Leitartikel

„Digitale Kompetenz: So wichtig wie Lesen und Schreiben lernen“

Digitale Kompetenz: So wichtig wie Lesen und Schreiben lernen

Digitale Kompetenz: So wichtig wie Lesen und Schreiben lerne

Apenrade/Aabenraa
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Mobbing hat sich mit dem Smartphone vom Pausenhof auch ins Kinderzimmer eingeschlichen. Für die jetzt von der Politik beschlossene zielgerichtete Initiative für mehr digitale Kompetenz ist es darum höchste Zeit, meint Nils Baum.

Früher wurde sich auf dem Schulhof geprügelt und ausgegrenzt oder jemand wurde im Klassenraum gehänselt. Heutzutage laufen solche Übergriffe auf das Selbstwertgefühl von Kindern und Jugendlichen auch online ab. Dass wir Kinder und Jugendliche dafür rüsten, ist für sie selbst, aber auch für unsere Demokratie überlebenswichtig.

Neue Mobbing-Methoden gehören zu den Folgen davon, dass Facebook, Instagram und Snapchat in den vergangenen zehn Jahren zu den ständigen Begleitern der meisten Kinder und Jugendlichen geworden sind.

Laut dem Jugendmedium „Tjeck.dk“ nutzen unter den 15- bis 25-Jährigen 85 Prozent Facebook, 72 Prozent Instagram und 71 Prozent Snapchat. Insgesamt verbringen 15- bis 19-Jährige laut „Danmarks Radio“ heutzutage täglich mehr als zwei Stunden vor dem Mobiltelefon.

Zugleich ist aber festzuhalten, dass die 12- bis 18-Jährigen im Schnitt laut Kulturministerium nur noch 25 Minuten am Tag vor dem Fernseher sitzen.  Vor zehn Jahren waren es noch mehr als zwei Stunden.

Soziale Medien sind dabei mehr als nur passive Empfangsgeräte. Sie sind Unterhaltungskanäle, Suchmaschinen, Zugang zur Hausaufgabenhilfe, Tuschelecke, Treffpunkt für Verabredungen und Einladungen zu Treffen mit Gleichgesinnten und ein Ort, an dem Erfahrungen, Geheimnisse, Fotos und Videos und vieles mehr ausgetauscht und einander anvertraut werden.

Doch nicht immer ist der Inhalt, den die jungen Nutzerinnen und Nutzer austauschen, harmlos. Eine inzwischen vier Jahre alte Analyse des Børnerådets, ein staatliches Organ, das die Rechte von Kindern und Jugendlichen sichern soll, besagt, dass 16 Prozent der Schulkinder einer 9. Klasse innerhalb eines Jahres gemobbt wurden. Dies hat oft ernsthafte Konsequenzen für die Betroffenen: Sie fühlen sich einsamer und entwickeln ein geringeres Selbstbewusstsein als andere junge Menschen.

Aus diesem Grunde ist die politische Absprache, auf die sich die Regierung und mehrere im Folketing vertretene Parteien jetzt geeinigt haben, wichtig. 52,5 Millionen Kronen sollen ausgegeben werden, um Kinder und Jugendliche für die digitale Welt zu rüsten. Mit anderen Worten: ihnen mehr Digitalkompetenz mit auf den Weg zu geben.

Freuen würden wir uns natürlich, wenn auch die Kinder und Jugendlichen an den deutschen Schulen in Nordschleswig von diesen Mitteln profitieren könnten.

Kinder- und Unterrichtsministerin Pernille Rosenkrantz-Theil (Soz.) verglich den Einsatz mit dem einer Verkehrsschule für Kinder. Hier bitte rechts abbiegen, dort die Vorfahrt achten.

Ob es im Zwischenmenschlichen, auch digital, immer so einfach ist, sei dahingestellt.

Gerade in der digitalen Welt ist es wichtig, dass wir uns bewusst machen, welche Informationen wir preisgeben. Bekanntlich vergisst das Internet nicht, und vieles von dem, was wir einmal gepostet haben, möchten wir heute vielleicht lieber wieder gelöscht wissen. Denn wer viel von sich preisgibt, kann damit auch leichter in die Pfanne gehauen werden.

Die kommerziellen Produkte, die die populären sozialen Netzwerke sind, versuchen jedoch, uns durch immer neue Funktionen immer mehr persönliche Informationen zu entlocken. Meta alias Facebook war vor Kurzem erneut heftig dafür kritisiert worden, den Schutz der Nutzerinnen und Nutzer hinter das Ziel möglichst hoher Klickzahlen zu stellen.

Sich den kritischen Umgang mit diesen Produkten anzueignen, sollte deshalb so selbstverständlich sein wie Lesen und Schreiben lernen. Dass die Politik so lange geschlafen hat, führt zu der Frage, ob wir als Gesellschaft bislang zu naiv mit dem Phänomen sozialer Medien umgegangen sind.

Eine Antwort auf diese Frage wird sich uns zeigen, wenn wir feststellen, ob die Zahl der Opfer digitalen Mobbings sinkt.

Ob die nachkommende Generation besser als wir lernt, was wahr und unwahr, was seriös und was verleitend, was sicher und was gefährlich ist, das wird sich aber auch daran zeigen, wie standhaft unsere Demokratie ist, wenn es an der Generation Snapchat ist, sie mit Leben zu füllen – und sie zu verteidigen.

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