Coronavirus

Angstzustände und Lernrückschritte: Diese Folgen hatte der Lockdown für Kinder

Angstzustände und Lernrückschritte: Diese Folgen hatte der Lockdown für Kinder

Diese Folgen hatte der Lockdown für Kinder

Finja Jaquet/shz.de
Osnabrück
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Kinder aus sozial schwachen Familien leiden am meisten unter den Corona-Maßnahmen. Foto: Christian Charisius/dpa

Der „Lockdown light“ schränkt Kinder und Jugendliche in Deutschland zum zweiten Mal in diesem Jahr stark ein – nicht ohne Folgen.

Konzentrationsschwierigkeiten, psychischer Stress, Unruhe – Folgen wie diese hat der Lockdown mit seinen Kontaktbeschränkungen, dem Schulausfall und geschlossenen Spielplätzen mit sich gebracht. Sie würden bei Kindern aller Altersstufen auftreten, berichten mehrere soziale Einrichtungen.

Laut des Deutschen Roten Kreuz (DRK) machen sich „bei zahlreichen Kindern und Jugendlichen innerhalb der DRK-Schul- und Jugendarbeit verstärkte Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme sowie deutliche Rückschritte im Lernen bis hin zum kompletten Leistungsabsturz bemerkbar“, wie der Pressesprecher erklärt.

Auch sind vermehrt Fälle von gesundheitlichen Begleitproblemen wie Adipositas hinzugekommen. Es sei zu erwarten, dass infolge der Corona-Pandemie körperliche und psychische chronische Krankheitsbilder häufiger werden. So etwa das Risiko für Depressionen, psychische Verhaltensauffälligkeiten, Suchtverhalten (z.B. Computerspielsucht) und die sogenannte „Schulangst“.

Durch Lockdown mehr Angststörungen

Sebastian Groth, Pressesprecher beim Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat zwar keinen Rückschritt an bereits erworbenen Fähigkeiten beobachtet. „Die emotionale Stabilität vieler Kinder ist durch Corona aber angegriffen, es gibt mehr Ängste, teils auch behandlungsbedürftige Angststörungen. Soziales Vermeidungsverhalten häuft sich ebenfalls“, schildert der Rendsburger Kinderarzt seine Eindrücke und erklärt, dass er diese Symptome derzeit häufig erlebe. Auch seien seine Patienten nicht mehr so fit wie zuvor. Besonders betroffen ist laut Groth die Altersgruppe der Schulkinder ab 6 Jahren.

Wissenschaftlich bestätigt werden diese Eindrücke durch die sogenannte Copsy-Studie, die Mitte des Jahres von der Universitätsklinik Eppendorf in Hamburg durchgeführt wurde. Copsy steht für Corona und Psyche, befragt wurden mehr als 1.000 Kinder zwischen 11 und 17 Jahren sowie etwa 1.500 Eltern.

Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, fasst zusammen: „65 Prozent der befragten 11 bis 17-Jährigen empfand den Schulalltag anstrengender, in den Familien wird über 27 Prozent mehr Streit berichtet und laut der Eltern sei eine Eskalation des Streits um 37 Prozent wahrscheinlicher.“

Laut der Studie fühlen Kinder und Jugendliche sich durch die Pandemie belasteter und einsamer. Bei psychischen Auffälligkeiten und stressbedingten körperlichen Beschwerden wie Kopf- und Bauchschmerzen gab es einen beträchtlichen Anstieg. „Besonders relevant waren diese Beobachtungen bei Familien mit einem schwierigen Familienklima, mit einem niedrigeren Bildungsabschluss der Eltern, bei Familien mit Migrationshintergrund oder mit beengten Wohnverhältnissen“, resümiert Rodeck.

Kinder aus sozial schwachen Familien leiden mehr

Seine Aussagen decken sich mit denen anderer Einrichtungen: Die Bundesvorsitzende des Deutschen Kitaverbandes Waltraut Weegmann berichtet, Kinder aus sozial schwachen Familien hatten nach dem Lockdown Schwierigkeiten, in den geregelten und strukturierten Kita-Alltag zurückzufinden.

„Bei gemeinsamen Mahlzeiten waren sie es beispielsweise nicht mehr gewohnt am Tisch zu sitzen und sich an Regeln für das gemeinsame Miteinander zu halten. Auf die Erzieher machte das den Eindruck, als fiele es Kindern mit einem familiär strukturierteren Alltag nach dem Lockdown deutlich leichter, sich in die Gemeinschaft einzufügen“, so Weegmann.

Martina Letzner von der Bundesvereinigung für evangelische Tageseinrichtungen gibt zu bedenken, dass auch die Eltern durch Kinderbetreuung, Homeoffice und Pandemie-Sorgen beeinflusst sind. „Es ist davon auszugehen, dass mögliche Unsicherheits- und Stresszustände der Eltern den Kindern nicht verborgen bleiben und sich möglicherweise auch auf sie übertragen“, beschreibt Letzner den Zusammenhang.

Lockdown auch Entschleunigung für Kinder

Letzner hat nach dem Lockdown außerdem auch positive Entwicklungen gesehen: „Es gibt eine Reihe von Kindern, die sich im häuslichen Umfeld sehr wohlgefühlt haben und sich dort gut entwickeln konnten“, berichtet sie. Zudem hätten Kinder im Zuge des Lockdowns die Möglichkeit, „ganz viel zu lernen: nämlich Krisenmanagement, Bewältigungsstrategien und Vertrauen in die Welt, in Gott und in sich selbst“.

Der Kinder- und Jugendarzt Dr. Rainer Böhm, leitender Arzt am Sozialpädiatrischen Zentrum Bielefeld-Bethel berichtet im Gespräch mit der Redaktion von ähnlichen Erfahrungen: „Es gab viele Familien, die die mit der neuen Situation einhergehende Entschleunigung durch den Wegfall von Pflichtterminen, durch mehr Ruhe und mehr Selbstbestimmung im Tagesablauf als positiv erlebt haben.“

Ihm zufolge sei die Durchtaktung des Familienalltags, die Schnelllebigkeit eine erhebliche Belastung für Kinder und Eltern. „Ich denke, wir haben lange unterschätzt, wie wichtig eine selbstbestimmte Gestaltung des Alltags auch für Kinder ist. Wir haben in den öffentlichen Einrichtungen meist ein sehr strukturiertes Angebot. Kinder können sich da nicht ohne Weiteres herausziehen, um individuell zu spielen oder sich in etwas zu vertiefen, ohne Anforderungen von außen. Das ist ein wichtiger Punkt, der bislang vernachlässigt worden ist.“

Laut Böhm könne man aus der Lockdown-Phase Erkenntnisse gewinnen, wie eine gute Kinderbetreuung aussehen soll.

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