Krieg in der Ukraine

Russland-Kenner: Die jungen Menschen wissen größtenteils Bescheid

Russland-Kenner: Die jungen Menschen wissen größtenteils Bescheid

Russland-Kenner: Die jungen wissen größtenteils Bescheid

Tingleff/Tinglev
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In Russland werden die kriegerischen Handlungen in der Ukraine anders dargestellt. Foto: Emilio Morenatti AP/dpa

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Der aus Rothenbek bei Tingleff stammende Günther Iwersen hat privat wie auch beruflich Kontakte nach Russland. Was sagen seine Kontakte zum Einmarsch der Russen in die Ukraine? Iwersen erzählt.

Günther Iwersen wohnt in Århus und ist Exportmanager für den Gebäckhersteller „Jacobsens Bakery“.

Als Geschäftsmann hat er vor geraumer Zeit einige Jahre lang in Russland gelebt und ist mit einer Russin verheiratet.

Er hat Kontakte zu Angehörigen und Bekannten seiner Frau und ist als Exportmanager auch beruflich mit Russen vernetzt.

Wie reagieren seine Kontakte auf die Situation in der Ukraine? Wissen sie trotz massiver Informationseinschränkungen des russischen Staatsapparates über die Kriegshandlungen Bescheid?

„Alle Personen, mit denen ich in Kontakt war und bin, wissen Bescheid. Es sind vor allem junge Menschen oder Personen, die sich mit dem Internet und Kommunikationsplattformen gut auskennen, und die an Informationen über die aktuelle Lage gekommen sind. Sie sind entsetzt“, so Günther Iwersen im Telefoninterview.

Die Möglichkeiten der russischen Bürgerinnen und Bürger, sich über soziale Medien, andere Quellen im Internet oder im Fernsehen auf dem Laufenden zu halten, werden vom russischen Staat inzwischen massiv eingedämmt.

Propaganda allgegenwärtig

Menschen, die ihre Informationen von gesteuerten russischen Hauptfernsehsendern holen, sind buchstäblich anders gepolt, berichtet Iwersen. Sie sehen Russland im Recht und kennen die tatsächliche Lage in der Ukraine gar nicht.

„Dazu gehörte meine Schwiegermutter, die in Moskau lebt“, erzählt der aus Rothenbek (Rødebæk) bei Tingleff  stammende Günther Iwersen.

„Sie war zu Beginn des Krieges für Putin und glaubte all das, was das russische Staatsfernsehen über die Ukraine-Situation von sich gab. Wir haben ihr gesagt, sie solle mal andere ausländische Kanäle anschauen, als es noch möglich war. Das hat sie dann getan und hat ihre Meinung inzwischen geändert“, berichtet er.

Er sei erleichtert, dass seine Schwiegermutter die kriegerische Handlung Russlands erkannt hat und dem mittlerweile kritisch gegenübersteht.

Günther Iwersen ist mit einer Russin verheiratet und hat auch beruflich Kontakte zu Russland. Foto: Privat

An Informationen zu kommen, wird in Russland allerdings immer schwieriger. Es sei nur zu wünschen, dass möglichst viele Russinnen und Russen den Einmarsch ihres Staats, das Entsetzen in aller Welt und die vielen Sanktionen im Detail erfahren und sich vereint gegen die Machenschaften Putins auflehnen, so die Einschätzung Iwersens.

Vereint gegensteuern

Er sei sich sehr wohl darüber im Klaren, dass russischen Bürgerinnen und Bürgern harte Konsequenzen drohen, wenn sie gegen das Regime und den Krieg in der Ukraine protestieren.

„Es lässt sich von hier natürlich leicht sagen, aber es scheint ganz wichtig zu sein, dass sich die Bevölkerung gegen Putin stellt. Wer weiß, was er noch alles anstellen wird.“

Gegenwehr, zumindest in den Köpfen, gebe es genug. Das sei zumindest sein Eindruck, wenn er mit Geschäftspartnern und Geschäftsfreunden in Russland kommuniziert.

„Sie sagen mir, dass es schrecklich ist, was gerade passiert“, so Iwersen.

Die Leute hier differenzieren zum Glück und sehen die Schuld nicht beim russischen Volk.

Günther Iwersen

Der Export seiner Firma nach Russland und auch in die Ukraine ist derzeit eingestellt. Wirtschaftlich bedeute es nicht den ganz großen Schaden für „Jacobsens Bakery“, denn der Exportanteil in diese beiden Länder ist verhältnismäßig gering. Menschlich sei es aber tragisch, so Iwersen.

Bitter ist es auch für seine Ehefrau in Århus. Ihr National- und Heimatgefühl wird angesichts des kriegerischen Vorgehens ihres Landes auf eine Zerreißprobe gestellt.

Anfeindungen in Dänemark hätten seine Frau und der 14-jährige Sohn Michael bislang nicht erlebt.

Russisch-ukrainische Gemeinschaft

„Die Leute hier differenzieren zum Glück und sehen die Schuld nicht beim russischen Volk“, sagt Günther Iwersen.

Die Gattin und der Sohn sind als Teil der dänischen Gemeinschaft akzeptiert und respektiert. Auch das erleichtere ihn, und er hoffe, dass es so bleibt, so Iwersen.

In Århus gibt es eine russisch-ukrainische Gemeinschaft.

Zu dieser Gruppe hatten seine Frau und Sohn Michael Kontakt. Man traf sich und tauschte sich aus. Es sei eine schöne Sache, um Kultur und Bräuche der eigenen Herkunft zu pflegen.

„Ob diese Gemeinschaft angesichts der aktuellen Ereignisse in der Ukraine fortbestehen wird, ist aber fraglich“, gibt sich Günther Iwersen skeptisch.

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