Nationalsozialismus

Die Jugendlichen von Sankt Petri, die die braune Vergangenheit öffentlich machten

Jugendliche von Sankt Petri machten die braune Vergangenheit öffentlich

Jugendliche machten Nazi-Zeit an Sankt Petri öffentlich

Kopenhagen
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Louise Schirmann, Nikolaj Schluckebier, Hanna Schirmann ud Anne-Sophie Trepka (v.l.) haben sich während ihrer Schulzeit an der Petri-Schule intensiv mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Foto: Walter Turnowsky

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Erst seit drei Jahren geht die deutsche Schule in Kopenhagen auf ihrer Homepage offen mit der Nazi-Zeit um. Dies hat sie 17 Schülerinnen und Schülern zu verdanken, die im Rahmen eines Schulprojektes Informationen darüber ausgegraben haben.

Jahrzehntelang hielt sich die Erzählung von der deutschen Schule in Kopenhagen, die sich dem Einfluss des Nationalsozialismus entziehen konnte. Seit dem 1. November 2020 belegt die Homepage der Sankt Petri-Schule, dass dies nicht der Fall ist. Diese Informationen sind das Ergebnis eines Geschichtsprojektes, bei dem sich 17 Schülerinnen und Schüler eineinhalb Jahre lang intensiv mit der braunen Vergangenheit der Schule auseinandergesetzt haben.

„Es ist für die Petri-Schule wichtig, dass diese Informationen jetzt öffentlich sind, denn man hat diesen Teil der Geschichte der Schule lang Zeit vertuscht, oder zumindest nicht erwähnt“, sagt Anne-Sophie Trepka.

Petri-Schule in den Schlagzeilen

Sie ist eine der Schülerinnen, die in der 8. und 9. Klasse an dem Projekt gearbeitet hat. Der Anstoß war ein Wettbewerb des deutschen Auswärtigen Amtes für die deutschen Auslandsschulen, der unter der Überschrift „Erinnern für die Gegenwart“ lief.

Das konnte ich mir zunächst nicht richtig von der eigenen Schule vorstellen, dass sie in Verbindung mit dem Nationalsozialismus stand.

Anne-Sophie Trepka

„Für uns war es interessant, dieses Projekt zu machen, weil sich die Dinge an dem Ort, an dem wir zur Schule gehen, ereignet haben. Das macht das große Weltgeschehen sehr konkret“, sagt Nikolaj Schluckebier.

Ein weiterer Punkt hat dazu geführt, dass die Schülerinnen und Schüler interessiert daran waren, diesen Abschnitt der Geschichte der jahrhundertealten Schule zu untersuchen: 2017 fand sich die Sankt Petri plötzlich auf der Titelseite von „Berlingske“ wieder. „Historiker: Kopenhagener Schule verbirgt ihre Nazi-Vergangenheit“, lautete die Überschrift.

„Bis zu dem Zeitpunkt habe ich gar nichts gewusst“, sagt Hanna Schirmann, die damals in der 5. Klasse war.

„Das konnte ich mir zunächst nicht richtig von der eigenen Schule vorstellen, dass sie in Verbindung mit dem Nationalsozialismus stand. Denn wir wussten ja damals schon, wie jedes deutsche Kind, dass der Nationalsozialismus etwas ganz Schlimmes ist“, so Trepka.

Das Schulprojekt

Als sie dann in der 7. Klasse waren, wollten sie erforschen, was sich nun tatsächlich während der Nazi-Zeit an der Petri-Schule zugetragen hat.

„Am Anfang des Projekts haben wir alle 17 besprochen, dass wir herausfinden wollen, wie es den Juden an der Schule ergangen ist, wie stark der Nationalsozialismus an der Schule verankert war und den Unterricht geprägt hat und ob es nationalsozialistische Lehrer gab“, erzählt Louise Schirmann.

Nach der Schulzeit marschierte die Hitlerjugend im Schulhof von Sankt Petri auf. Foto: Archiv der Sankt Petri Schule

Damit die Schülerinnen und Schüler sich zunächst ein Bild davon machen konnten, was Nationalsozialismus bedeutet, haben sie an einem fünftägigen Workshop im Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg teilgenommen.

„Da haben wir verstanden, was mit Juden und anderen Menschen dort passiert ist“, so Louise Schirmann.

Die Gedenktafel

Danach haben sie sich in das Schularchiv vertieft. Ihre Lehrerin hat weitere Archivalien aus Berlin beschafft. Sie fanden heraus, dass ab 1940 keine jüdischen Schülerinnen oder Schüler mehr die Petri-Schule besuchten. Diese Information konnte der Historiker Jacob Halvas Bjerre in seinem Anfang November erschienen Buch „Den tyske Skole og Besættelsen“ bestätigen.  

Es kann passieren, dass wir das allmählich vergessen, wie es war. Wir haben während des Projekts viel darüber gesprochen, dass wir verhindern wollen, dass etwas Entsprechendes wieder passiert.

Louise Schirmann

Aus dem Buch „Landesgruppe Dänemark“ des Historikers Ole Brandenborg Jensen erfuhren sie, dass zwei der ehemaligen jüdischen Schüler in Auschwitz ermordet wurden. Sie fanden heraus, dass eine weitere Schülerin im Konzentrationslager in Riga ums Leben kam und einer bei der Flucht nach Schweden ertrunken ist.

„Wir haben vorgeschlagen, dass eine Gedenktafel an der Schule angebracht wird, um an die Namen, der Schülerinnen und Schüler zu erinnern, die während des Holocausts umgekommen sind“, sagt Louise Schirmann.

Die Gedenktafel an der Petri-Schule Foto: Walter Turnowsky

Die Tafel hängt heute neben dem Haupteingang der Schule. „Wir waren von den Stolpersteinen inspiriert, wollten sie aber in Augenhöhe anbringen, damit man es sieht, wenn man in die Schule geht“, so Hanna Schirmann.

Erkenntnisse aus dem Projekt

Halvas Bjerre kommt zu dem Ergebnis, dass die Nazifizierung an der Petri-Schule langsamer geschah als an den deutschen Schulen in Nordschleswig. Am Ende war sie jedoch alles umfassend. Auch hier decken sich seine Erkenntnisse mit denen des Schulprojektes.

„Die Petri-Schule war nationalsozialistisch. Es war schlimm, aber vielleicht nicht ganz so schlimm, wie ich befürchtet hatte“, sagt Trepka.

Eigentlich wollten sie ihre Ergebnisse bei einer großen Ausstellung vorstellen, doch die konnte Corona-bedingt nicht stattfinden. Wie erwähnt, sind die umfassenden Informationen, die sie ausgegraben haben, auf der Homepage der Petri-Schule zu finden.

Ein Einsatz gegen das Vergessen

Die vier Jugendlichen sind heute nicht mehr an der Schule, sondern besuchen unterschiedliche Gymnasien in Kopenhagen. Sie waren jedoch dabei, als die Petri-Schule Anfang des Monats Halvas Bjerres Buch bei einer Festveranstaltung vorstellte.

„Wir haben immerhin eineinhalb Jahre mit dem Thema gearbeitet, und konnten es dann nicht so präsentieren, wie wir eigentlich wollten. Deshalb wollten wir gerne sehen, wie mit dem Thema weiter umgegangen wird“, so Schluckebier.

Die vier jungen Menschen sind sich darin einig, dass es auch und gerade für ihre Generation wichtig ist, sich mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Zeitzeugen gibt es kaum noch, und daher hätten sie keinen direkten Bezug zu der braunen Ära.

„Es kann passieren, dass wir das allmählich vergessen, wie es war. Wir haben während des Projekts viel darüber gesprochen, dass wir verhindern wollen, dass etwas Entsprechendes wieder passiert“, sagt Louise Schirmann. Die anderen stimmen ihr zu.

Weitere Informationen zur Vergangenheitsbewältigung an der Petri-Schule:

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Kommentar

Hannah Dobiaschowski
Hannah Dobiaschowski Projekte / Marketing
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