Gesundheit

Zigaretten und Co. bei der Jugend „in“ wie seit jeher

Zigaretten und Co. bei der Jugend „in“ wie seit jeher

Zigaretten und Co. bei der Jugend „in“ wie seit jeher

Amanda Klara Stephany und Carlotta Miede
Nordschleswig
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Neben der herkömmlichen Zigarette haben Nikotinprodukte wie Vapes (Bild) und Snus in den vergangenen Jahren an Popularität gewonnen – auch bei Jugendlichen. Foto: Adobe Stock

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Die Jugend raucht wieder: Der Konsum von Nikotinprodukten unter Jugendlichen hat stark zugenommen - auch in Nordschleswig. Grund dafür sind zusätzliche Populär-Produkte, wie Snus, E-Zigaretten und Vapes. Doch die sind ebenfalls stark gesundheitsschädigend, besonders für junge Menschen. Das wissen viele nur noch nicht.

Fast ein Drittel der 15- bis 17-Jährigen in Dänemark konsumiert in irgendeiner Form Tabak oder Nikotinprodukte – das sagt eine Studie der Dänischen Gesundheitsbehörde von Dezember 2022.

Wenn man die Zielgruppe vergrößert, also den gelegentlichen Konsum bei den 15- bis 24-Jährigen hinzuzieht, kommt man laut Experten auf 53 Prozent.

Die Prozentzahl klingt erschreckend hoch. Zu Recht fragen sich nun einige: Misslingt die Prävention?

Doch wer sollte überhaupt das Auffangbecken sein? Die Kommunen? Die Schulen? Oder ist es doch eine private Erziehungsmaßnahme?

„Der Nordschleswiger“ hat sich in zwei nordschleswigschen Kommunen, Apenrade (Aabenraa) und Hadersleben (Haderslev), umgehört und sowohl mit Betroffenen als auch mit Verantwortlichen gesprochen.

 

Herkömmliche Zigaretten sind bei den jungen Leuten gar nicht mehr so gefragt. Foto: Karin Riggelsen

Die Jugend konsumiert nach wie vor 

Wer auf den Schulhof des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig in Apenrade tritt, sieht erst einmal weder Raucherecken, Zigarettenstummel noch offenen Zigarettenkonsum.

Das bedeutet jedoch nicht, dass er nicht stattfindet. In Gesprächen mit Schülerinnen und Schülern wird deutlich, dass die erhobenen Studien nicht weit von der Realität entfernt sind.

Auf Nachfrage erklären die Jugendlichen, die in diesem Artikel weder genannt noch abgebildet werden, um ihre Anonymität zu gewährleisten, dass der Zigarettenkonsum in ihrem Umfeld sehr präsent sei. Gerade bei Partys werde viel geraucht. 

„Die meisten konsumieren in irgendeiner Form Nikotinprodukte“, berichten zwei Schülerinnen. „Einige haben es sich dieses Jahr zum Neujahrsvorsatz gemacht, mit dem Rauchen aufzuhören.“

Was ist Snus?

Die vorwiegend in Skandinavien verbreiteten Beutelchen sind etwa so groß wie eine rote Bohne und mit Tabak gefüllt. Das portionierte Päckchen wird sich unter die Oberlippe geschoben, und durch die Schleimhäute gelangen Tabak und Nikotin ins Blut. Auch in ihrer Beliebtheit wachsend ist die tabakfreie Variante, die streng genommen kein Snus ist, aber im Volksmund auch in die Kategorie fällt.

Doch neben der „traditionellen“ Zigarette und den neumodischen Vapes, gibt es ein weiteres Produkt, das sich großer Beliebtheit erfreut: Snus.

„Snus ist im Schulalltag viel praktischer“, erzählt eine weitere Schülerin. „Du kannst es dir während des Unterrichts einfach unter die Lippe schieben, und die anderen merken nichts.“ Hinzu komme, dass man auch als Minderjähriger problemlos an Snus herankommen könne, wie ein Schüler bemerkt. Eigentlich ist der Verkauf in Dänemark nur an volljährige Personen erlaubt, doch die jungen Menschen würden ihre Wege finden.

Nikotinkonsum ein Nischenproblem?

Die Schulleiterin der Deutschen Schule Hadersleben (DSH), Heike Henn-Winkels, erklärt, dass man um Snus und Co. Bescheid wisse, man aber an der DSH kein ausuferndes Problem wahrnehme: „Im Sommer kam das Thema einmal auf, und wir haben direkt konsequent durchgegriffen. Da sehen wir uns auch in der Verantwortung“, so die Schulleiterin. Präventionskurse würden derzeit jedoch nicht benötigt.

Auch Jens Mittag, Schulleiter am Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig, sieht keine Notwendigkeit für ein Präventionsprogramm von der Schule ausgehend. In der Schulzeit sei Rauchen verboten, und viele der Jugendlichen seien bereits volljährig. Sie entscheiden selbst, ob sie Nikotinprodukte konsumieren möchten. Nach dem Empfinden des Rektors sei Rauchen kein Problem an der Schule.

Wie funktioniert eine Vape?

Eine Vape funktioniert, ähnlich wie eine E-Zigarette, mithilfe von Wirk- und Duftstoffen, gelöst in Wasserdampf, die durch den Mund eingeatmet werden. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Zigarette findet hier kein Verbrennungsprozess, sondern nur eine Verdampfung der Wirkstoffe statt. Es werden zunehmend Studien veröffentlicht, die zeigen, dass Wirkstoffe, die beim sogenannten „Dampfen" eingeatmet werden, einen negativen Einfluss auf die Regenerationsfähigkeit von Blutgefäßen, Gehirn und Lunge haben.

Kommune sieht sich in der Verantwortung

Alarmierender reagieren die jeweiligen Kommunen beim Thema „Nikotinkonsum“.

„Ich spreche eher vom Nikotinkonsum als von Zigarettenkonsum. Denn mittlerweile gibt es Unmengen an Möglichkeiten, sich Nikotin zuzuführen“, erklärt Christina Gellert, Nikotin-Koordinatorin der Haderslebener Kommune.

Auch ihre Kollegin Anne Birgit Riis Gram aus der Apenrader Kommune ist besorgt über die Trendentwicklung von Snus und Vapes. „Es ist ein wachsendes Problem. In den Präventionskampagnen war der Fokus bisher immer auf der gesundheitsschädlichen Wirkung des Rauchens von Zigaretten. Die Kinder haben gelernt, dass dies der gefährliche Part beim Rauchen sei. Snus und Vapes haben diesen Rauch nicht, deswegen seien sie demzufolge nicht gefährlich. Hinzu kommt noch die Naivität der Jugendlichen. Sie sehen das Suchtpotenzial nicht und denken, sie könnten jederzeit aufhören.“

Neumodische Nikotinprodukte bereiten den Verantwortlichen Sorgen

Für Christina Gellert kommt das Problem hinzu, dass Vapes sogar gut schmecken können: „Die Jugendlichen merken nicht einmal mehr, dass sie Nikotin konsumieren. Ein Konsument hat mir mal gesagt, dass es einfach nach Süßigkeiten schmeckt.“

Und in der Tat kann man die Einweg-E-Zigaretten „Vapes“ in verschiedenen Geschmacksrichtungen kaufen, von Erdbeergeschmack bis hin zu Zuckerwatte-Kreationen.

Der skandinavische „Nikotin-Liebling“

Doch auch wieder ist Snus das Mittel, das den Präventionshelferinnen die meisten Sorgen bereitet: „Es ist einfach alltagstauglicher und riecht auch nicht so stark wie Zigaretten“, erklärt Christina Gellert. Ein anderes Problem sei auch, dass es mittlerweile in allen Bereichen wieder gefunden wird: „Sportlerinnen und Sportler konsumieren es auch. Was früher vor allem im Eishockeysport  zu finden war, gibt es nun in allen Sportbereichen. Ob Fußball, Turnen oder Handball“, erklärt die Expertin.

Geringe Selbsteinschätzung des eigenen Suchtverhaltens und die falschen Vorbilder – eine Problematik, die nicht neu ist.

Doch Christina Gellert sieht noch ein anderes Problem: „Die Eltern können teilweise gar nicht mehr mit dem Wissen mithalten, was alles auf dem Markt ist und trendet. Obwohl sie die erste Instanz sind, die Prävention betreiben können. Aber bei diesem schnelllebigen Markt kommt man selten hinterher.“

Auch Anne Birgit Riis Gram fordert, dass die Eltern aufgeklärt werden müssen, damit sie ihre Kinder über die Gefahren von Nikotin aufklären können und ein Gefühl für die Schädlichkeit des Wirkstoffes bekommen.

Präventionskurse und Aufklärung für Kinder und Eltern

Diesem Problem möchten die Kommunen entgegentreten, mit Präventionskursen und Aufklärung. Für Jung und Alt.

Doch Anne Birgit Riis Gram, Mitarbeitende des Gesundheitscenters, sagt: „Es ist trotzdem sehr schwierig, die jungen Leute zu erreichen. Sie bekommen ihr Wissen von Social Media Apps, wie Instagram und Tiktok. Dort sind wir nicht vertreten. Diejenigen, die unsere Hilfe in Anspruch nehmen, kommen vielleicht zwei-, dreimal und dann nicht mehr.“ Mittlerweile gebe es auch Apps fürs Smartphone, die einem helfen sollen, rauchfrei zu werden. Viele nähmen so etwas lieber in Anspruch als physische Programme.

Eine Herausforderung, auf die die Kommune Hadersleben bereits reagiert. Hadersleben verzeichnet Erfolge mit Kampagnen in den sozialen Medien: „Wir schalten immer wieder über das Jahr verteilt Kampagnen, und seitdem erreichen wir eine breitere Altersspanne. Ich habe schon das Gefühl, dass es etwas bringt“, so Christina Gellert.

 

Hilfe suchen ist nicht gleich Schwäche zeigen

Manchmal bräuchte es ein Schlüsselmoment, um zu realisieren, dass man eine Sucht entwickelt hat, weiß Christina Gellert. Viele Jugendlichen würden nicht von sich selbst behaupten, süchtig zu sein. Und deswegen sei der Kontakt so wichtig.

„Vor allem, weil gerade bei den unter 25-Jährigen das Rauchen so besonders schlimm ist. Das menschliche Gehirn entwickelt sich bis etwa zum 25. Lebensjahr. Regelmäßiger Nikotinkonsum, egal in welcher Form, kann zu Konzentrationsproblemen, Angstzuständen oder gar Depressionen führen“, so Christina Gellert.

Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V. ist Nikotin nicht nur stark krebserregend, es begünstigt auch Typ-2-Diabetes und erhöht das Risiko für Herzerkrankungen und Hirnschlag um das Vierfache im Vergleich zu Nichtraucherinnen und Nichtrauchern.

Weitere Informationen zu möglichen Kursen und Beratungen erhalten Betroffene unter: sundhedssamarbejdeogforebyggelse@haderslev.dk

 

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