Weltkulturerbe

Hinrich Jürgensen: UNESCO hat wichtige Chance verpasst

Hinrich Jürgensen: UNESCO hat wichtige Chance verpasst

Hinrich Jürgensen: UNESCO hat wichtige Chance verpasst

Nordschleswig/Brüssel
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Die UNESCO meint, das Bewerben sei zu weit gefasst. Foto: Lars Salomonsen, Flensborg Avis

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Die UNESCO hat das Grenzland-Modell nicht als Weltkulturerbe anerkannt. Es liege nicht an den Vorarbeiten, meint der Vorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger.

Es hatte sich zwar bereits mehr als angedeutet, dass es mit der Anerkennung des deutsch-dänischen Minderheitenmodells als immaterielles Weltkulturerbe nicht klappen würde. Dennoch hatte man bis zum Schluss gehofft.

„Ich finde es sehr, sehr schade, dass die UNESCO sich dagegen entschieden hat“, sagt der Vorsitzende des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN), Hinrich Jürgensen.

Bedauern in Flensburg und Kopenhagen

Auch bei der dänischen Minderheit in Südschleswig ärgert man sich über die Entscheidung.

„Es kann einen wundern, dass die UNESCO den gesellschaftlichen Vertrag zwischen Minderheits- und Mehrheitsbevölkerungen im Grenzland als gutes Praxisbeispiel nicht würdigt. Das Modell sichert die Gleichstellung und letztendlich Demokratie und Frieden in einer Grenzregion“, sagt der Generalsekretär der Südschleswigschen Vereinigung (SSF), Jens A. Christiansen, laut einer Pressemitteilung.

Info: Immaterielles Kulturerbe

Das deutsch-dänische Grenzland ist im Dezember 2018 in Deutschland als „immaterielles Kulturerbe“ anerkannt worden und auch in Dänemark steht es auf der nationalen Liste. Das Ziel der neuen Bewerbung war es, auch von der Unesco und somit weltweit als immaterielles Kulturerbe anerkannt zu werden.

Als immaterielles Kulturerbe werden kulturelle Ausdrucksformen bezeichnet, die unmittelbar von menschlichem Wissen und Können getragen, von Generation zu Generation weitervermittelt und stetig neu geschaffen und verändert werden.

Das immaterielle Kulturerbe ist international und oft national rechtlich geschützt. Die Unesco und Partnerorganisationen versuchen, den  Schutz zu koordinieren und sicherzustellen.

Auch die dänische Kulturministerin Ane Halsboe-Jørgensen (Soz.) hatte auf eine Anerkennung gehofft.

„Es ärgert mich natürlich, dass die UNESCO das dänisch-deutsche Minderheitenmodell nicht als immaterielles Kulturerbe anerkannt hat. Das ändert jedoch nichts daran, dass das dänische-deutsche Modell zur friedlichen Koexistenz in einer kulturell vielfältigen Grenzregion ein gutes Vorbild für andere Grenzregionen ist, die sich durch das Minderheitenmodell und die friedliche Koexistenz inspirieren lassen können“, sagt sie laut einer Pressemitteilung.

Schwieriger Prozess

Es war von vorneherein klar, dass die Anerkennung schwierig werden könnte, denn das Minderheitenmodell passt nicht hundert Prozent zu den Richtlinien der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe.

„Es gab jedoch Signale von der UNESCO, dass man erwäge, neue Wege zu gehen, und daher haben wir natürlich gehofft, dass es klappen könnte. Ich finde, die UNESCO hat eine wichtige Chance verpasst, fortschrittlich und neu zu denken“, so BDN-Chef Jürgensen.

Ähnlich sieht das der Kollege vom SSF.

„Gerade in einer Welt voller Konflikte hätte das Modell die Anerkennung verdient“, meint Christiansen.

Auch Jürgensen bedauert, dass die UNESCO in einer konfliktreichen Welt nicht dieses Signal gesetzt hat. Er freut sich jedoch darüber, dass sowohl Deutschland als auch Dänemark das Minderheitenmodell auf die nationale Liste über immaterielles Kulturerbe gesetzt hat.

Am Antrag hat es bestimmt nicht gelegen, denn der war sehr, sehr ausführlich.

Hinrich Jürgensen, Vorsitzender des BDN

Info: Kulturerbe national und weltweit

Das deutsch-dänische Grenzland ist im Dezember 2018 in Deutschland als „immaterielles Kulturerbe“ anerkannt worden und auch in Dänemark steht es auf der nationalen Liste. Das Ziel der neuen Bewerbung ist es, auch von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt zu werden. Ziel war es, dies bis 2020 zu erreichen. Das kann jedoch aufgrund der umfangreichen Bewerbungsarbeit nicht erreicht werden.

Kommission war gegen Anerkennung

Bereits vergangene Woche war klar, dass es eng werden würde. Eine Fachkommission der UNESCO hatte in einer Vorbewertung der Bewerbung ein ziemlich vernichtendes Urteil abgegeben.

„Die Beschreibung des Modells ist zu weit gefasst, um beurteilen zu können, inwiefern es den Prinzipien und Zielen der Konvention gerecht wird“, schreibt die Kommission.

Auch sei unklar, welche Elemente des Modells anderen Ländern und Grenzregionen als Vorbild dienen könne. „Die Bewerbung enthält nicht ausreichend Information darüber, welche Elemente des Modells dem Schutz von spezifischen Elementen des immateriellen Kulturerbes oder des immateriellen Kulturerbes im Allgemeinen dienen würden“, heißt es weiter.

Hinrich Jürgensen meint, die Bewerbung sei ausführlich genug gewesen. Foto: Karin Riggelsen

Hinrich Jürgensen, was sagst du zu der impliziten Kritik in der Beurteilung der Kommission?

„Es ist eben sehr umfangreich, ein friedliches Zusammenleben zu beschreiben. Es ist schwierig, genau zu schildern, wie der Weg von Feindschaft zu Freundschaft gewesen ist. Das ist nicht so handgreiflich, wie zum Beispiel der grönländische Trommeltanz (der anerkannt wurde, Red.). Doch auch wenn es nicht hundert Prozent zu den Kriterien passt, hatten wir auf eine Anerkennung gehofft.“

Waren die Vorarbeiten gründlich genug?

„Ja, das Material ist gründlich genug. Auch ist es normal, dass die UNESCO nachfragt, wenn sie etwas genauer wissen möchte, und hier gab es keine Nachfragen. Deshalb waren einigen von uns zunächst recht optimistisch. Am Antrag hat es bestimmt nicht gelegen, denn der war sehr, sehr ausführlich. Alle Beteiligten haben eine Heidenarbeit geleistet, und dafür möchte ich ihnen großen Dank aussprechen.“

Weder der BDN noch der SSF wollen ausschließen, dass es einen zweiten Anlauf geben könnte, doch müsse dies zunächst näher besprochen werden. Jürgensen meint, ein neuer Versuch sei vor allem sinnvoll, sollte die UNESCO signalisieren, dass sie die Richtlinien ändern würde.

 

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