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Warnung vor Tiktok: Wie gefährlich ist die App wirklich?

Warnung vor Tiktok: Wie gefährlich ist die App wirklich?

Warnung vor Tiktok: Wie gefährlich ist die App wirklich?

Apenrade/Aabenraa
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Tiktok
Tiktok ist vor allem bei Kindern und Jugendlichen beliebt. Foto: Mike Blake/Reuters/Ritzau Scanpix

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Seit Jahren wird vor der App des chinesischen Herstellers Bytedance gewarnt. Weil sensible Daten möglicherweise an die Regierung in Peking fließen könnten, verbieten immer mehr Staaten, Institutionen und Unternehmen ihren Mitarbeitenden die Nutzung auf Dienstgeräten. Ein Überblick, welche Daten Tiktok erhebt und welche Gefahren lauern.

Nur wenige Tage nach der offiziellen Warnung vor TikTok durch das Center für Cybersicherheit (CFCS) hat das Folketing seinen Abgeordneten und weiteren Angestellten empfohlen, die Social-Media-App von Dienstgeräten wie Smartphones zu entfernen. Tiktok gehört dem chinesischen Unternehmen „Bytedance“. Es wird vermutet, dass Nutzerdaten an die Regierung in Peking weitergegeben werden. Datenschützerinnen und Datenschützer warnen seit Jahren vor der App. 

Tiktok ist eine Social-Media-Plattform, auf der Nutzerinnen und Nutzer quasi endlos kurze Videoclips schauen können – vom veganen Rezept über die neuesten Tanz-Trends bis zu politischen Inhalten findet sich auf der Plattform fast alles. Sie ist besonders bei Kindern und Jugendlichen beliebt. 

CFCS arbeitet mit staatlichen Institutionen eng zusammen und hat nun konkrete Sicherheitsbedenken bezüglich der Nutzung der App geäußert. Derzeit erstelle man gemeinsam mit dem polizeilichen Nachrichtendienst (PET) und Statens IT ein Sicherheits-Handbuch für mobile Endgeräte. Je weniger Apps auf einem Telefon installiert seien, desto weniger potenziell verwundbar und fehleranfällig seien das Gerät und die darauf gespeicherten sensiblen Daten, heißt es in einer Pressemitteilung. 

„Bei der Bewertung, welche Apps auf Dienstgeräten gewünscht sind, geht es in erster Linie darum, ob die App einen arbeitsrelevanten Bedarf erfüllt“, schreibt die Sicherheitsbehörde weiter. Daher solle mitbedacht werden, wer die App anbiete und auf welche Funktionen auf dem Telefon sie Zugriff erhalte. 

Folketing und EU sehen Spionagerisiko

„Das Parlament trägt den Einschätzungen der Sicherheitsbehörden Rechnung. Nun, da laut dem Zentrum für Cybersicherheit ein Spionagerisiko durch die Nutzung von Tiktok besteht, werden wir uns entsprechend anpassen. Wir folgen der Linie des Zentrums gegenüber den staatlichen Institutionen“, sagte Parlamentspräsident Søren Gade (Venstre), in einer entsprechenden Pressemitteilung.

Erste Folketingsmitglieder haben bereits reagiert und die App gelöscht. Alex Vanopslag (Liberale Allianz) und Rosa Lund (Einheitsliste), die beide sehr aktiv auf den Plattformen unterwegs waren, teilten dies „Politiken“ mit. Und auch Digitalisierungsministerin Marie Bjerre (Venstre) hat ihr Tiktok-Profil bereits entfernt.

Weitere Unternehmen und sogar Kommunen haben ihren Mitarbeitenden verboten, die App weiterhin auf Diensttelefonen zu haben. Darunter Dansk Erherv mit rund 400 Mitarbeitenden und die Kommune Viborg. CFCS empfiehlt außerdem, dass Kommunen und andere private Organisationen eine Risikoeinschätzung vornehmen. 

Die EU-Kommission sprach in der vergangenen Woche bereits ein Verbot von Tiktok auf den Arbeitsgeräten ihrer Angestellten aus – aus Datenschutzgründen. Bis spätestens 15. März sollten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die App von Smartphones löschen.

Tiktok reagiert mit Unverständnis und führt an, die Beschlüsse würden auf einer falschen Grundlage getroffen. „Wir sind enttäuscht von dieser Entscheidung, die unserer Meinung nach auf grundlegenden Missverständnissen beruht“, sagte ein Sprecher des Unternehmens.

„Es gibt meines Wissens keinen konkreten Beweis, dass die chinesische Regierung tatsächlich Zugriff auf Daten von Tiktok-Nutzerinnen und -nutzern bekommt. Weil man es aber nicht ausschließen kann, ist die politische Entscheidung eine nachvollziehbare Vorsichtsmaßnahme“, sagt Jacopo Mauro, Experte für Cybersicherheit an der SDU, dem „Nordschleswiger“. Die Praxis der Datenerhebung unterscheide sich bei Tiktok allerdings nur unwesentlich von der anderer Plattformen, die allerdings westlichen Unternehmen gehören. Weil Tiktok einem chinesischen Betreiber gehöre, gebe es kaum Wege der Kontrolle. 

Tiktok drohen Sanktionen und weitere Verbote

Tiktok wurde bereits im vergangenen Jahr immer wieder kritisiert, weil etwa Daten von Kindern und Jugendlichen gesammelt wurden und chinesische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf persönliche Informationen von Menschen aus Europa zugreifen können. Im Winter 2022 wurde außerdem bekannt, dass über die App Journalistinnen und Journalisten ausspioniert wurden, um an deren Standorte zu gelangen und etwaige Informanten zu identifizieren. In Indien ist die App seit 2020 sogar verboten. Diskutiert wird das auch in Kanada und den USA.

In der EU könnten Tiktok im Hinblick auf das neue Gesetz über digitale Dienste (DSA), das im September in Kraft treten soll, Sanktionen oder sogar das Aus drohen. Anbieter Bytedance tue demnach zu wenig, um geltendes Recht in der Union einzuhalten. Dabei geht es auch um Filter, damit ungeeignete Inhalte für Minderjährige nicht zugänglich sind. 

Daten junger Nutzerinnen und Nutzer in Gefahr

Gegenüber „Danmarks Radio“ („DR“) zeigen sich Jugendorganisationen durch die neuen Empfehlungen verunsichert. „Wenn etwas als zu gefährlich für Erwachsene eingestuft wird, ist es nur natürlich, dass wir uns überlegen, wie wir Kinder und Jugendliche schützen können“, sagt Marie Holt Hermansen, Vorsitzende des dänischen Schülerverbandes, der die 700.000 Grundschülerinnen und Grundschüler des Landes vertritt.

Überwiegend nutzen Kinder und Jugendliche die Social-Media-App. Laut Medienentwicklungsbericht für 2022 verwenden 11 Prozent der Bürgerinnen und Bürger Tiktok. Im Vorjahr waren es 6 Prozent. 41 Prozent der 15- bis 24-Jährigen nutzen die App wöchentlich. Die größte Gruppe ist die der 9- bis 14-Jährigen – und das, obwohl die Altersgrenze für die Nutzung der App bei 13 Jahren liegt.

Der dänische Jugendrat (DUF) teilt „DR“ mit, dass er mit den dänischen Schülerinnen und Schülern darin übereinstimmt, dass Kinder und Jugendliche in die Empfehlungen zur Nutzung von Tiktok einbezogen werden sollten, da sie der App am meisten ausgesetzt seien.

Welche Daten Tiktok erhebt

Tiktok gibt in seiner Datenschutzerklärung an, welche Informationen das Unternehmen sammelt. Schon bei der Einrichtung des Kontos werden diverse Daten erhoben, etwa Geburtsdatum, E-Mail-Adresse oder Telefonnummer.

Wer Inhalte auf der Plattform erstellt, über den sammelt Tiktok weitere Daten ­­− etwa Fotos (auch aus der Zwischenablage), Videos, Audioaufnahmen oder Kommentare. Auch der Standort wird ermittelt und wann ein Inhalt gepostet wird. Das Unternehmen erhebt auch den Inhalt aus Direktnachrichten und weitere damit verbundene Metadaten wie den Gesprächspartner. Die offizielle Begründung ist das Blockieren von Spam, das Aufdecken von Straftaten und der Schutz der Nutzerinnen und Nutzer. Wer sein Telefonbuch in die App importiert, um Kontakte zu finden, der eröffnet Tiktok Zugriff auf weitere private Daten. 

Ebenfalls sammelt das Unternehmen eine Reihe technischer Informationen, wie etwa Geräte- und Netzwerkverbindungsdaten, aber auch Tastenanschlagmuster oder -rhythmen. Aus den vielen Daten leitet Tiktok ein Profil seiner Nutzerinnen und Nutzer her − mit Eigenschaften und Interessen. So kann das Unternehmen etwa personalisierte Werbung anzeigen. Laut Datenschutzerklärung werden personenbezogene Daten auf „sicheren Servern in den Vereinigten Staaten und Singapur“ gespeichert.

Manipulation und fehlender Minderheitenschutz

Rüdiger Trost, der bei der finnischen Sicherheitsfirma „WithSecure“ arbeitet, schätzt Tiktok als „sehr gefährlich“ ein, wie er der „Deutschen Presse-Agentur“ sagte. Der Experte kritisiert, dass der Algorithmus gezielt Individuen benachteilige, die „nach westlichem Verständnis eines besonderen Schutzes bedürfen“. So würden etwa Videos von Menschen mit Behinderungen auf Tiktok gezielt seltener ausgespielt. Als problematisch sieht Trost auch die Verbindung zur Regierung des Herkunftslandes: „Ereignisse, die dem chinesischen Staat nicht gefallen, fallen der Zensur zum Opfer.“ Vieles an Tiktok sei mit dem westlichen Verständnis von Menschenwürde, Gleichberechtigung, freier Meinungsäußerung und Minderheitenschutz nicht in Einklang zu bringen. „Mindestens so groß wie die Gefahr vor Spionage ist das Risiko einer gezielten Beeinflussung der öffentlichen Meinung in westlichen Gesellschaften. Nicht zuletzt vor Wahlen.“

In dieselbe Kerbe schlägt auch André Ken Jakobsson, Forscher im Bereich hybrider Kriegsführung an der Süddänischen Universität (SDU) in Sonderburg (Sønderborg). Er rät, die App von allen Telefonen zu löschen. Diese sammele über die Zeit so viele Daten, dass aus ihnen psychologische Profile einzelner Personen erstellt werden könnten. Dies könne eingesetzt werden, um auf Bevölkerungsgruppen einzuwirken, Polarisierung zu fördern und psychologische Kriege gegen den Westen zu führen. Vor allem Jüngere seien so der Möglichkeit ausgesetzt, manipuliert zu werden, sagte er gegenüber „DR“.

Anders als Jakobsson hält Mauro zumindest die private Nutzung der App für unproblematisch, da Nutzerinnen und Nutzer eher keine sensiblen Daten auf ihren Geräten hätten, die die Sicherheit eines Staates gefährden könnten. 

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