Diese Woche auf Bornholm

„Die jungen Stimmen sind beim Folkemøde deutlicher geworden“

Die jungen Stimmen sind beim Folkemøde deutlicher geworden

Die jungen Stimmen sind beim Folkemøde deutlicher geworden

Allinge
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Die jungen Debattierenden begeistern das Publikum bei der „DM i Debat“. Foto: Finn Frandsen/Ritzau Scanpix

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Junge Menschen sind in diesem Jahr häufiger in den Panels in Allinge zu finden. Eine wichtige und hoffnungsvolle Entwicklung – nicht nur für das jährliche Demokratiefestival, sondern für die dänische Demokratie als solches. Das zumindest meint Walter Turnowsky.

Ich befinde mich im High. Die Veranstaltung, die dieses Gefühl ausgelöst hat, ist zwar schon wieder drei Stunden her, aber das Hoch ist fast so stabil, wie jenes, das bis zum Beginn des Folkemødes seit Ende März stabil über Bornholm gelegen hat.

Ich muss gestehen, dass ich ein wenig geschummelt und dieses High bewusst aufgesucht habe. Denn seit ich vor zwei Jahren den dänischen Meisterschaften im Debattieren (DM i Debat) das erste Mal beigewohnt habe, weiß ich, hier kann man so richtig demokratische Kalorien und Optimismus tanken.

Wer einmal die engagierten jungen Frauen und Männer erlebt hat, die in Diskussionsduellen gegeneinander antreten, der kann gleich mehrere positiven Schlussfolgerungen daraus ziehen.

Die Jugendlichen machen es vor

Erstens: Die Jugendlichen haben etwas auf dem Herzen, und können auch für Ihre Standpunkte engagiert streiten. Zweitens verhindert auch die härteste politische Debatte nicht, dass sie sich nach dem Wettstreit umarmen – sogar während der Diskussion ein Herzchen-Handzeichen zuwerfen.

Und drittens – und das ergibt sich fast schon aus erstens und zweitens: Da können sich so einige „Erwachsene“ gleich mehrere Scheiben abschneiden. Oder wie es die eine Punktrichterin, die „Politiken“-Debattenredakteurin, Susan Knorreborg, ausdrückte, sie sei froh, nicht gegen die acht Halbfinalistinnen und -finalisten antreten zu müssen.

Unter den acht, die es nach den Vorrunden zum Folkemøde geschafft haben, sind Vertreterinnern und Vertreter der Jugendparteien. Da ist aber auch der Wirtschaftsstudierende, der meint, die wichtigsten Dinge lassen sich nicht in einer Excel-Tabelle erfassen. Der junge Mann mit Migrationshintergrund, der die Orgasmus-Schere zuungunsten von Frauen schließen möchte.

Warum Mette sich über die Schulter schauen sollte

Da wäre auch die Frau aus dem „Ghetto“ im Kopenhagener Westen (Vestegnen) – lange Acrylnägel und Extensions inklusive –, die gegen unzulängliche Drogenmaßnahmen wettert. Oder die Frau, die darauf besteht, sich vor dem engagierten Publikum auf die Bühne zu stellen, obwohl sie in psychiatrischer Behandlung ist.

Mit anderen Worten, wir brauchen uns um die Zukunft des demokratischen Diskurses in Dänemark keine Sorgen zu machen. Knorreborg brachte es nach dem Auftritt des Vertreters der Sozialdemokratischen Jugend (DSU), Mathias Kring Niebuhr, auf den Punkt: Mette Frederiksen sollte schon mal anfangen, sich über die Schulter zu schauen (sollte sie nicht ohnehin in die Nato entfleuchen).

Das Folkenmøde will junge Menschen anziehen

Die „DM i Debat“ ist bereits eine Institution beim Folkemøde, doch seit dem vergangenen Jahr setzen die Veranstalter verstärkt darauf, junge Menschen für das Demokratiefestival zu gewinnen. Ein eigenes Jugendcamp macht es erschwinglich, auch mit einem SU-Budget herzufahren.

Und in diesem Jahr greift diese Initiative so richtig. Wenn man durch Allinge schlendert, sieht man deutlich mehr junge Gesichter als noch im vergangenen Jahr. Das mag auch damit zusammenhängen, dass sie verstärkt nicht nur im Publikum, sondern auch auf den Bühnen und in den Zelten des Folkemødes zu finden sind.

Eine neue Initiative hat dies gefördert. Drei Jugendorganisationen haben eine Liste von fast 200 Jugendlichen zusammengestellt, die man als Veranstaltende für sein Panel (Diskussionsgruppe) buchen kann. Sie vertreten unterschiedliche Meinungen, Geografie, Ethnizität, sexuelle Orientierung und unterschiedliches Bildungsniveau. Die Hälfte von ihnen ist bei Veranstaltungen auf dem Folkemøde in Diskussionsrunden zu sehen.

Klappe halten – und zuhören

Wir Boomer – und die Generationen nach uns – haben gemerkt, dass wir diese Stimmen der Zukunft brauchen. Doch immer noch erleben sie fragwürdiges Lob nach einem Strickmuster, das eher als herablassende Bemerkung zu werten ist: „Du hast sehr gut argumentiert – für jemanden deines Alters“.

Statt solcher dummen Sprüche sollten wir lieber mal die Klappe halten und zuhören. Denn auch der schlaueste Professor kann nicht erzählen, wie es war, während des Corona-Shutdowns, zur Schule zu gehen (wenn man das so nennen kann). Die begabteste Professorin weiß nicht, was es heißt, im Schatten des Ukraine-Krieges und des Klimawandels jung zu sein. Sie, nicht wir, erleben das heutige Bildungssystem von innen.

Das Folkemøde arbeitet daran, Jugendlichen deutlichere Stimmen zu geben. Doch auch an den übrigen 362 Tagen und außerhalb von Allinge, ist es höchste Zeit, dass wir diesen Stimmen zuhören. Und die Mehrzahl in diesen Sätzen ist entscheidend, denn „die Jugend“ gibt es nicht.

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