Krieg in der Ukraine

Russland-Kenner: Ablehnung ist noch da, es tut sich aber nichts

Putin-Ablehnung ist noch da, es tut sich aber nichts

Putin-Ablehnung ist noch da, es tut sich aber nichts

Tingleff/Tinglev
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Nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine begaben sich viele Menschen auf die Flucht, unter anderem auch nach Dänemark (Archivfoto). Foto: Karsten Sörensen

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Kontaktpersonen von Günther Iwersen in Russland zeigten sich vor einem Jahr nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges entsetzt über das Vorgehen Putins und hätten dem Treiben am liebsten sofort ein Ende gesetzt. Ihre Meinung hat sich offenbar nicht verändert, die Ausgangslage allerdings auch nicht. Iwersen verspürt Resignation und Ohnmacht.

Hatte der eine oder andere womöglich nur so getan und ist gar nicht so sehr gegen den Einmarsch Russlands gewesen, wie es dem in Aarhus wohnenden Günther Iwersen vor fast einem Jahr versichert wurde?

Iwersen ist mit einer Russin verheiratet, hat viele Jahre beruflich in Russland zu tun gehabt und kennt viele Russinnen und Russen.

Der Krieg jährt sich, und obwohl Russinnen und Russen ihm gegenüber Protest äußerten und Forderungen nach Widerstand aus dem Volk laut wurden, hat sich nichts getan.

Die Leute, mit denen er in Kontakt steht, haben ihre Meinung allerdings nicht geändert. Seiner Einschätzung nach ist die Ablehnung nach wie vor spürbar.

Nun ist der Austausch Günther Iwersens mit Russinnen und Russen nicht repräsentativ. Noch immer gibt es eine große Bevölkerungsgruppe, die hinter der Mission Putins steht, sei es aus innerer Überzeugung oder wegen der Propaganda des Staatsapparates.

Wenn es auf der anderen Seite aber auch Ablehnung zu geben scheint, warum ist überhaupt keine Veränderung in Sicht?

Angst vor Konsequenzen

Für Iwersen liegt es auf der Hand, und er macht den Kontakten und Freunden in Russland keinen Vorwurf.

„Es ist ja bekannt, dass jeder in Russland, der sich negativ über den Krieg äußert oder sich gegen das Regime stellt, mit schlimmen Konsequenzen zu rechnen hat. Die Menschen sind eingeschüchtert“, so Iwersen im Telefoninterview.

 

Viele Menschen aus der Ukraine flüchteten mit dem Bus vor dem Krieg in ihrem Land (Archivfoto). Foto: Karsten Sörensen

Er verspüre bei den Gegnern des Krieges Resignation. Die Lage ist festgefahren, es haben sich Ohnmacht und beim „einfachen Russen“ auch Gleichgültigkeit breitgemacht, so seine Einschätzung, die er von der Kommunikation nach Russland bis hin zu Sibiren ableitet.

„Das alltägliche Leben in Russland läuft ganz normal ab. Von den Sanktionen spüren die Menschen kaum etwas. Sie schauen auf sich und sehen zu, dass sie ihren Job behalten und ihr Auskommen haben. Was die Regierung macht, blenden viele aus. Keiner will es sich mit dem Staat verscherzen. Das ist einerseits verständlich, mit Blick auf das Handeln Putins aber auch bedauerlich“, so Iwersen, der in Rothenbek (Rødebæk) bei Tingleff aufgewachsen ist und als Volksgruppenangehöriger die deutsche Schule besucht hat.

Aufklärungsarbeit

Seine Informationen stützen sich auch auf familiäre Kontakte. Die Schwiegermutter lebt in Russland. Mit ihr wird regelmäßig telefoniert.

Seine Frau und der gemeinsame Sohn haben sie während des Krieges sogar zweimal besucht. Die Schwiegermutter sah anfangs auch nichts Verwerfliches bei der „Spezialoperation“, wie Putin den Einmarsch in die Ukraine kaschierte.

Nachdem Günther Iwersen und die Tochter ihr die Hintergründe erzählt und sie darauf hingewiesen hatten, dass sie sich nicht nur durch das staatliche Propagandafernsehen informieren solle, änderte auch sie ihre Sichtweise. Sie zähle mittlerweile ebenfalls zu den Gegnern des Ukrainekrieges, so Günther Iwersen.

Es ist ja bekannt, dass jeder in Russland, der sich negativ über den Krieg äußert oder sich gegen das Regime stellt, mit schlimmen Konsequenzen zu rechnen hat. Die Menschen sind eingeschüchtert.

Günther Iwersen

„Es war daher ein mulmiges Gefühl für meine Frau und meinen Sohn, die Mutter und Oma in Russland zu besuchen. Sie mussten besonders vorsichtig sein, denn dass sie aus dem Westen sind und in Dänemark ihren Wohnsitz haben, hat der Sicherheitsapparat sicherlich skeptisch gesehen, zumal Menschen aus dem Westen, auch Russen, oft mit Putin-Gegnern gleichgesetzt werden“, so Iwersen.

Lieber nicht mehr nach Russland

Die Besuche gingen gut, die Ehefrau und der Sohn im Teenageralter kehrten unversehrt nach Aarhus zurück. Es blieb aber ein ungutes Gefühl.

Günther Iwersen Foto: Privat

„Wir haben beschlossen, von den Besuchen erst einmal abzusehen. Der Konflikt zwischen Russland und dem Westen spitzt sich weiter zu, und man kann nie wissen, was Russland mit Landsleuten aus dem Westen macht, die ins Land kommen und nur kurz bleiben wollen. Vielleicht setzen sie meinen Sohn auf einmal fest und lassen ihn nicht ausreisen“, schildert Günther Iwersen seine Befürchtungen.

Kein Spießrutenlauf in Dänemark

Die Abneigung gegen Putins Politik und den Krieg gegen die Ukraine ist auch in Dänemark nach wie vor sehr ausgeprägt. Umso erleichterter sei er, dass seine russische Frau und sein Sohn im Alltag keine Schikane erleben. „Das ist zum Glück nicht der Fall. Die Schule meines Sohnes hat einen Fokus auf Mobbing. Die würden das im Keim ersticken. Es scheint aber kein Problem zu sein“, erwähnt Günther Iwersen.

Förderlich sei sicherlich, dass sich seine Frau und der Sohn von Putin distanzieren. Daran wird sich nichts ändern. Da ist sich Russland-Kenner Iwersen ganz sicher.

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