Deutsche Minderheit

Von Apenrade nach Armenien: Thea Jürgensens Freiwilligenjahr

Von Apenrade nach Armenien: Thea Jürgensens Freiwilligenjahr

Von Apenrade nach Armenien: Thea Jürgensens Freiwilligenjahr

Apenrade/Jerewan
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Thea Jürgensen (4.v.l.) in einem Sommercamp im Norden Armeniens Foto: privat

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Für ein Jahr lebt die Apenraderin Thea Jürgensen in Armenien, um armen Menschen zu helfen. Die 20-Jährige hat sich in das Land verliebt und erzählt von den schwierigen und schönen Seiten ihres Freiwilligenjahres in Jerewan. Eine Situation hat besonders tiefen Eindruck hinterlassen: Als Menschen aus Bergkarabach nach Armenien geflohen sind.

„Armenien hat so viel zu bieten. Überall Berge, ein riesiger See, in dem man im Sommer schwimmen kann, und ganz viele Wasserfälle. Und herzliche Menschen.“

Thea Jürgensen arbeitet für ein Jahr als Freiwilligenhelferin in Armenien. Die ehemalige Schülerin des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig (DGN) wollte schon lange als Freiwillige arbeiten – seitdem sie als Kind in Ghana gelebt und selbst eine junge Frau kennengelernt hat, die zu einem Freiwilligendienst gehörte. Inzwischen hat sie schon vieles erlebt – im September war die Apenraderin dabei, als ihr Hilfswerk Geflüchteten aus Bergkarabach Schutz geboten hat.  

Pläneschmieden

Der Plan sei ursprünglich gar nicht Armenien gewesen, erzählt die 20-Jährige dann. Eigentlich wollte die Freiwillige nach Peru, hat dann jedoch das Europäische Solidaritätskorps gefunden.

„Irgendwie hab ich gesehen, dass es ganz viele Projekte in Armenien gab, und das fand ich richtig interessant“, erinnert sich Thea Jürgensen. Ein Bewerbungsgespräch später ging es für die Apenraderin auch schon nach Jerewan, in die Hauptstadt von Armenien.

„Und ich habe gerade tatsächlich meinen Aufenthalt hier verlängert“, fügt die Freiwillige hinzu. „Jetzt mache ich insgesamt ein ganzes Jahr.“

Außer Jürgensen arbeitet noch ein weiterer Freiwilliger mit in ihrem Hilfswerk. Zusammen stemmen die beiden ihre Aufgaben. Die Zusammenarbeit funktioniere gut, versichert sie. „Wir haben nicht zu viel Arbeit und auch nicht zu wenig.“

Thea Jürgensen und Vardan, ihr armenischer Opa, mit dem sie arbeitet Foto: Thea Jürgensen

Kein Tag gleicht dem anderen

Langweilig wird es der 20-Jährigen nicht. Thea Jürgensen beschreibt ihre Tage mit viel Abwechslung, jeden Tag erwartet sie etwas anderes.

Das Hilfswerk, bei dem Jürgensen arbeitet, ist dafür verantwortlich, Nahrung und Geld an bedürftige Familien mit Kindern zu geben. Spenderinnen und Spender aus Deutschland ermöglichen das mit Geld.

„Manchmal bekomme ich um zehn Uhr abends eine Nachricht: Wir fahren morgen in dieses Dorf. Hast du Lust mitzukommen?“, so die 20-Jährige. Einen festen Alltag hat Thea Jürgensen kaum.

So ist sie mit dabei, wenn die Freiwilligenarbeitenden in ganz Armenien in Dörfer fahren, um Familien mit Kindern Essen zu geben. Kinder aus der Nähe des „Dorfes der Hoffnung“ kommen zum Hilfswerk, um dort verpflegt zu werden. Alle zwei Monate würden die Freiwilligen auch Essenspakete zusammenpacken.

Dokumentieren, wie die Leute leben, mit Fotografien und Videoreportagen, auch dafür ist Thea Jürgensen mitverantwortlich. „Das wird dann an die Spender geschickt“, erklärt die 20-Jährige.

Am Stadtrand Jerewans hat das diakonische Hilfswerk das „Dorf der Hoffnung“ erbaut, um in 81 Wohnhäusern Familien kostenlos zu beherbergen, die aus schlimmen Wohnverhältnissen kommen. In diesem Dorf gibt die Freiwillige Kindern täglich Englisch- und Kunstunterricht.

Den Berg Ararat sieht man von überall in Jerewan. Foto: Thea Jürgensen

Immer wieder Sprachbarrieren

Einfach sei das nicht immer, überlegt Thea Jürgensen. „Hier spricht kaum einer Englisch. Eher Armenisch oder Russisch.“ Eine Herausforderung für die 20-Jährige, die inzwischen zumindest ein bisschen Armenisch dank ihres Sprachunterrichts kann.

Gerade die kleinen Kinder, die die Freiwillige unterrichtet, könnten noch gar kein Englisch, die größeren zumindest ein wenig. „Immerhin habe ich einen Übersetzer an meiner Seite, in beiden Fächern“, erklärt Jürgensen. Dann gibt sie zu: „Das ist aber ein 14-jähriger Junge, der auch nicht ganz so gut Englisch kann. Aber wir kriegen es hin und haben immer Spaß.“

Auf ihrer Arbeit sieht es anders aus: Da sprechen viele Englisch, teilweise sogar auch Deutsch. Verständigung ist hier kein Problem.

Dänemark, Armenien und Unterschiede zwischen den Kulturen

Eine andere Art der Verständigung – das ist auch das Erste, was Thea Jürgensen auffällt, als sie darüber nachdenkt, wie Armenien und Dänemark sich unterscheiden. „In Nordschleswig kann ich mich mit den Menschen verständigen. In Armenien habe ich es schwerer“, erklärt die Apenraderin.

Auch in der Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Menschen sieht die 20-Jährige einen großen Unterschied. Arme Menschen, bei denen die Freiwillige zu Besuch ist, würden teilweise Früchte und Kuchen für sie herrichten, wenn die Apenraderin vorbeikommt.

Und: „Hier wirst du überall umarmt. Omas küssen dich auf die Wange, und im Bus steht jeder für dich auf und macht Platz. In Dänemark hast du das nicht.“ Jürgensen beschreibt es so: „Wenn man in Dänemark sieht, dass jemand Hilfe braucht, fragt man erst mal. In Armenien hilfst du sofort.“

Die Freiwillige ist gerne in Armenien, ihr gefällt die Herzlichkeit der Menschen. Foto: Thea Jürgensen

Dabei fallen der Freiwilligenhelferin nicht nur positive Unterschiede zu Dänemark auf. Thea Jürgensen kritisiert, dass sie sich in Armenien zum Beispiel nicht immer so anziehen kann, wie sie will.

„Vor allem im Sommer fand ich das immer schwierig. Da habe ich dann Kleider getragen oder Röcke, und Männer haben mir die ganze Zeit hinterhergeguckt, gepfiffen oder sind mir auch gefolgt.“

Bei einem ist sich Thea Jürgensen sicher: Das Positive dieser komplett anderen Kultur überwiegt trotzdem dem Negativen.

Nicht immer leicht

In ihrem Freiwilligendienst erlebt Jürgensen immer wieder schwierige Situationen, die schwer zu verdauen sind. Die Freiwillige erzählt, sie könne sich immer ihren Freunden und ihrer Familie anvertrauen. „Es ist auch wichtig, dass ich mit den Leuten darüber rede und mit ihnen versuche zu überlegen, was man machen kann, um die Probleme zu lösen“, fügt die 20-Jährige hinzu.

Bisher besonders geprägt habe die Apenraderin der September vergangenen Jahres, als Geflüchtete von Bergkarabach nach Armenien kamen. Nach dem Angriff auf die Stadt hat das diakonische Hilfswerk viel geholfen, erinnert sich Thea Jürgensen.

„Und ich glaube, das war das erste Mal, wo ich dachte, das ist wirklich schlimm. Vorher habe ich ja ganz viele Häuser besucht und Familien, die dort gelebt haben, aber das war wirklich das Schlimmste. Das hier sind Geflüchtete, das sind Kinder.“

Die Freiwilligen bereiten Lebensmitteltüten für Geflohene aus Bergkarabach vor. Foto: Thea Jürgensen

Sieben Kinder waren es in einer, wie Jürgensen beschreibt, „schäbigen“ Hütte auf einem Hügel, wo eines davon ein kleines Baby ist. Alle dreckig, das Baby mit Schmutz hinter den Ohren.

Thea Jürgensen hat für eines der Projekte der Hilfswerke warme Mahlzeiten zu einer Familie gebracht. Die Mutter habe die ganze Zeit Sätze auf Armenisch geschrien. Die Freiwillige erzählt, die Behörden würden drohen, die Kinder wegzunehmen.

Zurückblickend beschreibt Jürgensen, wie merkwürdig es für sie war, dort zu sein. „Zu wissen, dass diese Kinder, die hier aufwachsen, nicht sehr gute Chancen haben, aus dieser Armut rauszukommen ist komisch. Darüber denke ich ganz viel nach.“  

Eine Familie zu besuchen, heißt nicht immer, dass diese ein schlechtes Leben hat. „Oft ist man bei einer Familie zu Hause und sieht, dass sie immer noch ein schönes Leben haben und trotz ihrer Armut lernen, darin zu navigieren.“

Eine schöne Zeit in Armenien

Thea Jürgensen mag es, in Armenien zu sein, das bestätigt sie immer wieder. Sie erlebt viel Kultur, sagt auch selbst: „Ich finde es richtig cool, dass ich durch meine Arbeit so viel von Armenien sehen darf. Wir haben wirklich überall im Land Menschen, die wir unterstützen.“

Die 20-Jährige ist begeistert und beschreibt die Menschen, mit denen sie zusammenarbeitet, als „süß“ und „liebevoll“. Die Zusammenarbeit macht der Apenraderin Spaß, auch dass sie für die Organisation Videoreportagen drehen kann, in denen sie erzählt, was sie macht und wo sie ist.  

Zehn Monate ist sie bereits da, zwei Monate noch, bis es wieder nach Hause nach Apenrade geht. Und dann beginnt auch schon ihr nächstes Abenteuer … ein Studium in Aarhus.  

 

Zu Thea Jürgensens Bericht über ihre Zeit in Armenien geht es hier.

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