Energiewende

Lange Vorlaufzeit kann grünen Strom aus der Ostsee verzögern

Lange Vorlaufzeit kann grünen Strom aus der Ostsee verzögern

Lange Vorlaufzeit kann grünen Strom aus der Ostsee verzögern

Ritzau/nb
Kopenhagen
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In Zukunft könnten weitere Windräder in der Ostsee aufgestellt werden. In ihr schlummert ein enormes Potenzial für grüne Energie. Hier eine Anlage mit 111 Windrädern bei Anholt (Archivfoto). Foto: Bo Amstrup/Ritzau Scanpix

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Bei einem Gipfeltreffen am Dienstag auf Bornholm soll es darum gehen, die Ostsee-Region von russischem Gas unabhängig zu machen. Die Industrie steht in den Startlöchern, befürchtet jedoch Verzögerungen aufgrund langer behördlicher Genehmigungsverfahren.

Die Ostsee beherbergt ein enormes Potenzial, wenn es um die Versorgung mit grünem Strom geht. Bislang wird diese Möglichkeit allerdings nur in geringem Maße genutzt. Das soll sich jedoch bald ändern.

Am Dienstag ist Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) Gastgeberin eines Energie-Gipfeltreffens auf Bornholm, an dem alle Ostsee-Anrainerstaaten und die Vorsitzende der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, teilnehmen.

Industrie steht in den Startlöchern

Ob das Gipfeltreffen zu konkreten Ergebnissen führen wird, muss abgewartet werden. Die Industrie jedoch ist bereit, um weitere Windräder zu bauen.

„Deshalb ist es auch frustrierend, dass es so lange dauert, den Worten Taten folgen zu lassen“, sagt der Direktor von Dansk Industri, Lars Sandahl Sørensen.

Deshalb ist es auch frustrierend, dass es so lange dauert, den Worten Taten folgen zu lassen.

Lars Sandahl Sørensen, Direktor von Dansk Industri

Lange Genehmigungsverfahren

Seiner Beobachtung nach dauert es im Durchschnitt neun Jahre, ehe ein Windpark behördlich genehmigt ist und Strom an die Verbraucherinnen und Verbraucher schicken kann. Etwas, das seiner Auffassung nach allerdings auch in der Hälfte der Zeit bewältigt werden könnte.

„Wir können riskieren, dass die Ambitionen in der Nord- und Ostsee nicht schnell genug in Dänemark realisiert werden, weil andere Projekte kommen“, so seine Warnung.

Enormes Potenzial

Gegenwärtig werden 2,8 Gigawatt Meereswind aus der Ostsee gewonnen, von denen etwa die Hälfte aus Windrädern in dänischen Gewässern stammt. Allerdings belaufe sich das Potenzial nach Einschätzung der EU-Kommission auf bis zu 93 Gigawatt bis 2050.

Dies wäre nach Meinung von Brian Vad Mathiesen, Professor für Energieplanung an der Universität Aalborg, extrem viel.

Sofern eine Vereinbarung erzielt werden kann, die sich an dieser Zielsetzung orientiert, dann würden wir in Europa wirklich gut dastehen. 

Brian Vad Mathiesen, Professor für Energieplanung, Universität Aalborg

„Sofern eine Vereinbarung erzielt werden kann, die sich an dieser Zielsetzung orientiert, dann würden wir in Europa wirklich gut dastehen. Auch in Bezug auf unser Bestreben, die Paris-Vereinbarung umzusetzen“, sagt er.

Allerdings sei es gar nicht erforderlich, das gesamte Potenzial auszuschöpfen. Eine Vereinbarung für die Erzeugung von 60 Gigawatt würde nach seiner Ansicht bereits viel bewirken.

Bis zu 30 Prozent des EU-Bedarfs im Jahr 2050 abgedeckt

„Wir können damit rechnen, dass bis zu 30 Prozent des EU-weiten Bedarfs für Meereswind im Jahr 2050 aus der Ostsee bedient werden kann“, so seine Einschätzung.

Jedoch können lange behördliche Genehmigungsverfahren die Arbeit verzögern, so mahnende Stimmen aus der Wirtschaft. Ein Umstand, den die Bevölkerung hierzulande bereits zu spüren bekommt.

Mangel an nachhaltiger Energie spiegelt sich in Strompreisen wider

„Wir bezahlen gegenwärtig rekordhohe Energiepreise, und das kann darauf zurückgeführt werden, dass wir über zu wenig nachhaltige Energie verfügen. Je mehr Zeit verstreicht, desto länger werden wir mit hohen Stromrechnungen zu kämpfen haben“, sagt Ulrich Bang, Chef für Klima, Energie und Umwelt bei Dansk Erhverv.

Wir bezahlen gegenwärtig rekordhohe Energiepreise, und das kann darauf zurückgeführt werden, dass wir über zu wenig nachhaltige Energie verfügen. Je mehr Zeit verstreicht, desto länger werden wir mit hohen Stromrechnungen zu kämpfen haben.

Ulrich Bang, Chef für Klima, Energie und Umwelt, Dansk Erhverv

Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) hatte bereits auf einem Energiegipfel in Esbjerg, an dem die Regierungschefs Deutschlands, der Niederlande und Belgiens teilnahmen, angedeutet, dass die Genehmigungsverfahren für die Erzeugung grüner Energie beschleunigt werden könnten. Davon hat die Wirtschaft bislang allerdings noch nichts gespürt.

„Wenn es um die schnelle Realisierung von Lösungen für grüne Energie geht, ist das Schnellste eine ‚offene Tür‘ zu etablieren, so dass die Akteure ein Angebot abgeben und Windparks entwickeln können und selbst die Voruntersuchungen durchführen. Von öffentlicher Seite kann man dann darauf fokussieren, das Stromnetz vorzubereiten, um den grünen Strom auch transportieren zu können“, sagt Ulrich Bang.

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