„Dansk-tysk med Matlok“

Deutsche Ukraine-Politik „konsistent“, aber kein Ewigkeits-Krieg

Deutsche Ukraine-Politik „konsistent“, aber kein Ewigkeits-Krieg

Deutsche Ukraine-Politik kein Ewigkeits-Krieg

DN
Kopenhagen
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Per Øhrgaard (r.) und Siegfried Matlok beim Interview auf Christiansborg, das im historischen „Samtaleværelse“ des Folketings geführt wurde Foto: Privat

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Er ist in Dänemark der Mann mit dem großen „G“ – für Goethe und Grass: Der Germanistik-Professor und Schriftsteller Per Øhrgaard wird am 6. Februar 80 Jahre. Im „DK4“-Fernsehen stellt er sich den Fragen von Siegfried Matlok. Seine Antworten zum Ukraine-Krieg, vorrangig zum Israel-Gaza-Konflikt und der angeblichen deutschen Staatsräson für Israel sind erstaunlich.

Eine herausragende dänisch-Kulturpersönlichkeit, der Kopenhagener Professor Per Øhrgaard, wird am Dienstag 80 Jahre. Aus diesem Anlass spricht er in der Fernsehsendung „Dansk-tysk med Matlok“ auf „DK4“ über das zurzeit kriselnde Deutschland und vor allem über die Frage: Was tun nach dem russischen Krieg gegen die Ukraine?

Øhrgaard verweist angesichts der gegenwärtigen deutschen Schwäche auf den dänischen Kirchenhistoriker Hal Koch, der 1945 Folgendes geschrieben hatte: Nur eines ist schlimmer als ein starkes Deutschland – ein schwaches Deutschland.

„Wir  brauchen kein schwaches Deutschland, aber auch kein zu starkes“, so Øhrgaard, der darauf hinweist, dass Deutschland ja noch immer über Europas größte Volkswirtschaft verfügt.  

„Deutschland liegt in der Mitte Europas, ist das größte Land mit der größten geografischen Nähe zu Russland im Gegensatz zu anderen westlichen Ländern und muss darauf auch mehr Rücksicht nehmen als andere“, sagt Øhrgaard, der die deutsche Haltung zum Ukraine-Krieg gegenüber Russland als „zurzeit richtig“ charakterisiert.  

Øhrgaard: Mitverantwortung für den Frieden

„Ich erinnere aber daran, was der Philosoph Habermas bereits vor einem Jahr geschrieben hat. Wenn man die Ukraine so massiv unterstützt – was er ja befürwortet hat –, dann hat man auch eine Mitverantwortung für die weitere Entwicklung. Dann nützt es nichts, nur zu behaupten, dass es allein die Ukrainer sind, die darüber entscheiden, wann  sie am Verhandlungstisch Platz nehmen.  Dann haben die Länder, die die Ukraine heute unterstützen, auch eine Mitverantwortung, Friedensmöglichkeiten zu prüfen und über die weitere Entwicklung mitzureden.“

Er wisse ja nicht, was diplomatisch schon hinter den Kulissen untersucht werde, betont Øhrgaard und kommt zu folgendem Schluss: „Alles in allem möchte ich die deutsche Ukraine-Politik als konsistent bezeichnen – auch angesichts der Tatsache, dass nun keine neuen Raketen bereitgestellt werden, die Ziele tief in Russland erreichen können. Wir wissen ja nicht, wie diese (Taurus-)Raketen eingesetzt werden.  Wenn man eine andere Politik verfolgen will als nur die reine Konfrontation, dann muss man nach Wegen suchen, die bessere Bedingungen bringen.“

Øhrgaard bedauerte in diesem Zusammenhang als „unbegreiflich, dass Dänemark als Folge des Ukraine-Krieges inzwischen bereit ist, US-Truppen auf dem dänischen Boden stationieren zu lassen – sogar ohne Jurisdiktion –, was wir nicht einmal während des Kalten Krieges erlaubt haben“.

„Wir benötigen keinen Ewigkeits-Krieg“, so Øhrgaard, der die Hoffnung äußerte, dass Deutschland – wie es das in anderen Konflikten bereits getan habe – eventuell zu einer Schlichtung beitragen kann. Dass er anfangs eine solche Friedensrolle dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder zugetraut hatte, belustigt ihn heute selbst.

Øhrgaard und Freund Grass

Germanistik-Professor emeritus Per Øhrgaard hat sich große Verdienste um das Deutschland-Bild in Dänemark erworben, etwa als Mitglied der „Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung“ in Darmstadt. Øhrgaard, der zahlreiche Werke des Nobelpreisträgers Günter Grass ins Dänische übersetzt hat, bezeichnet sich selbst als „guter Freund von Grass“, auch wenn er nach seinen eigenen Worten „nicht immer mit dem Schriftsteller einig war“.

Das Interview mit Per Øhrgaard ist zu finden auf unserer Internetseite unter https://youtu.be/3Y61vpBU9FY

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Kopenhagen Er ist in Dänemark der Mann mit dem großen „G“ – für Goethe und Grass: Der Germanistik-Professor und Schriftsteller Per Øhrgaard wird am 6. Februar 80 Jahre. Im „DK4“-Fernsehen stellt er sich den Fragen von Siegfried Matlok. Seine Antworten, vor allem zum Israel-Gaza-Konflikt und der angeblichen deutschen Staatsräson für Israel, sind erstaunlich. Und Øhrgaard hält sich auch mit harscher Kritik nicht zurück: Der deutsche Bundespräsident Steinmeier ist für ihn „ein Reisender in Zerknirschung“.