Deutsche Minderheit

Viel Herzblut in die Arbeit beim Sozialdienst gesteckt

Viel Herzblut in die Arbeit beim Sozialdienst gesteckt

Viel Herzblut in die Arbeit beim Sozialdienst gesteckt

Karin Friedrichsen
Karin Friedrichsen Journalistin
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Hans Grundt leitet den Sozialdienst seit 2003. Er hat mit Freude weitergearbeitet, nach 65. Inzwischen schmiedet er Pläne für den Ruhestand. Foto: Karin Riggelsen

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Der Sonderburger Hans Grundt blickt im Interview mit dem „Nordschleswiger“ auf knapp 19 Jahre als Abteilungsleiter des Sozialdienstes Nordschleswig zurück – und nach vorne.

Sozialratgeber Hans Grundt hat seinen letzten Arbeitstag am 15. Dezember. „Danach fängt mein Resturlaub an“, erklärt der 68-Jährige, der zum Jahreswechsel in den Ruhestand tritt. Der Sonderburger leitet den Sozialdienst Nordschleswig seit März 2003. Ursula Petersen löst ihn ab.

Der Entschluss, aus dem aktiven Berufsleben auszuscheiden, reifte über Jahre. Grundt hätte mit 60 in den Vorruhestand wechseln können. Das Rentenalter erreichte er fünf Jahre später. Ab dem 60. Lebensjahr sei es hauptsächlich die Lust daran, sich mit der spannenden Arbeit beim Sozialdienst zu beschäftigen, die ihn auf dem Arbeitsmarkt weilen ließ. „Als Elke Lorenzen im August 2020 unsere neue Vorsitzende wurde, habe ich ihr versprochen, sie etwa eineinhalb Jahre zu begleiten“, sagt Grundt. Diese Zeitspanne wird zum Jahreswechsel erreicht sein: „Irgendwann muss ich dann auch sagen, dass ich mein Otium genießen will.“

Hans Grundt hat bei der Renovierung der Begegnungsstätte in Kollund aus seinen Erfahrungen mit Haussanierungen schöpfen können. Foto: Karin Riggelsen

Kindheit an der Westküste

Hans Grundt ist mit zwei Schwestern und einem Bruder auf einer Häuslerstelle in Gonsagger (Gånsager) aufgewachsen. Seine Eltern, Toma und Hans Grundt, waren schon damals ein aktiver Teil der deutschen Minderheit an der Westküste. Er wurde in der deutschen Dorfschule auf Lügumberg (Løgumbjerge) eingeschult und wechselte später an die Minderheitenschule in Lügumkloster (Løgumkloster) und die Ludwig-Andresen-Schule in Tondern (Tønder). Sein Abitur machte Grundt am Deutschen Gymnasium Nordschleswig in Apenrade.

Ein Wochenende ohne Arbeit

Nach dem Abitur studierte Grundt ein Jahr an der Universität in Aarhus, wonach er sich in Esbjerg zum Sozialratgeber ausbildete. In den 30 Jahren vom Abitur bis zur Anstellung beim Sozialdienst hatte Grundt kaum berufliche Kontakte zur deutschen Minderheit. Als er im Frühjahr 2003 seine Arbeit bei der Bildungseinrichtung AOF (Arbejdernes Oplysnings Forbund) in Sonderburg (Sønderborg) verließ, machte ein Kollege ihn darauf aufmerksam, dass der Sozialdienst einen Abteilungsleiter suchte. „Du kannst doch Deutsch, meinte der Kollege“, erinnert sich Grundt. Er war gerade 50 Jahre alt geworden und bewarb sich erfolgreich um den Posten, auf den er wenige Tage nach dem Abschied mit der Bildungseinrichtung wechselte: „Ich war gerade mal ein Wochenende arbeitslos“, lacht Hans Grundt. 

Ich war gerade mal ein Wochenende arbeitslos.

Hans Grundt, Abteilungsleiter Sozialdienst Nordschleswig

„Warum tue ich mir das an?“

Hans Grundt macht keinen Hehl daraus, dass ihm der Abschied vom Sozialdienst nicht leichtfällt: „Da wo Herzblut fließt, ist das ein bisschen schwieriger mit dem Abschied!“

Dabei hatte er sich 2003 zunächst etwas schwergetan mit den neuen Herausforderungen bei der Minderheit. „Das erste Jahr habe ich gedacht, warum bin ich hier. Warum tue ich mir das an? Dann habe ich mir gesagt, das erfordert Geduld und Engagement“, verrät Grundt. Nach dem Kennenlernen habe sich die Zusammenarbeit mit dem Vorstand und dem Personal sehr positiv entwickelt und Hans Grundt tauchte unermüdlich in die Arbeit ein: „Für mich ist sehr wichtig gewesen, dass da, wo ich arbeite, mein Herzblut auch sein soll. Sonst muss ich die Zusammenarbeit beenden.“

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Hans Grundt auf dem Fitnessplatz „AktivSpot“. Das Trimmdich-Areal befindet sich am Haus Quickborn in Kollund. Foto: Karin Riggelsen

Ganzheit auf andere Art

In seinem vielseitigen Berufsleben hat Hans Grundt erfahren, dass es allgemein nicht immer leicht ist Gehör zu finden für soziale Arbeit. Das hänge damit zusammen, dass Beschlussfassende in verschiedenen Systemen nicht immer hart getroffen seien, rein sozial. Und deswegen nicht stets aus persönlichen Erfahrungen schöpfen können, meint Grundt. Beim Sozialdienst, der eng mit den anderen Verbänden unter dem Dach des Bundes Deutscher Nordschleswiger (BDN) zusammenarbeitet, mache sich ein anderer Faktor bemerkbar.

Die Minderheit sei eine Ganzheit auf eine andere Art und Weise, als wenn man beispielsweise einen Job oder ein Ehrenamt in kommunaler Regie innehat, sagt Grundt. Um ein Gespür dafür zu bekommen, wie die Minderheit tickt, habe er neuen Mitarbeitern immer eine zweijährige Einarbeitungszeit zugestanden: „Die Minderheit ist eine große Familie, obwohl man nicht immer weiß, wer mit wem verwandt und verschwägert ist. Viele kennen sich und es gibt viele Netzwerke, die nicht sichtbar sind, aber eine Bedeutung haben, dafür, wie man Wege findet, die Arbeit zu verbessern.“

Wurzeln in der Minderheit wurden deutlich

Bei Grundts Einstieg beim Sozialdienst hatte Dieter Johannsen den Vorsitz inne. Ihm folgte Gösta Toft, der den Posten vier Jahre bestritt. Elke Lorenzen steht seit August 2020 an der Vereinsspitze. „Bei meinem Antritt hatte ich 30 Jahre lang nichts mit der Minderheit zu tun gehabt. Das habe ich gründlich nachgeholt. Meine Wurzeln sind immer deutlicher geworden“, lacht der scheidende Abteilungsleiter.

Hans Grundt unterstützt das Projekt „Unwetterbedingte Überschwemmungen" des „Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes", dem der Sozialdienst Nordschleswig angehört. Der scheidende Abteilungsleiter spendet Aufenthalte in seinen Ferienwohnungen in Ballum und Sonderburg. Foto: Karin Riggelsen

Die Mitglieder haben höchste Priorität

Ihm sei nicht wichtig gewesen, im Rampenlicht zu stehen, sondern, dass die Arbeit und der Kontakt zu den Mitgliedern funktionierten. „In meiner Arbeit sind die Mitglieder das Wichtigste, denn ohne Mitglieder haben wir keinen Sinn als Verwaltung“, sagt Grundt, der froh darüber ist, dass sich die Zahl der Mitglieder in seiner Amtszeit von 3.208 auf 4.723 erhöhte.

„Für mich ist das gut. Das bedeutet einen Anschluss an die soziale Arbeit. Und in der Coronazeit haben wir eigentlich nicht Mitglieder verloren“, hebt Grundt hervor. Bei der Pandemie sei auch deutlich geworden, dass viele Mitglieder Veranstaltungen in kleinen Gruppen Großveranstaltungen vorziehen, weil dadurch Möglichkeit bestehe, das persönliche Gespräch zu fördern.

Deswegen sei auch beschlossen worden, diese Art des Beisammenseins, das dem Motto des Sozialdienstes „Für ein besseres Miteinander“, entspricht, fortzuführen. Der Sozialdienst Nordschleswig gliedert sich in vier Bezirke, die wiederum den vier Kommunen des Landesteils gleichkommen. Herzstück des Verbandes sind die 16 Ortsvereine, die vom Ehrenamt getragen werden und deren Arbeit von den sechs Familienberaterinnen und dem Familienberater unterstützt wird. Aus den Ortsvereinen heraus wird ein übergeordneter Vorstand gewählt.

Der Vorstand hat einen Geschäftsausschuss und dieser nimmt die laufenden Geschäfte wahr, in Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle, erläutert Grundt: „Wir machen die koordinierende Arbeit für die übergeordneten Funktionen wie beispielsweise die übergeordneten Programme und das Haus Quickborn".

Die Ortsvereine und ihre Mitglieder sorgen für die örtlichen Aktivitäten und unterstützen durch die Ausschussarbeit Kurse, Veranstaltungen und Reisen für Familie, Jugend und Senioren auf regionaler Ebene.

Jahrelanges Ringen um Finanzzuschuss

Die ökonomischen Herausforderungen hätten große Anforderungen gestellt, blickt Hans Grundt zurück. In seiner Amtszeit fiel unter anderem das jahrelange Ringen um Haushaltsmittel in Kopenhagen zu bekommen für die soziale Arbeit in der Minderheit. Im Februar 2020 wurde eine permanente Lösung gefunden, bei der der Sozialdienst Nordschleswig fester Bestandteil des dänischen Staatshaushaltes wurde.

Spaziergang an der Flensburger Förde Foto: Karin Riggelsen

Sichtbar sein in der Minderheit

Der Kontakt zu den Mitgliedern und Geschäftspartnern hat im Laufe der Jahre einen hohen Stellenwert eingenommen. Grundt sei es immer wichtig gewesen zu wissen, was sich in den Reihen der Mitglieder regte. Der Abteilungsleiter nahm nicht nur an internen Veranstaltungen des Sozialdienstes teil. Er war beispielsweise beim „Deutschen Tag“ oder dem „Knivsbergfest“ zu finden, um offen zu sein für Gespräche mit Vertretern anderer Vereine und Institutionen der Minderheit.

So hat der Sozialdienst unter anderem seit Jahren eine Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftlichen Hauptverein für Nordschleswig (LHN) und Hans Grundt hat sich auch als Vermittler eingebracht bei Konfliktsituationen in Einrichtungen oder Vereinen unter dem Dach der Minderheit.

Besuchsfreunde und Tonzeitung

In Zusammenarbeit mit der Nordschleswigschen Gemeinde (NG) und dem deutschen Büchereiwesen in Nordschleswig ergriff Grundt vor Jahren die Initiative zu dem generationsübergreifenden Projekt „Besuchsfreunde Nordschleswig“. Das Projekt wurde vor fünf Jahren ins Leben gerufen und gegenwärtig treffen sich 50 Aktive.

Es wird auch überlegt, das Sozialdienstangebot „Tonzeitung“ in die Initiative zu integrieren. „Es gab nur sechs Nordschleswiger, die das Ton-Zeitung-Angebot nutzen. Deswegen haben wir die ,Tonzeitung‘ im Oktober eingestellt. Man könnte vielleicht überlegen, ob wir eine Art Informationsbesuchsfreunde bekommen, die möglicherweise die 14-tägliche Zeitung des ,Nordschleswigers‘ mitnehmen und vorlesen, oder vorlesen lassen, könnten“, so Grundt.

Inzwischen gibt es zudem eine automatische Vorlese-Funktion in der App des „Nordschleswigers".

Reisen statt Renovieren

Den Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit fand Hans Grundt beim Hausrenovieren. Von den sechs Häusern, die er im Laufe der Jahre gekauft und saniert hat, besitzt er noch drei. In einem Teil des Hauses im zentralen Sonderburg, wo er selbst wohnt, hat er auch eine Ferienwohnung eingerichtet. Das Anwesen in Ballum, das er zusammen mit seiner Freundin besitzt, wird auch an Urlauber vermietet. Hans Grundt hat ein weiteres Haus in Jeising (Jejsing). Mit dem Renovieren ist jetzt Schluss, meint Grundt. Er werde seine neu gewonnene Freizeit erst einmal ruhig angehen und Abstand vom Arbeitsalltag gewinnen, bevor er konkrete Zukunftspläne schmiedet. Dem Sozialdienst werde er gewiss als Ehrenamtler die Treue halten, verspricht Grundt. „Ich bin bereits Mitglied der Ortsvereine in Sonderburg und auch Hoyer, weil ich ja ein Haus habe in Ballum“, sagt Grundt, der auch oft an der Westküste weilt, um seine Mutter im Pflegeheim Lindevang zu besuchen. Lesen, Fitness, Freunde treffen und Reisen sind weitere Punkte, die im grundtschen Zukunftsplan vermerkt sind.

Das Haus Quickborn bietet mit seiner Lage direkt an der Flensburger Förde (Flensborg Fjord) einen idealen Rahmen für Kurse, Konferenzen, Veranstaltungen, Zusammenkünfte und Freizeitaufenthalte für Jung und Alt. Das Haus unterstützt die Stärkung der Netzwerke innerhalb der Minderheit, als Begegnungsstätte aller Altersgruppen. Foto: Karin Riggelsen

Abschiedsempfang in der Perle

Seinen Abschied hätte Grundt am liebsten ohne Festlichkeiten gemacht. „Da waren mein Vorstand und mein Geschäftsausschuss aber nicht ganz einig“, verrät der 68-Jährige, der letztendlich einem Empfang zustimmte. Der Sozialausschuss Nordschleswig ehrt seinen engagierten Abteilungsleiter im Haus Quickborn am Dienstag, 14. Dezember, ab 14.30 Uhr bis ca. 17 Uhr.

„Der Empfang ist mit Anmeldung. Wir müssen wissen, wie viele Kuchen erfordert sind“, scherzt Grundt und fügt hinzu, dass Details zur Anmeldung demnächst bekannt gegeben werden. Dass es gelungen ist die Begegnungsstätte aller Altersgruppen zu modernisieren hat große Bedeutung für Grundt: „Das Haus ist eine Perle geworden. Statt einen Bunker an der Förde haben wir eine offene Begegnungsstätte.“

 

Einige Stationen aus dem Leben von Hans Grundt

Nach dem Abitur am Deutschen Gymnasium Nordschleswig und einem Sabbatjahr ging Hans Grundt, der im Februar 1953 geboren wurde und in Gonssager aufwuchs, 1974 nach Aarhus, wo er an der Universität Mathematik und Physik studierte. 1975 entschloss er sich, die Studienrichtung zu wechseln und in Esbjerg die dreijährige Sozialratgeberausbildung zu absolvieren.

Dem Wehrdienst an den Kasernen in Fredericia und Varde folgte 1979 eine sechsjährige Anstellung als Bewährungshelfer bei der Kriminalfürsorge in Sonderburg. Anschließend arbeitete er bis 1990 bei der dänischen Flüchtlingshilfe (Dansk Flygtningehjælp). Grundt leitete die Abteilungen in Eckensund (Egernsund) und Sonderburg. Ab 1990 war er ein Jahr Bürochef der Apenrader Niederlassung der Gewerkschaft HK (Handels- og Kontorfunktionærernes Forbund), danach zog es ihn erneut in die soziale Arbeit.

Hans Grundt leitete von 1991 bis 1996 Asylheime von „Dansk Røde Kors“ bei Apenrade, Sonderburg und Tondern. Er baute des Weiteren ein neues Flüchtlingszentrum im Odenseer Stadtteil Hjallese auf.

Danach wurde Grundt in der Sonderburger Bildungseinrichtung AOF-Abteilung angestellt, wo er Arbeitssuchende unterrichtete. Als der Arbeitsplatz geschlossen wurde und an private Akteure überging, bewarb er sich im Frühjahr 2003 erfolgreich auf das Stellenangebot des Sozialdienstes.

Hans Grundt hat im Laufe seiner vielfältigen Karriere zahlreiche Fort- und Weiterbildungen gemacht. Er ist geschieden nach einer kurzen Ehe. Sein Sohn, Søren, wohnt in Norwegen. Hans Grundt hat seit den 1980er Jahren seinen Wohnsitz in Sonderburg. Er wohnt allein, hat aber eine Freundin.  

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