Bibliothekswesen

Dieser Hund hat die Lizenz zum Zuhören

Dieser Hund hat die Lizenz zum Zuhören

Dieser Hund hat die Lizenz zum Zuhören

Tingleff/Tinglev
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Goldendoodle Willi ist offizieller Lesehund Foto: kjt

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Er fasste vor einigen Jahren Pfote in der Werbebranche und hat nun auch die Befähigung zum Lesehund erlangt: Der Goldendoodle Willi von Frauchen Vibeke Holm Hansen aus Tingleff ist ein wuscheliger Vierbeiner, der Kindern beim Vorlesen hervorragend zuhören kann. Seinen Premierendienst als Lesehund in der dänischen Bibliothek hat Willi bereits hinter sich.

Dunkle Knopfaugen, flauschig-gekräuseltes Fell und ein dezent geöffnetes Maul, als würde er immer lächeln: Goldendoodle Willi – eine Kreuzung aus Golden Retriever und Pudel – ist einfach süß. Man will den niedlichen, neugierigen und anhänglichen Hund am liebsten sofort mit nach Hause nehmen.

Willi hat allerdings schon ein Zuhause. Der sechsjährige Rüde gehört der Tinglefferin Vibeke Holm Hansen und ihrem Lebensgefährten Andreas Carstensen, die große Freude an ihm haben. Vor allem Vibeke versteht sich mit Willi blind. Und umgekehrt.

Willi ist geduldig, gehorsam, schlau und hat ein einfühlsames Gemüt. An diesem Wesen sollten auch andere Freude haben, sagte sich Vibeke Holm und entschied, Willi der dänischen Bibliothek in Tingleff ehrenamtlich als Lesehund anzubieten.

Die Idee des Lesehundprojekts der Bibliotheken: Einmal wöchentlich sitzt oder liegt der Hund in Begleitung von Frauchen oder Herrchen an der Seite eines Kindes in der Bibliothek und ist stiller Partner beim Vorlesen. Damit soll die Lesefähigkeit und die Leselust gestärkt werden.

Zottelig und emphatisch

Den Eignungstest für diesen ehrenamtlichen Sonderdienst hat Willi vor Kurzem mit Bravour bestanden. „Wir waren einen Tag in Viborg, wo Experten sich davon überzeugten, ob Willi die richtigen Eigenschaften mitbringt. Es lief alles problemlos. Willi war die Ruhe selbst und hat alle begeistert“, erzählt Vibeke Holm mit leuchtenden Augen.

Ob Tierbücher oder andere Werke: Willi ist beim Vorlesen ein guter Zuhörer. Beim Interview waren Willi und Frauchen Vibeke in der deutschen Bücherei Tingleff, wo „Der Nordschleswiger“ ein Redaktionsbüro hat. Vielleicht wird der Goldendoodle ja bald auch in der deutschen Bücherei aktiv. Foto: kjt

2017 überzeugte Willi mit seiner sanften Art auch schon eine Tierzubehörfirma, die den damals noch jungen Goldendoodle in Produkt-Werbefilmen auftreten ließ.

Bei der Leseeinheit bekommt Willi ein Lesehalstuch um und wird auf eine Lesehunddecke direkt beim Vorleser beordert. Dort harrt er dann seelenruhig aus. „Er weiß, dass er dann auf Arbeit ist und sich nicht wegbewegen soll“, erwähnt Frauchen Vibeke.

Lesehund Willi mit Frauchen Vibeke Holm Hansen, die meist strickt, wenn ihr Vierbeiner im Einsatz ist. Foto: kjt

Bei den ersten Leseeinheiten in der Bibliothek mit einem neunjährigen Jungen klappte Willis Lesedienst auf Anhieb.

„Kaum hatte der Junge bei der ersten Lesestunde auf dem Sofa mit dem Vorlesen angefangen, schmiegte sich Willi an ihn und legte sein Kinn auf das Bein des Jungen. Willi hat ein Gespür für die Situation“, schwärmt Vibeke Holm.

Bibliotheken in Dänemark vermittelt Kinder bis Klasse vier an einen Lesehund mit Herrchen oder Frauchen. Sechs Wochen lang bildet man bei jeweils einer Leseeinheit pro Woche ein Team. Die Hunde haben zuvor einen Eignungstest absolviert.

Geglückter Auftakt

Der neunjährige Junge ist Willis allererster Lesepartner. „Ich bin in der Nähe, halte mich aber ganz zurück und lasse den Jungen und Willi allein. Ich stricke meist“, erzählt Vibeke Holm von der Lesestunde in der dänischen Bibliothek.

Etwa 20 Minuten dauern die Vorleseeinheiten, danach kann noch etwas gespielt und gestreichelt werden, bis es dann heißt: „Tschüss Willi – bis nächste Woche.“

Für das Vorlesen bekommen die Kinder beim Lesehundprojekt ein Diplom. Foto: kjt

Mit dem Gemüt, dem Spürsinn und der besonderen Art, wie er auf Menschen reagiert, könnte Willi ein hervorragender Therapiehund sein. Dieser Gedanke habe sie auch schon gestreift. Ob es ein neues Aufgabenfeld für ihren Hund wird, lasse sie aber noch offen, so Vibeke Holm Hansen.

Auch ein Hund will Freizeit haben

Doch die Ausbildung zum Therapiehund ist nicht nur für den Hund viel umfangreicher, sondern verlangt auch ganz viel von der Besitzerin oder dem Besitzer ab. Und außerdem: Freizeit soll für Willi ja auch noch ein bisschen vorhanden sein, auch wenn er die Sonderdienste gern leistet.

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