Leitartikel

„Warum es so wichtig ist, mit unseren Kindern über Pornografie zu sprechen“

Warum es so wichtig ist, mit unseren Kindern über Pornografie zu sprechen

Mit Kindern über Pornografie sprechen

Apenrade/Aabenraa
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Wir Erwachsenen müssen für unsere Kinder einordnen, was Pornografie ist: ein filmisches Mittel, eine Art Actionfilm für sexuelle Inhalte. Warum das wichtig ist und wie wir das machen können, darüber reflektiert Projektmitarbeiterin Hannah Dobiaschowski.

Stell dir vor, du würdest Autofahren lernen, indem du dir Actionfilme mit Verfolgungsjagden anschaust. Stell dir vor, das wäre die einzige Quelle, die Autos im Straßenverkehr zeigt, und niemand würde darüber reden, wie es anders geht. Du würdest glauben, dass du mit quietschenden Reifen anfahren musst, dass du nicht besonders viel Rücksicht auf andere nehmen musst, und dass du sehr mutig, muskulös und gefühlsarm wärst.

Stell dir vor, du siehst Pornos, lange bevor du selbst sexuelle Erfahrungen machst, und niemand redet mit dir darüber, wie es anders geht …

Das ist kein seltsames Gedankenspiel, sondern die Realität für unsere Kinder. Sie sind im Schnitt elf Jahre alt, wenn sie das erste Mal mit Pornografie in Berührung kommen, wie Sozialpsychologin Dr. Johanna Degen im Interview erzählt.

Filme sind ein Stilmittel

Filme zeigen nicht die Realität, sondern sind eine Interpretation der Wirklichkeit. Das lernt man im ersten Semester Filmwissenschaft. Oder durch simple Beobachtung und einen Realitätscheck.

Vieles erkennen wir wieder, Filme werden von Menschen für Menschen gemacht, dadurch können wir uns prima spiegeln. Etwa in zwischenmenschlichen Beziehungen, Emotionen oder ganz normalen Alltagssituationen. Aber in den meisten Fällen können wir unterscheiden, was eine gute (aber unrealistische) Geschichte ist und was eher der Realität entspricht. Weil wir den Gegencheck machen können.

Pornos sind Actionfilme

Bei Pornografie ist das anders. Pornografie ist eine Interpretation von sexuellen Handlungen. Pornos sind wie Actionfilme. Sex findet in der Realität statt, aber hinter verschlossenen Türen, und deswegen können wir keinen Realitätscheck machen. Kinder, die Pornos schon sehr früh sehen, und vor allem lange, bevor sie eigene Erfahrungen machen, können nicht einschätzen, wie realistisch diese Darstellungen sind.

Wir Erwachsenen wissen: Sie sind es in den meisten Fällen nicht. Wer sich an die eigenen ersten sexuellen Gehversuche erinnert, weiß, dass sie wenig bis nichts gemein haben mit den choreografierten Darstellungen in Pornofilmen.

Die im Internet frei zugänglichen Clips zeigen oft den männlichen Blick auf weibliche Körper, überhaupt Körper, die einem bestimmten Ideal entsprechen, Praktiken, die nicht für alle erstrebenswert sind. Nicht selten sind diese Darstellungen roh, verharmlosen Übergriffigkeit und sind frei von dem, was die meisten antreibt, Sex haben zu wollen: Verliebtheit, Zuneigung, Neugier.

Fahrschule für Sexualität

Darum ist es so wichtig, dass wir mit unseren Kindern über Pornografie sprechen. Sie brauchen unsere Antworten als Realitätscheck: Man muss nicht das machen, was man in Pornos sieht, und wenn man es doch möchte, muss man es in den meisten Fällen üben. Man muss es nicht können, und wenn man es üben möchte, muss das in gegenseitigem Einverständnis mit der Partnerin oder dem Partner geschehen.

Ein offener Diskurs zwischen Eltern und Kindern und auch Sexualkunde in der Schule, die an den Schulen Nordschleswigs unterschiedlich unterrichtet wird, müssen die Fahrschule für Sexualität sein. Bevor man einen Kickstart macht, muss man zuerst wissen, wie man den Gang einlegt und vorsichtig anfährt, ohne abzuwürgen. Und mit Sicherheit reicht es erst mal, im ersten bis dritten Gang zu fahren, bevor man Kunststücke lernt.

Pornografie an sich ist nicht das Problem. Es ist aber problematisch, wenn Kinder sie sehen. Und noch viel problematischer ist es, wenn Erwachsene mit ihnen nicht darüber reden. Pornos haben genauso eine Daseinsberechtigung wie Actionfilme. Aber wir müssen vermitteln, dass beides nicht die Realität ist, sondern eine Interpretation.

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