Leitartikel

„Sicherheit ist viel mehr als Panzer und Soldaten“

Sicherheit ist viel mehr als Panzer und Soldaten

Sicherheit ist viel mehr als Panzer und Soldaten

Kopenhagen
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In Dänemark und Deutschland sollen die Verteidigungshaushalte deutlich aufgestockt werden. Der Krieg in der Ukraine zeigt jedoch, dass Sicherheitspolitik viel breiter angelegt werden muss, meint Walter Turnowsky.

Die Regierungen sowohl in Dänemark als auch in Deutschland wollen massiv militärisch aufrüsten. Das Nato-Ziel von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung soll erreicht werden.

Doch das allein wird nicht ausreichen. Sicherheitspolitik war noch nie ausschließlich abhängig von der militärischen Stärke – und sie ist es heute weniger denn je.

Du kannst dir ja die Frage stellen, ob es den Einmarsch Wladimir Putins in die Ukraine verhindert hätte, würden sämtliche Nato-Länder das 2-Prozent-Ziel erfüllen. Das wäre wohl nur der Fall, wenn wir auch bereit wären, die militärische Schlagkraft einzusetzen.

Damit würden wir jedoch sowohl in der jetzigen Situation als auch in dem Denkbeispiel die Gefahr eines Atomkrieges heraufbeschwören.

Die derzeitige Diskussion um das russische Gas zeigt deutlich, dass Wirtschaftspolitik auch sicherheitspolitische Komponenten umfasst. Bis auf den deutschen Altkanzler Gerhard Schröder ist wohl mittlerweile allen klar geworden, dass es kein schlauer Schachzug war, sich bei der Energieversorgung in so hohem Maß von Russland abhängig zu machen.

Es wäre sicherlich teurer gewesen, das Erdgas aus mehreren unterschiedlichen Quellen zu beziehen. Aber Sicherheitspolitik kostet eben auch in anderen Bereichen als den reine militärischen.

Vor allem verdeutlicht die Situation auch, dass wir nicht nur aus Klimagründen auf Eigenversorgung aus nachhaltigen Energiequellen setzen müssen.

Es ist anzunehmen, dass Putin darauf gesetzt hat, dass die Abhängigkeit vom Gas eine deutliche europäische Reaktion verhindern würde. Damit hat er sich zwar bis zu einem gewissen Grad getäuscht, aber umgekehrt können wir ihm ganz offensichtlich nicht von heute auf morgen diese Finanzierung seiner Kriegsmaschine abdrehen.

Ein anderer Punkt, bei dem Putin sich verrechnet hat, ist die Einigkeit bei der Reaktion der europäischen und westlichen Staaten. Er hat über Jahre gezielt daran gearbeitet, Zwietracht und Spaltung zu säen.

Russische Hacker und Internet-Trolls haben unter anderem in den US-Wahlkampf 2016 und in die Volksabstimmung zum Brexit eingegriffen. Sogenannte Troll-Fabriken in St. Petersburg arbeiten gezielt daran, Debatten in den sozialen Medien anzuheizen und Fake-News zu verbreiten.

Die Methode ist, ohnehin schon emotionale Debatten so zu polarisieren, dass es zu Spaltungen kommt. Ein Beispiel ist die Diskussion über die Waffengesetze der USA. Hier haben sich russische Trolls auf beiden Seiten der Debatte eingemischt. Mithilfe von Bots, also automatisierten Computerprogrammen, werden die extremsten Standpunkte in den sozialen Medien nach oben katapultiert, indem sie verbreitet, kommentiert und geliked werden.

Ziel ist es, die liberalen Demokratien zu untergraben, und auch dagegen müssen wir lernen, uns zu Wehr zu setzen. Das wird nicht einfach, umso wichtiger ist es, dass wir diese Herausforderung ernst nehmen und darauf in viel höherem Maß als heute Kräfte einsetzen.

Herausforderungen für unsere Sicherheit kommen auch von anderen Seiten. Kriege, Krisen und Umweltzerstörungen weltweit haben in zunehmendem Maß auch Einfluss auf unsere Gesellschaften. Die Großmacht China setzt gezielt wirtschaftliche Mittel zur Umsetzung strategischer Ziele ein.

Es ist offensichtlich, dass man dieser komplexen Bedrohungslage nicht ausschließlich mit Panzern und Soldaten begegnen kann.

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