Geschichte

Lokalhistorische Archive finden Gehör bei Ministerin und im Folketing

Lokalhistorische Archive: Gehör bei Ministerin und Folketing

Lokalhistorische Archive: Gehör bei Ministerin und Folketing

Tondern/Kopenhagen
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Birgitte Thomsen setzt sich im Verband der Lokalarchive für Gesetzesänderungen ein, die eine Arbeit der lokalhistorischen Archive mit Bildmaterial ohne Konflikt mit Datenschutzverordnungen zulassen (Archivfoto). Foto: JydskeVestkysten / André Thorup

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Tonderner Archivleiterin: Angesichts des drohenden Abwürgens der Arbeit der Archive durch die Datenschutzverordnung stellen das Kulturministerium und die kulturpolitische Sprecherinnen der Parteien Änderungen des Archivgesetzes in Aussicht. Bisher dürfen nur staatliche Archive und Museen Dokumente verwahren.

In Dänemark gilt seit einigen Jahren die EU-weite Datenschutzgrundverordnung. Diese verpflichtet auch die vielen lokalhistorischen Archive in Nordschleswig und dem übrigen Dänemark dazu, bei Veröffentlichungen oder auch nur der Verwahrung von Bildern aus dem örtlichen Leben von den auf den Dokumenten sichtbaren Personen Genehmigungen dazu vorzulegen.

Staatliche Archive haben freie Hand

„Nur staatliche Archive und Museen haben aufgrund gesetzlicher Regelungen im dänischen Archivgesetz die Möglichkeit, mit Fotos oder Bildern aus dort gelagerten Sammlungen ohne Genehmigungen der betroffenen Personen oder deren Angehörigen zu arbeiten“, berichtet Birgitte Thomsen, Leiterin des Lokalhistorischen Archivs der Stadt Tondern und der Dörfer der alten Kommune.

Birgitte Thomsen, die auch die übrigen lokalhistorischen Archive der seit 2007 bestehenden großen Kommune Tondern unterstützt, war im Zuge ihres Engagements im Verband der dänischen Lokalarchive auf das drohende Abwürgen eines Großteils der Aktivitäten der lokalhistorischen Archive durch die Datenschutzverordnung aufmerksam geworden.

Im Lokalhistorischen Archiv sind ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig, um Dokumente zur Ortsgeschichte zu verwahren und auszuwerten. Es werden viele Anfragen beispielsweise von Familienforscherinnen und -forschern beantwortet. Jeden Montagnachmittag trifft sich das Team im Gebäude neben der Hoyeraner Mühle. Foto: Volker Heesch

 

„Der Datenschutz hat selbstverständlich seine Berechtigung“, so Birgitte Thomsen im Gespräch mit dem „Nordschleswiger“. Allerdings würden die Vorschriften die lokalhistorischen Archive lähmen, wenn Einverständniserklärungen von unzähligen Menschen einzuholen sind, die beispielsweise auf Fotosammlungen der Sportvereine mit 50 Jahre alten Abbildungen oder auf Konfirmandenfotos aus noch länger zurückliegenden Zeiten sichtbar sind.

„arkiv.dk“ droht das Aus

Vor allem droht auch dem per Internet zugänglichen Bilderarchiv „arkiv.dk“, das von Hunderttausenden Personen in Dänemark genutzt wird, das Ende. Die meist ehrenamtlichen Teams in den lokalhistorischen  Archiven könnten nicht länger zu deren Öffnungszeiten oder per E-Mail eingereicht Fragen beantworten.

Allein im Lokalhistorischen Archiv Tondern sind nach Angaben Birgitte Thomsens 2021 aus dem digitalisierten Bilderverzeichnis über „arkiv.dk“ nicht weniger als 120.000 Fotos aufgerufen worden. Es gingen im vergangenen Jahr per E-Mail 2.500 Anfragen oder Einlieferungen ein. „Bisher ist die Lage noch nicht so akut, dass lokalhistorische Archive ihre Verzeichnisse aufgrund der Datenschutzvorschriften schließen mussten“, berichtet die Archivleiterin.

Verständnis im Kulturausschuss

Ohne Gesetzesänderungen zugunsten der lokalhistorischen Archive sehe deren Zukunft düster aus. Doch Birgitte Thomsen hofft ebenso wie weitere Aktive im Verband der Lokalarchive auf eine Lösung. „Am 8. Juni hatten wir im Kulturausschuss des Folketings Gelegenheit, unsere Anliegen bezüglich des Datenschutzes dazulegen“, berichtet die Historikerin. Sämtliche kulturpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen hätten Unterstützung für Regelungen zugunsten der lokalhistorischen Archive signalisiert.

Ane Holsboe-Jørgensen will helfen

Auch Kulturministerin Ane Halsboe-Jørgensen (Soz.) habe sich bereiterklärt, den lokalhistorischen Archiven in Sachen Datenschutz zu helfen. „Unser Anliegen wird ernst genommen“, so Birgitte Thomsen. Das Ministerium hat einen Kontorchef beauftragt, mit dem Verband der Lokalarchive gesetzgeberische Möglichkeiten zu erörtern. „Auch die Datenschutzbehörde ,Datastyrelsen´ hat Kontakt zu uns aufgenommen“, berichtet sie.

„Es bestehen gute Aussichten zu einer Reform des Archivgesetzes“, so Birgitte Thomsens Einschätzung. Sie hat große Hoffnungen, dass das Ministerium eine Gesetzesänderung einleitet.

Landesweit 600 lokalhistorische Archive

Gefährden könnte das Vorhaben nur eine frühzeitige Folketingswahl. Die Zeit drängt, so die Archivleiterin, denn unter den geltenden gesetzlichen Vorschriften lagern in fast allen lokalhistorischen Archiven Dänemarks, es sind nicht weniger als 600, jede Menge illegale Materialien.

Tragisch wäre es, dass Materialien vernichtet werden müssten, die von Vereinen, Angehörigen und auch öffentlichen Einrichtungen an örtliche Archive übergeben wurden, mit der Vorstellung, dass sie dort sicher verwahrt werden und der Öffentlichkeit zugänglich bleiben. Neben Familienforschern greift auch die wissenschaftliche Forschung auf lokalhistorische Archive zurück. Viele lokalhistorische Bücher könnten nicht mehr herausgegeben werden, Vorträge mit Lichtbildern könnten vielfach nicht mehr stattfinden.    

 

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