Leitartikel

„Mette F. und ihre US-Boys “

Mette F. und ihre US-Boys

Mette F. und ihre US-Boys

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Siegfried Matlok zeigt sich verwundert darüber, dass Mette Frederiksen Grönland und die Färöer Inseln offenbar nicht als Dänemark bezeichnet, wenn es darum geht, wo amerikanische Soldatinnen und Soldaten stationiert sind.

24 Stunden nach ihrer Rückkehr aus Berlin zündete Staatsministerin Mette Frederiksen – militärisch gesehen – eine Bombe mit ihrer Mitteilung, dass künftig US-Soldaten in Dänemark stationiert werden sollen. In gewisser Weise war es aber eine geografische Fehlzündung, denn wenn Dänemark so oft die Reichsgemeinschaft mit Grönland und den Färöern zu Recht als essenziell hervorhebt, muss man sich schon wundern, dass bei ihr von Dänemark die Rede ist, schließlich handelt es sich ja in diesem Falle nur um Süd-Dänemark. Es ist ja kein militärisches Geheimnis, dass US-Soldaten seit Jahrzehnten auf Grönland stationiert,  auf der Thule-Base atomar bewaffnet, also bereits auf dänischem Reichsboden aktiv sind.

Die sozialdemokratische Regierungschefin hat darauf hingewiesen, dass diese Nachricht, die historisch ein neues Kapitel einleiten soll, nichts mit dem aktuellen und so hochgefährlichen Ukraine-Russland-Konflikt zu tun hat, da die Geheim-Verhandlungen mit den USA über dieses bilaterales Abkommen schon seit einem Jahr laufen – und auch noch nicht abgeschlossen sind.

Dass Mette Frederiksen diesen bilateralen Weg wählt (sie verweist dabei auf ein ähnliches US-Abkommen mit Norwegen), hat nicht nur militärische Gründe. Sie unterstreicht damit noch deutlicher als bisher, dass es für Dänemark sicherheitspolitisch nur einen wichtigen und unverzichtbaren Partner gibt – die USA.

Dänemark sei bereit, verteidigungspolitisch noch mehr zu leisten – nicht nur langfristig finanziell im Sinne der Zwei-Prozent-Absprachen in der Nato, so die Staatsministerin. Ihre außenpolitische Kompetenz wurde anfangs durchaus angezweifelt, doch sie will auch die Außen- und Sicherheitspolitik zu ihrer Domäne machen. In der Tat erstaunlich, wie sie jetzt die aktivistische Sicherheitspolitik, die unter Venstres Fogh Rasmussen noch von den Sozialdemokraten innenpolitisch so verbittert bekämpft wurde, unter ihrer Regie militärisch sogar noch schlagkräftiger machen will.

Es ist offenbar angedacht, keine eigenen US-Basen in Dänemark zu errichten, dass mit anderen Worten alte, leer stehende Kasernen genutzt werden sollen, was bereits so manchen  Bürgermeister zu ersten Offerten bewegt hat, vermutlich wird es auch in (West-)Nordschleswig kommunales Interesse für das US-Personal geben. Die Einzelheiten der Absprache sind längst noch nicht geklärt, auch nicht die juristischen, wenn die Amerikaner auf süddänischem Boden Hoheitsrechte für ihre Boys beanspruchen. Da geht es nicht nur um die Anerkennung eines US-Führerscheins in Dänemark, sondern vor allem um die Frage, ob US-Soldaten zum Beispiel wegen eventueller Verletzung von Menschenrechten hier im Lande vor dänischen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden können.

Und was heißt militärisches Gerät? Da hat Mette Frederiksen gleich mehrfach vor der Presse versichert, dass die offizielle dänische Politik, „in Friedenszeiten“ bzw. „unter den gegebenen Umständen“ keine fremden Atomwaffen auf dänischem Boden zu gestatten, auch künftig strikte Gültigkeit behalten soll.

Die Botschaft hört man wohl, doch fehlt einem etwas der Glaube, wenn man an die bisherige angebliche Null-Atomwaffen-Politik Dänemarks denkt. Inzwischen ist doch längst bekannt, dass der damalige Staatsminister H. C. Hansen – ja Sozialdemokrat wie Mette F. – in den 50er Jahren ein Geheimpapier mit den Amerikanern vereinbart hatte, in dem ihnen auch Atomwaffen nicht nur auf Grönland erlaubt wurden. Hansen führte noch 1957 einen Wahlkampf mit dem Slogan „Nej til Atomvåben i Danmark“, doch er täuschte, ja er belog das dänische Parlament und das dänische Volk, weil er stets die Existenz einer solchen A-Waffen-Garantie öffentlich bestritt. Aus reinem dänischen Sicherheitsinteresse ist ihm dieser Alleingang posthum verziehen worden.

Und auch wenn die Amerikaner nur auf Grönland über Atomwaffen verfügt haben sollen – 1968 stürzte ein amerikanisches Bomber-Flugzeug nahe der Thule-Base mit vier Wasserstoffbomben ins grönländische Eis –, so hatten sie in den 80er Jahren die große Befürchtung, dass das verteidigungsmäßig damals schwache, ja unsichere Nato-Mitglied Dänemark im Konfliktfall einer sowjetischen Invasion nicht ohne die Hilfe von außen widerstehen könnte.

Im Grenzland ist ja bekannt, dass auch viele Dänen jährlich südlich der Grenze in Meyn bei Schafflund gegen US-Atomwaffen demonstriert haben: 13 Kilometer südwestlich von Flensburg lag ein Nuklearwaffenlager, das von etwa 1973 bis etwa 1992 in Betrieb war. Gelagert wurden Atomsprengköpfe für die in Flensburg-Weiche stationierte „294th United States Army Artillery Group“; trotz häufiger Blockaden durch die Friedensbewegung Kurzstreckenraketen u. a. vom Typ „MGM-52 Lance“ mit Nukleargefechtskopf. Mit der Geheim-Mission, im Konfliktfall auf dem Landwege von Schafflund nach Seeland transportiert zu werden, wo sie bei einer bei Køge vermuteten Landung des Warschauer Paktes „taktisch“ eingesetzt werden sollten.

Der Streit um den Einsatz amerikanischer Atomwaffen auf süd-dänischem Boden führte Anfang 80er Jahre unter Staatsminister Poul Schlüter zur sogenannten Atomwaffen-Wahl, und auch die Fußnoten-Politik der dänischen Sozialdemokraten gegen den Nato-Doppelbeschluss wegen der atomaren Mittelstreckenraketen in Europa ist noch in frischer Erinnerung, vor allem im bürgerlichen Lager.

Aber Mette Frederiksen ist nicht Svend Auken. Sie will die bilaterale Partnerschaft zu den USA demonstrativ nach innen und außen ausbauen, und sie wird dabei sicherlich auch im Folketing eine breite Mehrheit für ein neues Verteidigungsabkommen erreichen. Gleichzeitig wird sie aber die dänische Linke – nicht nur alte Kommunisten in der Einheitsliste – alarmieren und in gewissen Kreisen auch alte anti-amerikanische Stimmungen re-aktivieren.

Mette Frederiksen wird – sozusagen als „Commander-in-Chief“– angesichts der gegenwärtigen Ukraine-Russland-Krise sicherlich auch in der Bevölkerung Unterstützung finden, aber vieles hängt natürlich von den Details im kommenden Abkommen ab. Also von jenen Einzelheiten, die teilweise jedoch auch militärisch geheim bleiben müssen, was die politische Aufgabe, um Verständnis zu werben, nicht gerade erleichtert. Und die gegenwärtige Untersuchungshaft gegen den Chef des eigenen militärischen Nachrichtendienstes (FE) und die noch immer mysteriösen Umstände eines landesverräterischen Verdachts auch noch gegen den früheren Verteidigungsminister könnten wie ein Klotz am Bein der Regierungschefin hinderlich sein für das dringend erforderliche Vertrauen für die US-Boys in Süddänemark – oder sogar im südlichen Süd-Dänemark.

 

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