Leitartikel

„Der Fall Tiktok zeigt, wie wichtig uns Medienkompetenz sein sollte“

Der Fall Tiktok zeigt, wie wichtig uns Medienkompetenz sein sollte

Der Fall Tiktok: Wie wichtig uns Medienkompetenz sein sollte

Apenrade
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Ein Smartphone mit verschiedenen Social-Media-Apps
Viele haben gleich mehrere Social-Media-Apps auf dem Smartphone, die Daten sammeln. Foto: Kerrin Trautmann

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Selbst Regierungen wissen nicht notwendigerweise, dass eine chinesische App auf dienstlichen Smartphones eine kritische Sicherheitslücke darstellen kann. Das sollte zu denken geben. Angesichts dessen ist es in einer digitalisierten Welt besonders wichtig, Schülerinnen und Schülern früh die nötige Medienkompetenz mit auf den Weg zu geben, meint Journalist Gerrit Hencke.

Das Internet funktioniert nach einem relativ simplen System. Wer es nutzen möchte, der muss für den Konsum von Inhalten entweder Geld bezahlen, oder er zahlt mit seinen Daten. Dass die chinesische App Tiktok nun im Fokus der Sicherheitsbehörden steht, weil möglicherweise, vielleicht sogar wahrscheinlich, sensible Daten direkt den Weg zu Machthaber Xi Jinping nach Peking finden, ist im Grunde keine Neuigkeit. Schon vor Jahren wurde vor der Nutzung der App aus genau diesem Grund gewarnt. Man solle sie am besten gar nicht erst installieren, wenn einem seine privaten Daten lieb sind, hieß es.

Überraschend sind daher jetzt die hektischen Empfehlungen der EU-Kommission und auch des dänischen Cybersicherheitsrates, Tiktok solle von Dienstgeräten möglichst schnell entfernt werden. Das Folketingspräsidium hat daraufhin die Abgeordneten dazu aufgefordert, die App zu löschen. Einige dänische Unternehmen und Kommunen ziehen bereits nach. International schrillen unter anderem in Kanada und den USA die Alarmglocken. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ob bereits sensible Daten abgegriffen wurden, darüber lässt sich nur spekulieren. Kernzielgruppe sind Politikerinnen und Politiker ohnehin nicht, denn die App ist vor allem bei Kindern und Jugendlichen beliebt. Bei Tiktok versteht man die Aufregung nicht und spricht von einem grundlegenden Missverständnis.

Das Internet vergisst nicht

Trotz der seit Jahren bestehenden Bedenken nutzen viele Menschen, vor allem die jüngeren Generationen, die Videoapp privat intensiv und stundenlang. Der Reiz der App ist es, sich von verschiedenen Inhalten berieseln zu lassen. Die kurzen Clips starten sofort mit dem Öffnen der App und lassen sich endlos durchswipen.

Vom veganen Rezept über die neuesten Tanz-Trends bis zu politischen Inhalten findet sich auf der Plattform allerhand. Für verschiedene Unternehmen oder Organisationen, für Politikerinnen und Politiker ist und war die App ein direkter Draht zu einer Zielgruppe, die sie über andere Kanäle kaum mehr erreichen.

Doch eines muss allen klar sein: Wer Tiktok, andere soziale Medien oder Messenger-Dienste nutzen möchte, der gibt einen Teil seines Privatlebens preis. Das fängt bei der Registrierung an, hört aber je nach Berechtigungen, die erteilt werden, nicht auf. Telefonbuch, Standort, Chatverläufe: Sicher ist eigentlich nichts vor der Sammelwut der Anbieter. Meta (Facebook, Instagram und Whatsapp), Snapchat oder Google (Youtube), verdienen mit unseren Daten Geld. Das Internet vergisst bekanntermaßen nicht, und so sind wir in erster Linie selbst dafür verantwortlich, welche Daten wir mit den Anbietern teilen.

Medienkompetenz so wichtig wie Mathematik

Dieses Wissen muss vermittelt werden. Was es also braucht, ist der Aufbau einer intensiven Medienkompetenz spätestens ab dem Grundschulalter, besser schon im Kindergarten. Schülerinnen und Schüler müssen frühzeitig lernen, wie das Internet und soziale Medien funktionieren, wie Algorithmen und Filterblasen Einfluss auf die Meinungsbildung haben, welche Fotos, Videos oder Worte besser nicht veröffentlicht werden sollten, welche Folgen bestimmte Berechtigungen mit sich bringen und ob man von gewissen Apps vielleicht doch besser die Finger lässt, weil sie eben problematisch sind. Es ist eine Kernkompetenz in einer fortschreitend digitalisierten Welt, so wie es Dänisch, Mathematik oder Biologie sind.

Das setzt allerdings auch voraus, dass Lehrkräfte wissen, was bei Kindern und Jugendlichen gerade trendet, wie entsprechende Apps funktionieren und wer dahintersteckt. Wie nun festzustellen ist, wissen selbst Regierungen nicht notwendigerweise, dass eine chinesische App auf dienstlichen Smartphones möglicherweise eine kritische Sicherheitslücke darstellt.

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