Medienentwicklung

Streaming überholt erstmals lineares Fernsehen in Dänemark

Streaming überholt erstmals lineares Fernsehen in Dänemark

Streaming überholt erstmals lineares Fernsehen in Dänemark

ghe/Ritzau
Kopenhagen
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Netflix, Amazon Prime und Disney: Tasten auf der Fernbedienung
Streamingdienste werden auch in Dänemark immer beliebter. Foto: Ritzau Scanpix

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Der Konsum traditioneller Medien in Dänemark geht weiter zurück. Medienforscher gehen davon aus, dass mit dem vergangenen Jahr der Kipppunkt erreicht wurde. Künftig werden die meisten Inhalte online konsumiert werden. Den Anfang hat das Streaming gemacht.

Der jährliche Bericht von Danmarks Radio (DR) zur Medienentwicklung in Dänemark zeigt es deutlich: Die traditionellen Medien werden von den Bürgerinnen und Bürgern immer seltener genutzt. Sie wurden im vergangenen Jahr von Streamingdiensten, Podcasts und sozialen Medien überholt.

Nur noch 51 Prozent des gesamten Medienkonsums in Dänemark sind demnach traditionelle Medien. Der Rest entfällt auf Onlinedienste. 2020 waren es noch 55 Prozent, 2016 sogar noch 64 Prozent. „Wir befinden uns an einem Kipppunkt. Es ist aller Wahrscheinlichkeit nach das letzte Jahr, in dem traditionelle Medien den Großteil des Medienkonsums der Bürgerinnen und Bürger ausmachen“, sagt Medienforscher Dennis Christensen.

Mehr Streaming als lineares Fernsehen

Die Verbraucherinnen und Verbraucher konsumierten im Durchschnitt täglich 103 Minuten lineares Fernsehen. Das waren neun Minuten weniger als bei den Streamingdiensten. Lag der Anteil am Medienkonsum bei den Streaminganbietern 2016 noch bei 10 Prozent, waren es 2019 schon 15 und 2022 bereits 27 Prozent.

„An und für sich ist das nicht überraschend, da sich das lange in diese Richtung entwickelt hat“, werden die Medienforscher Janne Bjørsted-Tandrup, Henrik Gregor Knudsen und Christensen in dem Bericht „Medieudvikling 2022“ zitiert.

Nicht überraschend ist dabei, dass vor allem Ältere am meisten lineares Fernsehen konsumieren, während die Jüngeren eher On-Demand-Dienste nutzen. 

Wir befinden uns an einem Kipppunkt. Es ist aller Wahrscheinlichkeit nach das letzte Jahr, in dem traditionelle Medien den Großteil des Medienkonsums der Bürgerinnen und Bürger ausmachen.

Medienforscher Dennis Christensen

Zuschaueranteil verteilt auf die Kanalfamilien

2021 machte das lineare Fernsehen 28 Prozent des Medienkonsums der Bürgerinnen und Bürger aus.

Swipe me

Steigender Anteil bei Podcasts

Auch das traditionelle Radio wird immer weniger gehört. 102 Minuten täglich waren es noch 2021. Im vergangenen Jahr fiel die Hörzeit auf 92 Minuten. Laut Medienforschern hänge dies unter anderem mit den Corona-Lockdowns zusammen. In dieser Zeit hätten die Menschen besonders viel Radio gehört, weshalb die tägliche Nutzung signifikant höher gewesen sei. 

Die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die wöchentlich Radio hören, liege stabil bei 89 Prozent. Daher sei das Radio weiterhin eines der beliebtesten Medien. Dennoch ging auch hier der Medienkonsum von 23 Prozent in 2016 auf 16 Prozent im Vorjahr zurück.

Podcasts erfreuen sich hingegen immer größerer Beliebtheit. 2022 hörten 32 Prozent der Menschen im Land wöchentlich die Audiostreams. 2021 waren es noch 29 Prozent. 

Christiane Vejlø, Chefin von Elektronista Media, beschäftigt sich beruflich mit der Beziehung von Technologie und Menschen. Für sie liegt ein Grund in der größeren Vielfalt der digitalen Plattformen. „Wenn man sich umsieht, wird man feststellen, dass wir heute eine große Medienvielfalt haben. Es gibt viele Basismedien, die unabhängig vom öffentlichen Dienst und von der Medienförderung sind und die sich auf neue Weise mit kostenlosen Inhalten oder hinter Bezahlschranken anbieten“, sagt sie.

TikTok sorgt für steigenden Konsum sozialer Medien

Und so werden auch die Streamingplattformen der traditionellen Medien gut genutzt. Bei DR sind es laut einer Umfrage 53 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher. Nur YouTube liege laut Bericht mit 54 Prozent noch davor. Es folgen Netflix (50 Prozent), Viaplay, TV2 Play, Disney Plus, You See und HBO. 

Habe man damals immer Position 1 im Fernsehen gehabt, stelle die Entwicklung auch „Danmarks Radio“ vor große Herausforderungen, gibt Christensen zu. „Wir müssen viel mehr um Aufmerksamkeit kämpfen, weil es mehr Angebote gibt, und das ist eine ganz neue Logik.“

Damit meint Christensen die Demand-Logik. Menschen wollen Inhalte dann konsumieren, wenn sie Lust darauf haben und nicht, wenn sie ausgestrahlt werden. 

Der Bericht beleuchtet auch die Nutzung sozialer Medien, die heute einen konstanten Anteil von 10 bis 11 Prozent am Medienkonsum haben. Demnach bleibt die Nutzung bei den über 15-Jährigen stabil. In der Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen macht insbesondere TikTok Boden gut. 41 Prozent der Menschen in der Altersgruppe nutzen das soziale Netzwerk wöchentlich. 2021 lag diese Zahl noch bei 28 Prozent, 2019 bei nur 3.

Facebook und Messenger bleiben allerdings nach wie vor die meistgenutzten sozialen Netzwerke, obwohl die Nutzung leicht zurückgeht. 

Manche Anteile am Medienkonsum stabil

Interessant ist auch, dass der Anteil am Medienkonsum bei einigen Inhalten annähernd gleich geblieben ist. Bei Zeitungen und Zeitschriften lag er in den vergangenen Jahren stabil zwischen 5 und 6 Prozent, beim Radio- und Musikstreaming zwischen 8 und 9 Prozent. Auch das Lesen von Nachrichten liegt stabil bei 4 Prozent. Online-Gaming hat einen relativ konstanten Anteil von 6 Prozent.

Bürgerinnen und Bürger „nachrichtenmüde“

Ein interessanter Aspekt im DR-Bericht ist das sinkende Interesse an Nachrichten. War das Interesse besonders zu Corona-Zeiten groß, zeigen die Daten nun, dass primär die Besuche ausländischer Inhalte auf den wichtigsten Nachrichtenseiten stetig zurückgehen. Neben anderen Gründen sehen die Medienforscher die sogenannte „Nachrichtenmüdigkeit“ (engl. news fatigue) als logische Erklärung.

Dabei wenden sich Menschen mehr oder weniger aktiv vom Nachrichtengeschehen ab. Der Anteil der Däninnen und Dänen mit diesem Verhalten nimmt laut Bericht zu, was aber nicht neu ist. Der Effekt wurde mutmaßlich während der Corona-Pandemie etwas verdeckt, als es schwieriger war, sich Nachrichten zu entziehen.

Der Medienforschungsbericht ist in voller Länge hier nachzulesen.

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