Lebensweg

Von Apenrade nach Mumbai

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Apenrade/Aabenraa
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Christine Meier bei einem Video-Dreh in einem Studio Foto: Black Stallion Filme

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Christine Meier ist durch Zufall auf den traditionellen indischen Tanz gestoßen, der heute im Milliarden-Einwohner-Land – auch durch sie – wieder sehr modern ist. Heute folgen ihr fast eine halbe Million Menschen in den sozialen Medien. Das Aufwachsen in der deutschen Minderheit hat ihr den Anstoß gegeben, offen gegenüber anderen und Neuem zu sein.

Fast eine halbe Million Menschen folgen der Nordschleswigerin Christine Meier auf Youtube. Die Follower sind begeistert von ihren traditionellen indischen Tänzen, die sie dort, nach indischer Tradition gekleidet, zeigt. 

Vor knapp acht Jahren hat sie mit den besonderen Tänzen, die aus dem Norden Indiens kommen und dort ursprünglich in der Erntezeit von Frauen und Männern getanzt wurden, begonnen und hat damit in dem Land eine Modernisierungswelle in Gang gesetzt, denn kaum ein junger Mensch hat so getanzt. „Das war, als wenn bei uns in Trachten nach der althergebrachten Weise getanzt wird“, erklärt die junge Frau.

Christine in einem Taxi-Tuktuk auf dem Weg zu einem Termin Foto: Dilbagh Singh

Doch in Indien hat sie damit Erfolg. Sie veröffentlicht ihre Tanzvideos vor allem über Youtube, doch Facebook und nun auch Instagram folgten. Viele junge Menschen in Indien folgen nun ihrem Beispiel, und inzwischen gibt es sogar Musiker, die die traditionelle Tanzmusik mit modernen Beats unterlegen und eigene Texte mit modernen Inhalten dazu schreiben. Viele der Musiker fragen Christine, ob sie nicht in den Musikvideos tanzen möchte – und wollen sie dafür sogar bezahlen. Und das tue sie gerne, wie sie sagt. 

Christine Meier in einer Gruppe von Studenten der Universität in Patiala, wo sie einen Monat traditionellen Tanz unterrichtet hatte Foto: Privat

Sie verdient inzwischen mit dem Tanzen ihren Lebensunterhalt, tritt in Musikvideos und bei Hochzeiten auf und unterrichtet in dem klassischen Tanz. Vor allem Inder in Indien, doch auch Menschen in anderen Ländern, wollen sich von ihr zeigen lassen, wie in Indien getanzt wird. Dabei ist ihr wichtig, authentisch zu bleiben. „Ich habe zwar schon Filmangebote bekommen, doch dort sollte ich die hellhäutige Europäerin sein, die wenig Zeug am Leib hat, und genau dieses Klischee möchte ich nicht erfüllen“, sagt die 30-Jährige.

Sechs Monate des Jahres lebt sie inzwischen in dem Land mit 1,3 Milliarden Einwohnern, die anderen sechs Monate verbringt sie in ihrer Wohnung in Apenrade, von wo aus sie neue Auftritte und Kurse plant. In Indien wohnt sie entweder in der Millionenstadt Delhi oder Patiala, einer Stadt im nördlichen Landesteil Pandschab, wo sie eine gemietete Wohnung hat.

Sorge um die Tochter

Die Eltern waren anfänglich wenig begeistert von den Plänen der Tochter, die mit Anfang 20 ganz allein nach Indien reiste, um dort tanzen zu lernen. Zu viele Gerüchte erzählten von Gewalt dort – vor allem gegenüber Frauen. Durchgesetzt hat sie sich trotzdem und ist nach Mumbai gereist. „Heute wissen sie, dass ich dort sicher bin und auf mich aufpasse.“ Dabei war die erste Reise in das ferne Land ein großes Abenteuer für Christine. Mitten in der Nacht kam sie am Flughafen in Mumbai an. Ein aus Schweden kommender Mitreisender nahm sie unter seine Fittiche und brachte sie wohlbehalten in das Hotel, wo sie ein Hotelzimmer reserviert hatte.

„Indien ist nicht so, wie es sich viele vorstellen“, sagt die Apenraderin. Sie gibt zwar zu, dass es nicht ungefährlich sei, „besonders als Frau in den armen Landstrichen, doch es ist immer auch die zweite Seite zu sehen. Es gibt genauso die Menschen dort, die leben und arbeiten wie wir und ähnliche kulturelle Auffassungen haben“, so ihre Erfahrung.

In traditionellem Gewand sitzt Christine auf einem der millionenfach verwendeten Motorroller. Foto: Dilbagh Singh

Schon in der Deutschen Privatschule Apenrade war Christine bekannt für ihre Liebe zum Tanzen und ihre Auftritte, zu denen sie ihre Mitschülerinnen immer wieder zum Mitmachen überredete, wie sie sich heute erinnert. Damals war sie noch bei der Tanzschule „Randys Dance“ und hatte nichts mit traditionellen Tänzen am Hut. Das änderte sich erst, als sie mit 13 Jahren mit dem Bauchtanz begann. Den gab sie im Studium auf. „Man hatte zu wenig an. Ich habe mich damit nicht mehr wohlgefühlt“, erklärt sie.

Neu für sich entdeckt

Auf der Suche nach neuen Herausforderungen – das Tanzen wollte sie nicht aufgeben – stieß sie zufällig auf ein Video des indischen Traditionstanzes – und war begeistert. „Es strahlt so viel Freude und Würde aus, und trotzdem ist es unglaublich anstrengend“, berichtet Christine noch immer begeistert von den ersten gesammelten Erfahrungen.

Das „indische Tanzfieber“ war entfacht. Christine informierte sich über den Tanz und machte einen ersten Kurs in Kopenhagen. Über Foren im Internet lernte sie eine Amerikanerin kennen, die sie einlud, nach Indien zu kommen, um den Tanz „vor Ort“ zu erlernen. Was dann folgte, ist bekannt. 

Neue Kulturen und Menschen kennenlernen

Die Neugier auf andere Länder, die Lust zu reisen und darauf, andere Menschen und Kulturen kennenzulernen, hat sie von ihren Eltern übernommen, wie die junge Frau erzählt. Schon nach Abschluss der 9. Klasse ist Christine für ein Jahr in ein kleines Dorf in der Nähe von Montreux im französischsprachigen Teil der Schweiz gegangen und hat dort für ein Jahr ein Gymnasium besucht, bevor sie auf das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig (DGN) kam.

Das Bild entstand bei einem Shooting in Patiala. Foto: Dilbagh Singh

„Meine Mutter und mein Vater sind beide gerne verreist. Dabei wollten sie die Länder aber am liebsten abseits der Touristen-Pfade kennenlernen, sehen, wie die Menschen dort leben und essen“, erinnert sie sich. Beim Vater, der Fernfahrer ist, ist sie in den Ferien schon als Kind mitgefahren und hat so viele Ecken Europas kennenlernen können. Das habe sie geprägt, sagt sie.

Deutsche Minderheit hat geprägt

Geprägt hat sie auch die Minderheitenkultur, in der sie aufwuchs. Der Vater ist Deutscher, die Mutter Dänin. Das Paar hatte sich bei einem Urlaub auf Sizilien kennen und lieben gelernt und sich dann in Apenrade niedergelassen. Christine besuchte dort die deutschen Institutionen, „bis hin zum  DGN“, wie sie berichtet. „Ich bin sicher, dass es mir durch die Zweisprachigkeit leichter fällt, Sprachen zu lernen. Außerdem ist auch dadurch eine große Neugier entstanden, fremde Kulturen kennenzulernen.“ 

Ihr Freundeskreis ist inzwischen über die ganze Welt verstreut. Meist sind es Menschen, die sie bei ihren Kursen oder über das Internet kennengelernt hat. 

Bei einem Video-Dreh im Landesteil Pandschab entstand diese Aufnahme. Foto: Privat
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