Wiederangliederung Nordschleswigs

Amüsante Minichronik: Tingleff zur Zeit der Grenzziehung

Amüsante Minichronik: Tingleff zur Zeit der Grenzziehung

Amüsante Minichronik: Tingleff zur Zeit der Grenzziehung

Tingleff/Tinglev
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Zu „100 Jahre Miteinander in Tingleff" ist eine kleine Chronik verfasst worden. Foto: DN

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Gelungener Plan B: Statt eines Theaterstücks anlässlich 100 Jahre dänische Wiederangliederung Nordschleswigs haben deutsche Institutionen und Vereine coronabedingt ein kleines Geschichtsheft mit Anekdoten aus dem Tingleffer Raum herausgebracht. Das informative und zugleich amüsante Werk kann ausgeliehen werden.

Wie war es eigentlich damals in Tingleff und Umgebung, als die Grenze neu gezogen wurde und als mit der Wiederangliederung Nordschleswigs (Genforening) 1920 auf einen Schlag alles wieder dänisch wurde? Wie lief das gesellschaftliche Leben damals zwischen den deutsch und dänisch gesinnten Menschen ab, und welche Ortsansässigen nahmen damals besondere Rollen ein?

All diese Fragen und Ansätze könnte man doch anlässlich des Grenzjubiläums szenisch auf die Bühne bringen, so die Idee der deutschen Einrichtungen und Institutionen.

Der BDN-Ortsverein Tingleff, die deutsche Bücherei, die Nordschleswigsche Gemeinde und die Jündewatter Laienspielgruppe um Rolf Pfeiffer taten sich zusammen und beantragten erfolgreich Zuschüsse für eine Veranstaltung im Jubiläumsjahr der Wiederangliederung.

Corona kam dazwischen

An der Freilichtbühne sollte das Event stattfinden. Rolf Pfeifer, treibende Kraft der Jündewatter Laienspieler, machte sich ans Werk und begann, Theaterszenen auf Grundlage lokalhistorischer Informationen zu verfassen und dabei amüsante Momente einfließen zu lassen.

Dann kam Corona! Das Projekt mit Theater und Feier an der Waldbühne konnte nicht umgesetzt werden.

Was nun, fragten sich die Initiatoren. Sie hatten sich schon so viele Gedanken gemacht und auch Fördermittel über den Bund Deutscher Nordschleswiger, von der Kommune und dem „Genforenings“-Topf erhalten. Da müsste es doch eine Alternative geben.

Gesagt, getan. Statt kleiner Theaterszenen ist ein Chronikheft auf Deutsch entstanden mit Ereignissen und besonderen Persönlichkeiten im Raum Tingleff während und nach der Grenzziehung.

„100 Jahre Tingleff Miteinander – 100 år Tinglev i fælleskab“ lautet der Titel des 51-seitigen Heftes, das als „geschichtlicher und humorvoller Abriss des gemeinsamen Miteinanders in unserer Gemeinde“ gedacht ist.

 

Im Miteinander-Heft wird unter anderem auch die damalige Volkshochschule erwähnt. Foto: DN

Rolf Pfeifer stöberte in lokalhistorischen Werken und Archiven nach markanten und eben auch lustigen Ereignissen der damaligen Zeit und griff exemplarisch besondere Personen auf.

Beim Verfassen arbeitete das Redaktionsteam mit Rolf Pfeifer, Betty Weinschenck (BDN-Ortsvereinsvorsitzende), Büchereileiterin Mareike Poté und den Pastoren Astrid und Ole Cramer mit Hauke Grella zusammen, der als Leiter des Deutschen Museums in Sonderburg (Sønderborg) ein Auge auf die geschichtlichen Daten hielt.

So findet unter anderem die Geschichte der Volkshochschule mit der legendären Leiterin Martha Werther Erwähnung, die die Einrichtung von 1912 bis 1945 leitete.

Informationen und Anekdoten

Auch der Bürgermeister der ersten Stunden nach der Wiederangliederung, der Pastor, der Polizist, die Gemeindeschwester, ein bekannter Bauer, der Bibliothekar, die Lehrkräfte und sogar ein Hexenmeister jener Zeit werden in der Chronik beschrieben, stets ergänzt mit ausgefallenen Randnotizen zum deutsch-dänischen Miteinander.

Es gibt einiges zu schmunzeln, wie zum Beispiel über den Pastor, der damals eine Kutsche mit einem störrischen Pony zur Verfügung gestellt bekommt und seine Schäfchen nicht so richtig erreichen kann, oder über den dreisten Silberbesteck-Dieb von Jündewatt (Jyndevad), der sich schließlich als Elster entpuppt.

Das neue Auto für den Pastor, der mit einem Ponygespann einst nicht so gut zurechtkam Foto: DN

Amüsant auch die Geschichte über den Hofbesitzer Christian Jessen aus Brauderup (Broderup), der als begeisterter Leser Ende des 19. Jahrhunderts bei sich in der Stube die erste Bibliothek einrichtete und mit einem Holzkasten auf dem Rücken auch Bücher zu Leuten brachte. Er war gewissermaßen die erste (gehende) Fahrbücherei der Gegend.

Bringservice mit Hindernissen

Dass bei den Hausbesuchen auch mal der eine oder andere Schnaps angeboten wurde und Jessen am nächsten Tag die Route noch einmal ablaufen musste, da er nicht mehr wusste, wo er im Rausch den Bücherkasten gelassen hatte, lässt den Leser ebenfalls schmunzeln.

Polizisten von einst Foto: DN

Besonders lustig ist der Hausbesuch von Bürgermeister Martin B. Petersen 1928, als er auf der Suche nach Einnahmequellen für die Gemeinde als Vertreter der Versicherungsgesellschaft „Ny Danske“ bei einem deutsch gesinnten Bürger, ebenfalls mit Namen Petersen, anklopfte und sich mit „Petersen, Nye Danske“ vorstellte.

Der Heimdeutsche, als lustiger Zeitgenosse bekannt, antwortete mit: „Petersen, gammel Tysker“.

Die Leser können sich auf lustige Momente freuen. Das Heft ist nicht im Handel erhältlich, kann in der Deutschen Bücherei und in der dänischen Bibliothek aber ausgeliehen werden.

„Es sind mehrere Exemplare vorhanden. Jeweils so an die sechs Stück. Wir haben zudem den deutschen Schulen Hefte zukommen lassen“, so Rolf Pfeifer, der auch dem „Nordschleswiger“ ein Heft zur Verfügung stellte.

Das Jubiläumsheft zu 100 Jahre Grenzziehung kann in der Deutschen Bücherei und in der dänischen Bibliothek in Tingleff ausgeliehen werden. Foto: DN
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