Kultur und Wirtschaft in Schleswig

Neue Ideen für die alte Spritfabrik

Neue Ideen für die alte Spritfabrik

Neue Ideen für die alte Spritfabrik

Joachim Pohl/shz.de
Schleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Freigelände Spritfabrik
Auf dem Freigelände: Arne Hansen (v.li.), Cäcilie Hansen (mit Dackel "Hugo"), Künstler Dietmar Wagner, Bela Baumgart und Jens Lohmann. Foto: Joachim Pohl

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In die alte Spritfabrik an der St. Jürgener Straße kehrt neues Leben ein. Es könnte ein Zentrum für Innovationen werden.

Man sieht Arne Hansen die Freude über die Ereignisse an. Der Schleswiger Unternehmer (u.a. „Klöndeel“) begleitet und fördert die sehr unterschiedlichen Initiativen in und an der alten Spritfabrik an der St. Jürgener Straße mit Wohlwollen und Begeisterung. Alkohol aus Kartoffeln wird hier schon lange nicht mehr gebrannt, doch die Geräte sind noch immer da und vermutlich auch funktionstüchtig. 2000 Liter reiner Alkohol wurden hier einst pro Stunde produziert. Auch die Tanks dafür sind noch vorhanden.
 

Derzeit residiert hier die Verwaltung des ambulanten Pflegedienstes „Klöndeel“; die Fahrzeuge werden mit Solarstrom vom Dach des alten Industriegebäudes geladen. Der Unternehmer Jens Lohmann hat hier ein kleines Büro und möchte in Kürze mit einem Showroom für seine handgefertigten Ledermöbel der Marke „Mocfor“ an den Start gehen. So heißt auch sein Designer-Gin, den man hier bald verkosten und erwerben kann.

Innovative Boote mit Wasserstoff-Antrieb

 
 
 

Am anderen Ende des ausgedehnten Gebäudekomplexes residiert das junge Unternehmen „Unleash Future Boats“, das Wasserstoff-getriebene Kleinfähren für den Transfer von der Altstadt nach Haithabu und zurück entwickelt. Von dort wird es demnächst spannende Neuigkeiten geben, heißt es.

Im rückwärtigen Teil des Areals hat der Ingenieur Bela Baumgart eine kleine Werkstatt für CNC-Design und 3D-Druck eröffnet. Auch er hat große Pläne für die Zukunft und stößt damit bei Arne Hansen, der zusammen mit seinen Töchtern das Eigentum am Stadtrand verwaltet, auf große Zustimmung.
Ich kann mir hier einen Lebenstraum erfüllen.
Dietmar Wagner, Künstler
Richtig viel zu sehen gibt es indes im ersten Stock der früheren Mälzerei. Diesen von rauen Holzbalken geprägten Raum hat der ehemalige Lehrer und heutige Künstler Dietmar Wagner aus Süderfahrenstedt bezogen. „Ich kann mir hier einen Lebenstraum erfüllen“, sagt er – den Traum von der großformatigen Malerei. Wagner hat den ganzen großen Raum komplett in Beschlag genommen. Auf dem Boden liegen Planen, auf denen Farbeimer, Pinsel, Spachtel und weitere Werkzeuge liegen. An sämtlichen Wänden stehen und hängen Bilder, fast ausschließliche abstrakte Farblandschaften, visualisierte Stimmungen wie die Reihe „Moods“, nur hin und wieder etwas Figürliches oder angedeutete Landschaften.
Künstler Dietmar Wagner
Künstler Dietmar Wagner hat den gesamten Raum der früheren Mälzerei in Beschlag genommen. Foto: Joachim Pohl
Zum Arbeiten wird er diesen großzügigen Raum bald verlassen müssen, denn hier soll der Showroom von „Mocfor“ einziehen. Wagner wird den Raum mit seinen Bildern gestalten. Langfristig möchte Arne Hansen das Haus energetisch aufwerten, denn eine Heizung ist hier aufgrund der früheren Nutzung nie vorgesehen gewesen.
Unter jedem Stein liegt eine neue Idee.
Arne Hansen, Unternehmer

Doch Dietmar Wagner hat noch eine weitere Aufgabe. Im Sommer wird er zusammen mit einer Handvoll weiterer Künstler aus Österreich, Hamburg, Berlin und Lüneburg, womöglich auch aus Dänemark, die Außenwand eines rückwärtigen Gebäudes mit einem Riesengemälde verzieren. Arne Hansen wird die Wand zuvor grundieren lassen. Das Bild soll, so die Idee, auch die frühere Nutzung widerspiegeln. Hansen plant zudem, direkt vor dem Gemälde die im vergangenen Jahr ausgefallene Messe „Heim und Garten“ zu veranstalten, wenn auch in kleinerem Rahmen.

Klebezettel mit russischen Begriffen

Auch für diesen Sommer ist eine Benefiz-Ausstellung im Industrie-Ambiente der ausgedienten, riesigen Destillieranlage geplant. „Da bauen wir hier eine Bar auf“, sagt Arne Hansen, zeigt auf die meterhohe Batterie an Kontrollinstrumenten und grinst. „Auf den Klebezetteln stehen kyrillische Schriftzeichen. Die haben die russischen Arbeiter hingeklebt, damit sie wussten, was die jeweiligen Instrumente bedeuten.“

Uhrenladen
Vor dem Uhrenladen: Cäcilie Hansen (mit Dackel „Hugo“), Gin-Macher Jens Lohmann (Mitte) und Künstler Dietmar Wagner, der hier eine Benefiz-Ausstellung organisieren will. Foto: Joachim Pohl
„Unter jedem Stein liegt eine neue Idee“, begeistert er sich. Eine neue Halle soll gebaut werden, die markante rote Backsteinfassade zur St. Jürgener Straße soll in jedem Fall erhalten bleiben. Der Dornröschenschlaf des alten Industriegemäuers geht unwiderruflich zu Ende.
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