auch nach einem Gespräch mit seiner ältesten Tochter, die Angst vor Putin hat – für das Sonderprogramm mit den 100 Milliarden für die Bundeswehr angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine gestimmt, weil es dabei auch um unsere gemeinsame Sicherheit in der Ostsee geht. In der Verteidigung von Frieden und Demokratie gebe es für ihn als Minderheiten-Vertreter keine roten Linien, betont der auch in den großen deutschen Medien sichtbare Minderheiten-Politiker, der mit berechtigtem Stolz zur Kenntnis genommen hat, dass der SSW jüngst bei einer Umfrage in Schleswig-Holstein zur Bundestagspolitik sogar 9 Prozent Zustimmung erzielt hat und der deshalb auch zurzeit nicht um seine Wiederwahl bangen muss.  

„Unser aller Deutschland“

In seiner Jungfernrede im Bundestag sprach Seidler von „unser aller Deutschland“, bemerkenswerte Worte, die so manches älteres Mitglied in der dänischen Minderheit verwundert haben. Seidler verteidigt diese Worte mit dem Hinweis, dass Deutschland auch andere gesellschaftlich relevante Gruppen als die dänische Minderheit umfasst und „heute andere Farben hat als nur Schwarz-Rot-Gold“.

„Genforening“ und die nächsten 20 bis 25 Jahre

Zur umstrittenen Wiedervereinigungs-Hoffnung, die der damalige Politiker der Dänischen Volkspartei, Søren Espersen, vor einigen Jahren in der Sendung „Dansk-tysk med Matlok“  als „ewiges“ Ziel der dänischen Minderheit genannt hatte, sagt Seidler: „Ich denke nicht in Grenzen.“  Für ihn geht es nicht nur um die eigene Mission Bundestag, sondern auch um eine Vision für die Zukunft der dänischen Minderheit. Statt sich in interne Streitigkeiten über die Strukturen und Zusammenarbeit zwischen den Organisationen innerhalb der dänischen Minderheit zu verhaken, wünscht sich Seidler Konzentration „auf eine Debatte über eine Vision für die nächsten 20 bis 25 Jahre“. Für ihn sind dabei seine dänischen Wurzeln entscheidend und die Tatsache, dass die dänische Minderheit sich weiterhin „als ein Teil des Dänischen und des Nordischen bekennt“.

Das gesamte „DK4“-Interview mit Stefan Seidler findest du unter: https://www.youtube.com/watch?v=lxp9Li3ZXmA

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Kirsten Bachmann

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