Neue Infektionskrankheit

Coronavirus: Warum Hamsterkäufe derzeit wenig sinnvoll sind

Coronavirus: Warum Hamsterkäufe derzeit wenig sinnvoll sind

Coronavirus: Warum Hamsterkäufe derzeit wenig sinnvoll sind

shz.de/epd, dpa und cch
Göttingen/Greifswald
Zuletzt aktualisiert um:
In einem Supermarkt in Siegen, Nordrhein-Westfalen, ist der Zucker ausverkauft. Die Angst vor dem Coronavirus sorgt inzwischen für erste Hamsterkäufe in Deutschland. Foto: Rene Traut/dpa

Trotz relativ weniger Fälle sorgt der Coronavirus für große Verunsicherung. Ein Angstforscher erklärt das Phänomen

150 bestätigte Coronavirus-Fälle gibt es in Deutschland – bei insgesamt rund 83 Millionen Einwohnern. Dennoch beherrscht das Thema seit Wochen die Schlagzeilen, in vielen Apotheken sind Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel ausverkauft, zusätzlich sorgen Hamsterkäufe  für leere Supermarkt-Regale.

Dabei sind weder aus China noch aus Norditalien Meldungen über Hunger bekannt, sagt der Greifswalder Mediziner Nils Hübner. Er erwarte auch nicht, dass in Deutschland eine solche Mangelsituation auftauche. Zudem würden viele Lebensmittel wieder weggeworfen. Er sehe auch die psychologische Komponente von Hamsterkäufen: „Wenn die Menschen vor leeren Regalen stehen, führt das wieder zu Hamsterkäufen. Das ist ein selbstverstärkender Prozess."

„Gesunder Fatalismus"

Auch der Göttinger Angstforscher und Psychiater Borwin Bandelow (68) rät im Umgang mit der Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland zu einem „gesunden Fatalismus". „Wir hatten ähnliche Fälle mit der Vogelgrippe oder dem viel gefährlicheren Sars-Virus", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Immer, wenn eine neue Gefahr auftauche, erwüchsen für einen gewissen Zeitraum Ängste. Menschen gewöhnten sich aber an neue Situationen. Ein Problem sehe er momentan eher in überzogenen Gegenmaßnahmen.

2017/2018 gab es rund 25.000 Grippetote

Die Angst vor der Ausbreitung und Ansteckung sei nicht ganz unberechtigt oder irrational, sagte der Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsmedizin Göttingen, der zu den führenden Angstforschern in Deutschland gehört. Menschen seien bereits daran gestorben, und Corona scheine gefährlicher als ein Grippevirus zu sein. Auf der anderen Seite seien bei der großen Grippewelle 2017 und 2018 rund 25.000 Menschen gestorben. „Und das stecken wir weg, weil wir gelernt haben, dass das zum Leben dazu gehört." Menschen nutzten weiterhin Autobahnen, auch wenn sie um die möglichen Gefahren des Straßenverkehrs wüssten, sagte Bandelow.

Bei Vorfällen wie einem Terroranschlag oder der Atomreaktor-Katastrophe von Fukushima gebe es die Regel, dass nach etwa vier Wochen die mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit trotz weiterhin bestehender Gefahren nachlasse. Während einige Medien mit ihrer Berichterstattung Panik schürten, versuchten andere zu beruhigen. „Die Menschen sind dann schlicht hin- und hergerissen zwischen unterschiedlichen Informationen."

Gefahr wird in der Wahrnehmung bleiben

Die Menschen sollten einen realistischen Blick auf das Geschehen werfen, sagt Hübner. Laut Robert Koch-Institut waren in der vergangenen Woche in Deutschland knapp 100.000 Menschen mit dem Influenza-Virus (Grippe-Virus) infiziert. Dies sollte mit der aktuellen Zahl von Covid-19-Erkrankungen ins Verhältnis gebracht werden. „Das muss man sich mal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen und sich selbst sagen, wie aufgeregt man mit dieser Situation umgehen will." Für ihn ist die Aufmerksamkeit, die der Virus erhält, Teil eines medialen Ereignisses: "Der Rauch, der entsteht, steht im Moment noch in keinem Verhältnis zum Feuer, das wir haben."

Dass die Menschen mehr Angst vor dem Coronavirus als vor der Grippe haben, liegt laut Tewes Wischmann, psychologischer Psychotherapeut am Universitätsklinikum in Heidelberg, vor allem an der Gewöhnung. Unserer Redaktion sagte er: „Das Neue ist immer interessanter als das Bekannte. Es ist aufregend und ängstigend zugleich." Der Grippevirus ist dagegen ein alter Bekannter.

Angstforscher mahnt sachlichen Umgang an

Dennoch werde der Virus in der Wahrnehmung noch länger als Gefahr präsent sein, vermutet Bandelow. Schließlich habe sich die Infektionswelle gerade erst von Asien nach Europa und Deutschland ausgebreitet. „Man ist besorgter, je näher die Situation emotional und räumlich an einem dran ist."

Behörden, das Gesundheitsministerium und die Medien sollten vorsichtig und sachlich mit Maßnahmen gegen die Ausbreitung umgehen, ohne gleichzeitig die Situation herunterzuspielen, mahnte Bandelow. „Mitunter wollen Verantwortliche nicht tatenlos abwarten, so dass Überreaktionen programmiert sind."

Mehr lesen

Dänemarkurlaub

Rekordjahr für den Tourismussektor – Weitere Investitionen in Natur- und Küstent

Tondern/Tønder Der Tourismussektor in Dänemark und Nordschleswig sorgt vor allem dank der deutschen Gäste für beeindruckende Zahlen im Jahr 2023, das sich als Rekordjahr bezüglich der Anzahl der Touristenübernachtungen abzeichnet. Eine Mehrheit im Folketing hat nun entschieden, den Natur- und Küstentourismus in Dänemark zusätzlich zu stärken und sich darauf geeinigt, hierfür 42,1 Millionen Kronen bereitzustellen.