Leitartikel

„Was, wenn die Uhren im Grenzland unterschiedlich ticken würden?“

Was, wenn die Uhren im Grenzland unterschiedlich ticken würden?

Was, wenn die Uhren im Grenzland anders ticken würden

Apenrade/Aabenraa
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Uhren
Die Zeit kann schon mal zum Problem werden. Foto: Heather Zabriskie/Unsplash

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Die anstehende Umstellung der Uhr auf die Sommerzeit macht vielen Menschen zu schaffen. Eigentlich ist die Abschaffung von der EU auch schon beschlossen, doch der Ball liegt bei den Mitgliedsstaaten – und die können sich bislang nicht einigen. Journalist Gerrit Hencke plädiert für die jeweilige Normalzeit, denn ein Flickenteppich hätte kuriose Folgen.

Am Sonntag, 26. März, ist es mal wieder so weit: Die Sommerzeit ist da. In der Nacht von Sonnabend auf den Sonntag wird um 2 Uhr die Uhr eine Stunde vorgestellt. Wer sich das auch nach Jahren der halbjährlichen Praxis nicht merken kann, für den gibt es einfache Hilfssätze: Im Herbst, am letzten Oktoberwochenende, holt man die Gartenstühle rein (die Uhr wird also zurückgestellt), im Frühjahr, am letzten Märzwochenende, werden sie wieder hinausgestellt (der Stundenzeiger wandert also vor).

Doch wie lange müssen wir uns diese Rumspielerei am Stundenzeiger also eigentlich noch antun, die 1973 während der Ölkrise helfen sollte, Energie zu sparen? Schon damals wurden die Effekte als minimal angesehen. Heute ist der Energiespargrund quasi obsolet geworden, weil in den Häusern keine 100-Watt-Glühbirnen mehr für Licht sorgen. In Deutschland und Dänemark gilt die Sommerzeit übrigens erst wieder seit 1980. 

Sollte sie also nicht längst abgeschafft sein?

Die Abschaffung ist aus dem Fokus geraten

Die Antwort ist einfach: Ja, sollte sie. Seit 2021. Das EU-Parlament hatte 2019 nach Vorschlag der EU-Kommission den Beschluss zum Ende der Zeitumstellung getroffen. Dann kamen Brexit, Corona und der Ukraine-Krieg. Das Thema ist also aus dem Fokus geraten.

Grundlage für den Entscheid war übrigens eine nicht repräsentative Umfrage in der EU. Damals stimmten 84 Prozent der Befragten für das Ende der Uhrenumstellung. Allerdings hat die Umfrage ein Manko. Erstens nahmen nur 4,6 Millionen Menschen teil und zweitens kamen zwei Drittel davon aus Deutschland. Und die wünschten sich auch noch mehrheitlich die Sommerzeit.

Lange, laue Sommernächte klingen auch einfach verlockend. Doch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind dagegen. Und auch in den Mitgliedsstaaten konnte sich bislang nicht darauf geeinigt werden, ob künftig die Normalzeit (Winterzeit) beibehalten werden soll oder ob die Sommerzeit doch attraktiver ist.

Ein Grenzland mit zwei Uhrzeiten ­− unvorstellbar

Die Entscheidung für eine der Zeiten sollte mit Bedacht gefällt werden, denn ein Flickenteppich muss aus wirtschaftlichen und touristischen Gründen vermieden werden. Es würde durchaus kuriose Auswirkungen haben, wenn sich Deutschland für die Sommerzeit entscheiden würde, Dänemark hingegen die Winterzeit für besser hält. Gerade im Grenzland käme zur Doppelparkscheibe dann womöglich eine Doppeluhr dazu. Und Grenzpendlerinnen und Grenzpendler müssten schon genau planen, wie Arbeit und Familie bei zwei Uhrzeiten koordiniert werden können. Das kann also niemand wollen. 

Warum es nicht weitergeht, hat aber weitere Gründe. Das Problem ist, dass sowohl Sommer- als auch Normalzeit in verschiedenen EU-Ländern unterschiedliche Auswirkungen haben. EU-Länder im Osten oder Westen haben hier besondere Nachteile. Während es im Westen im Winter bei einer ewigen Sommerzeit noch weitaus später hell werden würde, würde eine ewige Winterzeit im Osten der EU deutlich früher für Dunkelheit im Sommer sorgen.

Die Probleme der ewigen Sommerzeit

Die Auswirkungen bei uns lassen sich recht leicht nachvollziehen. Nehmen wir als Beispiel Apenrade (Aabenraa). Zur Winterzeit/Normalzeit geht die Sonne hier am 21. Dezember (Winteranfang) um 8.46 Uhr auf und um 15:54 unter. Mit der dauerhaften Sommerzeit würde die Sonne erst eine Stunde später aufgehen – um 9.46 Uhr. Morgens ist es zum Schulbeginn und auf dem Weg ins Büro also sehr lange dunkel. Am Nachmittag ginge die Sonne allerdings erst um 16.54 Uhr unter.

Eine ewige Winterzeit würde in Apenrade am 21. Juni (Sommeranfang) ebenfalls Folgen haben. Die Sonne würde bereits um 3.43 Uhr über der Förde aufgehen. Der Sonnenuntergang wäre aber bereits um 21.04 Uhr und nicht um 22.04 Uhr wie zur Sommerzeit. Die Folge: Sonne schon in der Nacht, dafür fallen die sonnigen Sommerabende deutlich kürzer aus. Die Normalzeit würde unserem Rhythmus aber vor allem im Winter entgegenkommen. Im Sommer müsste man sich mit den Folgen arrangieren.

Ich muss an dieser Stelle ein Plädoyer für die Normalzeit halten. Klar: Lange, helle Sommerabende sind toll. Gerade hier im Norden sind sie ein guter Ausgleich zur langen, dunklen Jahreszeit. Allerdings: Kalt ist es bis auf zwei, drei Hochsommertage abends trotzdem. Die meisten Abende verbringen wir am Ende auch im Sommer im Pulli oder der Jacke. Dann ist es auch egal, ob es um 22 oder 23 Uhr dunkel ist. Dafür kommen Frühaufsteherinnen und Frühaufsteher auf ihre Kosten. Da Menschen verschieden ticken, werden bei einem Kompromiss immer einige in die Röhre gucken.

Die ewige Sommerzeit hingegen, würde unsere Winter noch dunkler machen. Ein Sonnenaufgang erst um kurz vor 10 Uhr am Vormittag – das ist absurd. Dann fühlt sich Apenrade im Winter so an, als würde es am Polarkreis liegen. Etwa auf Höhe der schwedischen Luleå zum Beispiel. Da geht im Winter schon zur Normalzeit die Sonne erst um 9.55 Uhr auf.

Initiativen wie die „Barcelona Declaration“ sprechen sich für vier (AZOT, WET, CET, EET) statt bisher drei Zeitzonen (WET, CET, EET) aus, basierend auf der Normalzeit, da diese sich der geografisch korrekten Zeit angleichen würden. Unsere innere Uhr mag es nämlich, wenn die Sonne zur Mittagszeit im Zenit steht.

Der Biorhythmus mag die Umstellung nicht

Die Folgen der anstehenden Umstellung sind nämlich nicht unerheblich: weniger Schlaf, einige Uhren manuell umstellen, abends mehr Licht. So weit, so bekannt. Auch, dass viele Menschen eine Art „Mini-Jetlag“ erleiden und die ganze Sache für den Biorhythmus nicht so gut ist, wissen mittlerweile die meisten.

In der Zeit nach der Umstellung auf die Sommerzeit häufen sich etwa Verkehrsunfälle oder Herzinfarkte, viele fühlen sich schlapp und müde und besonders Kinder kommen in ihrem Tagesrhythmus durcheinander, weil es zur Bettgehzeit plötzlich hell ist. Da sich unsere innere Uhr mehr oder weniger nach der Sonne richtet, kommt das Gefüge durch das Drehen an der Uhr aus der Balance.

Es ist also alles nicht ganz einfach. Und so ist auch offen, ob am Ende alles beim Alten bleibt oder doch eine Lösung gefunden wird, mit der alle leben können. Bis es so weit ist, soll uns die Umstellung mindestens bis 2026 erhalten bleiben. Also gilt in der Nacht zum 26. März wieder: Uhr vor, Stühle raus. Hoffentlich bei sonnigem Wetter.

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