Leitartikel

„Eine Heulsuse – oder einfach nur zum Heulen?“

Eine Heulsuse – oder einfach nur zum Heulen?

Eine Heulsuse – oder einfach nur zum Heulen?

Apenrade/Aabenraa
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Manche halten Kristian Thulesen Dahl immer noch für eine Heulsuse. Bereits 1995 durfte er sich diese Charakterzuschreibung anhören, und am vergangenen Wochenende bekam er das Wort „tøsedreng“ nochmal um die Ohren gehauen. Doch statt Personenkult benötigen wir eine lösungsorientierte Sachpolitik, meint Nils Baum.

Pia Kjærsgaard hat keinen Zweifel mehr: Kristian Thulesen Dahl ist ihrer Meinung nach eine Heulsuse.

Am vergangenen Wochenende hatte sie einen entsprechenden Twitter-Kommentar ihrer Parteikollegin Nana Harring geliked. Zwar wurde Letztere anschließend von der Lokalabteilung der Dänischen Volkspartei in Frederikshavn gerügt, doch da war es bereits zu spät. Pia Kjærsgaard hatte auf Nachfrage von „BT“ bestätigt, dass der Kristian tatsächlich eine Heulsuse sei und dabei auch noch auf den Parteitag der Fortschrittspartei im Jahr 1995 verwiesen.

Dort hatte sich seinerzeit ein wutentbrannter Kristen Poulsgaard geweigert, das Rednerpult zu verlassen und das Wort „Heulsuse“ in die Versammlung gebrüllt. Einer der Adressaten war bereits damals Kristian Thulesen Dahl.

Der so Betitelte äußerte sich am Montag selbst auf Facebook und stellte die Frage, ob es denn den Respekt gegenüber der Dänischen Volkspartei in der Bevölkerung vergrößern würde, wenn man sich gegenseitig Spitznamen gebe, so wie es bereits in der Schule üblich war.

Eine berechtigte Frage, wobei sein Alternativvorschlag, sich doch lieber gemeinsam an all die guten Stunden der Dänischen Volkspartei zu erinnern, jetzt wahrscheinlich auch nicht viel weiterhilft.

Der chaotische Parteitag der Fortschrittspartei 1995 führte seinerzeit dazu, dass Pia Kjærsgaard die Partei verließ und gemeinsam unter anderem mit Thulesen Dahl und Peter Skaarup die Dänische Volkspartei gründete.

Und nun droht der Partei selbst das Szenario des Untergangs. Ein vermeintlicher Ersatz steht mit Inger Støjbergs neuer Partei, den Dänemarkdemokraten, schon bereit; zumindest hoffen mehrere ehemalige Mitglieder der Dänischen Volkspartei bereits auf ein neues Parteibuch bei den Dänemarkdemokraten.

Und dass, obwohl wir noch gar nicht wissen, wie das politische Programm dieser neuen Partei aussieht. Sollte der Name „Inger Støjberg“ bereits anziehend genug wirken und damit den Verdacht nähren, dass hier Personenkult vor sachorientierte Politik geschoben wird?

Als die vermeintliche Heulsuse Thulesen Dahl im vergangenen November die Verantwortung für das schlechte Abschneiden der Dänischen Volkspartei bei den Kommunalwahlen übernahm und sein Amt als Parteivorsitzender zur Verfügung stellte, tat er dies mit Sicherheit in der Absicht, seine Partei vor dem Niedergang zu bewahren. Denn schon damals bezeichnete er die Dänische Volkspartei als „Projekt seines Lebens“, und am Montag dieser Woche wiederholte er, dass für ihn große Gefühle auf dem Spiel stehen, wenn es um die Frage nach seinem Verbleib in der Partei geht.

Doch für derlei Überlegungen scheinen weder im allgemeinen schnellläufigen politischen Tagesbetrieb noch bei Pia Kjærsgaard Geduld übrig zu sein. Nach Thulesen Dahls Ankündigung, nicht erneut für die Partei zu kandidieren, möchte sie ihn mit ihrer Schulhofbemerkung jetzt scheinbar endgültig aus der Partei drängen. Und auch der so Bedrängte trägt mit seiner Bemerkung, dass für ihn große Gefühle auf dem Spiel stehen, nicht unbedingt dazu bei, die Debatte weg von Personen und hin zu Sachthemen zu lenken.

Ist eine Debatte erst aus der Spur geraten, wird es jedes Mal schwierig, sie wieder einzufangen. Da mag der neue Vorsitzende Morten Messerschmidt auch beharrlich konkrete politische Zielsetzungen für seine Dänische Volkspartei ins Feld führen, personenbezogene Debatten übertönen all das.

Und während der Lärmpegel steigt, sollten wir uns anhand eines Blickes über den eigenen Tellerrand vor Augen führen, dass zu viel Personenkult die Tendenz zur Polarisierung verstärkt. Zunehmende Polarisierung allerdings ist am Ende der Sargnagel der demokratischen Debatte und damit unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung.

Umso beruhigender ist es da, einen Facebook-Eintrag von Kristian Thulesen Dahl aus der vergangenen Woche zu lesen. Dort hat er sich mit der Parteivorsitzenden der Volkssozialisten, Pia Ohlsen-Dyhr, beim gemeinsamen Sommerfrokost abgelichtet. Und noch hinzugefügt, dass politische Unterschiede einem gemütlichen Austausch nicht im Wege stehen.

Zumindest dafür spreche ich Kristian Thulesen Dahl meinen Respekt aus – denn eine waschechte Heulsuse hätte eine solche Einsicht wohl kaum gehabt.

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