Sport

Selbsttest in Hadersleben: Kämpfen ohne zu verletzen

Selbsttest in Hadersleben: Kämpfen ohne zu verletzen

Selbsttest in Hadersleben: Kämpfen ohne zu verletzen

Anna Itter
Anna Ittner
Hadersleben/Haderslev
Zuletzt aktualisiert um:
Grappling ist Vollkontaktsport.
Grappling ist Vollkontaktsport. Foto: Anna Ittner

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Kampfsport ohne Schläge und Tritte? Das ist Brazilian Jiu-Jitsu. Die Disziplin kann man nun auch in Hadersleben ausüben. Ist sie, wie vom Veranstalter behauptet, tatsächlich für jeden geeignet? „Nordschleswiger“-Praktikantin Anna Ittner macht den Test.

„Es wird warm und Menschen werden auf dich schwitzen.“ Mit diesen Worten begrüßt mich Trainer Martinus Lindegren zum Brazilian Jiu-Jitsu. Er soll Recht behalten. Eine halbe Stunde später liege ich mit rotem Gesicht auf einer Matte, eingeklemmt zwischen den Knien einer anderen Sportlerin. Wie bin ich hier gelandet?

Es geht um „Grappling“

Seit vergangener Woche gibt es in Hadersleben einen Brazilian-Jiu-Jitsu-Kurs. Das ist eine Kampfsportart aus Südamerika, in der die Gegnerin oder der Gegner nicht durch Boxen, Treten oder Ähnliches außer Gefecht gesetzt wird, sondern durch bodennahe, auf viel Körperkontakt basierende Griffe.

Dabei geht es nicht um das Verletzen, sondern um Festhalten und Neutralisieren des gegnerischen Parts. Der Oberbegriff für solche Techniken ist „Grappling“. Sie werden auch in anderen Kampfsportarten genutzt.

Martinus Lindegren ist Gründer und Trainer des Brazilian Jiu-Jitsu Kurses in Hadersleben.
Martinus Lindegren ist Gründer und Trainer des Brazilian Jiu-Jitsu Kurses in Hadersleben. Foto: Anna Ittner

Nach Hadersleben gebracht hat den Sport Martinus Lindegren. Er bringt zehn Jahre Kampfsporterfahrung mit. Martinus kam zum Kampfsport, nachdem er mit 16 einmal schlimm geschlagen wurde. „Ich wollte keine Angst mehr haben“, sagt er. Zunächst startete er mit Mixed Martial Arts (MMA). Das sei am nächsten dran an einem richtigen Kampf gewesen, allerdings nicht gut für den Körper. Deswegen sei er zu Jiu-Jitsu gewechselt.

Gegen Angst und für Vertrauen

Viele Jahre trainierte er in Vejen, bis zu seinem Umzug. Hier machte er zunächst Crossfit, das Grappling jedoch fehlte ihm.
„Es bringt Leute zusammen. Da es ein Kontaktsport ist, überkommt man seine Angst, angefasst zu werden und baut Vertrauen auf. Das ist einzigartig an diesem Sport.“

Martinus (unten) macht vor, wie man sich aus einer solchen Lage befreien kann.
Martinus (unten) macht vor, wie man sich aus einer solchen Lage befreien kann. Foto: Anna Ittner

Deswegen startete er den Jiu-Jitsu-Kurs. Er unterrichtet, als wäre es ein echter Kampf. „Es ist auch Selbstverteidigung. Es geht darum, die andere Person zu neutralisieren und fixieren, ohne sie zu verletzen.“

Auf mich wirken die Griffe wie eine Tanzchoreografie

Nach dem Aufwärmen erklärt er verschiedene Situationen: „Wenn jemand so auf dir draufsitzt und dich schlagen will, kannst du diesen Griff anwenden“. Dann macht er mit einem Partner die Griffe mehrmals langsam vor. Gewicht verlagern, Arm da fassen, Bein da aufstellen, hier Druck ausüben. Auf mich wirken die Griffe wie eine Tanzchoreografie. Nur dass der Partner nicht mit dir, sondern gegen dich arbeitet.

Es geht darum, die andere Person zu neutralisieren und fixieren, ohne sie zu verletzen.

Martinus Lindegren, Trainer

Anschließend bilden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Paare und probieren es selbst aus. Ich finde mich mit Anne Byg zusammen. Die 59-Jährige trainiert eigentlich Crossfit in der gleichen Sporthalle und ist darüber hierhergekommen.

Das Ziel: Grenzen überwinden

„Ich wollte mal etwas Neues ausprobieren und meine Grenzen überwinden, zum Beispiel, was den Körperkontakt angeht. Es ist etwas ganz anderes als Crossfit, es geht um schnelle Abläufe und Reflexe.“

Anne Byg (in pink) wird von Miriam Aa Nyggard beim Training fest im Griff gehalten.
Anne Byg (in pink) wird von Miriam Aa Nyggard beim Training fest im Griff gehalten. Foto: Anna Ittner

Ich habe etwas Probleme, mir die Bewegungsabläufe zu merken. Welchen Arm wohin und dann auf welche Seite fallen lassen? Doch Martinus hilft gerne nach und erklärt Einzelnen die Griffe noch einmal. Trotzdem, so ganz koordiniert bekomme ich meine Gliedmaßen nicht.

Als ich es einmal doch schaffe, Anne flüssig vom Boden in meinen Schwitzkasten zu bekommen, bin ich stolz. Tatsächlich ist Kraft nicht das Wichtigste, wenn die Technik stimmt.

Die Teilnehmer versuchen in Paaren abwechselnd, sich aus den Griffen des anderen zu befreien.
Die Teilnehmer versuchen in Paaren abwechselnd, sich aus den Griffen des anderen zu befreien. Foto: Anna Ittner

Etwa 25 bis 30 Personen waren bei den ersten Stunden dabei. Martinus erzählt, dass viele aus dem Crossfit-Gym kommen, in dem wir trainieren, oder auch aus Polizei und Militär. Es gibt aber auch Jugendliche und vollkommene Anfänger.

„Teilweise hat es etwas Kindliches, das macht Spaß“

Zum Beispiel Miriam Aa Nyggard. Sie ist über ihren Freund hierhergekommen. „Das erste Mal hat er mich überredet, aber jetzt bin ich freiwillig hier. Es ist eine andere Art, sich zu bewegen. Teilweise hat es etwas Kindliches, das macht Spaß“, begründet sie ihre Teilnahme. Ihr Freund, Emil Sonne, macht schon sein Leben lang Kampfsport. „Es ist einfach das, was ich kenne und mag“, sagt er.

Emil hat schon Kampfsporterfahrung, Miriam ist ganz neu dabei.
Im Alltag Partner, auf der Matte Gegner: Emil und Miriam Foto: Anna Ittner

Auch Elias Svane kommt aus dem Crossfit-Bereich und liebt es, Neues zu lernen. Deshalb hat er den Kurs ausprobiert. „Es ist eine ganz andere Art, den Körper zu benutzen. Vor allem auch die kleinen Muskeln werden da angesprochen, die man sonst eher nicht nutzt.“

Elias schätzt die sportliche Herausforderung einer neuen Disziplin.
Elias schätzt die sportliche Herausforderung einer neuen Disziplin. Foto: Anna Ittner

Martinus möchte mit dem Angebot alle ansprechen. „Wenn du fitter werden willst, kannst du das hier werden. Wenn du kämpfen lernen willst, kannst du das hier lernen. Wenn du Weltmeister werden willst, bringen wir dich dorthin“, sagt er. Außerdem will er Menschen einen Raum geben, an dem sie sich ausleben können.

Sport- statt Polizeibesuche

„Wir hatten auch manchmal Leute mit fragwürdigem Hintergrund. Hier haben sie einen Ort, um sie selbst zu sein, und die beste Version ihres Selbst werden zu können.“ Der Kursleiter erzählt von einem Jungen, der vorher regelmäßiger Besucher bei der Polizei war, es aber durch den Sport bis nach Amerika zum Trainieren geschafft hat. „Er ist meine persönliche Erfolgsstory“, erinnert sich Martinus lächelnd.

 

Beim sogenannten „Sparring“ am Ende des Trainings konnten die Teilnehmenden das gelernte praktisch anwenden: in kleinen Kämpfen gegeneinander.
Beim sogenannten "Sparring" am Ende des Trainings konnten die Teilnehmenden das gelernte praktisch anwenden: in kleinen Kämpfen gegeneinander. Martinus (Mitte) behielt den Überblick. Foto: Anna Ittner

Für mich persönlich war Brazilian Jiu-Jitsu eine spannende Erfahrung, einmal reicht mir aber. Kampfsport ist einfach nicht mein Ding. Wer Interesse hat, sollte es ausprobieren. Durch die anschaulichen Erklärungen und Unterstützung durch Martinus ist es auch für Anfänger leicht, einzusteigen. Sportliche Vorkenntnisse oder viel Kraft sind nicht nötig. Selbst ganz ohne Kampfsporterfahrung konnte ich die Griffe umsetzen – sofern meine Koordination mitspielte.

Zweimal wöchentlich Training

Das Training findet in der ersten Etage des „Værftet“ in Christian X's Vej 9 in Hadersleben statt. Dienstags und donnerstags von 18.30 Uhr bis 20 Uhr gibt es Trainingseinheiten mit einem festen Programm. Außerdem soll es einmal pro Woche offenes Training und die Möglichkeit für persönliches Sparring und Training geben.

Martinus Lindegren hält die Kurse auf Dänisch, spricht bei Fragen aber auch Englisch. Ein Probetraining bekommt man gratis. Alle Infos gibt es auch in der Facebook-Gruppe.

Das ist Brazilian Jiu-Jitsu / Grappling

  • Der Begriff Jiu-Jitsu kommt aus dem Japanischen und bedeutet „sanfte Kunst“.
  • Die Kampfsportart wurde 1915 nach Brasilien gebracht und dort von Carlos und Helio Gracie und Luiz França zur eigenständigen Disziplin „Brazilian Jiu-Jitsu“ weiterentwickelt.
  • Brasilianisches Jiu-Jitsu ist eine überwiegend bodengestützte Kampfkunst, die die Prinzipien von Hebelwirkung, Winkel, Druck und Timing sowie das Wissen über die menschliche Anatomie verwendet, um eine gewaltfreie Unterwerfung des Gegners zu erreichen.
  • Im Gegensatz zu anderen Kampfkünsten, die sich auf Schläge und/oder Tritte konzentrieren, konzentriert sich Jiu-Jitsu auf engen Kontakt. Dabei werden sogenannte Grappling-Techniken eingesetzt. Diese umfassen zum Beispiel Klammern, Würgegriffe und Gelenkmanipulationen.

Quelle: essentialbjj.com, defport.com

Mehr lesen
Alsen-Fünen-Brücke

Nordschleswig

Alsen-Fünen-Verbindung soll Radweg bekommen und nachhaltig sein

Fünenshaff/Fynshav Um das zu erreichen, ist der Chef des Radfahrendenverbandes, Kenneth Øhrberg Krag, in das Komitee der Interessengemeinschaft „Als-Fyn-Forbindelsen“ eingetreten. Eine mögliche Brücke solle in der Zukunft ein „Fahrradleuchtturm“ werden, heißt es mit Blick auf den Tourismus. Außerdem wird geplant, das Projekt so nachhaltig wie möglich umzusetzen. Dafür läuft eine entsprechende Analyse.